Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
In diesem Kapitel werden unterschiedliche traditionelle sowie neuere Begründungsverfahren der Ethik dargelegt, die für die Pflegeethik besondere Bedeutung haben.
Im Alltag werden moralische Handlungen subjektiv bewertet und können einer objektiven Beurteilung meist nicht standhalten. Ethische Entscheidungen sollen nicht "aus dem Bauch heraus" getroffen oder bloß nach subjektiver Einschätzung begründet werden, sondern erfordern eine systematische Reflexion und ethisch fundierte Argumentation.
Ethische Begründungsverfahren bieten allgemeingültige Theorien und Ansätze zur Reflexion eigener Handlungsmuster. Sie helfen uns, unterschiedliche Aspekte eines ethischen Problems sichtbar zu machen und zu verstehen, welche ethischen Werte, Normen, Prinzipien oder Tugenden (Haltungen) zur Diskussion stehen.
Die traditionellen Theorien ethischer Normbegründung lassen sich in unterschiedliche Grundrichtungen einteilen:
nach einem (formalen) Prinzip oder moralischen Gesetz, dem sich der/die Handelnde verpflichtet, daher deontologische Ethik genannt. Dazu zählt u. a. die kantische Ethik.
griech. déon = Pflicht
griech. télos = Ziel
nach einem als gut bestimmten Ziel, daher teleologische Ethik; Aristoteles bezeichnet das erstrebte Ziel als eudaimonia, das gute Leben. Eine weitere teleologische Ethik stellt u. a. der Utilitarismus dar, der ausschließlich an den Konsequenzen bzw. am sozialen Nutzen einer Handlung für das allgemeine Wohlergehen orientiert ist.
Die kantische Ethik als deontologische Ethik gibt für das handelnde Subjekt eine bestimmte Pflicht, ein Prinzip oder moralisches Gesetz vor und versucht, den universal verbindlichen Grundsatz und dessen Geltungsgrund zu sichern, unabhängig von den zu erwartenden Folgen bzw. Konsequenzen. Es geht um die Frage nach dem moralisch richtigen und gerechten Handeln: Was soll ich tun?
Der Utilitarismus (teleologische bzw. konsequenzialistische Ethik) dagegen beurteilt eine Handlung, Regel, Norm ausschließlich danach, wie gut bzw. schlecht ihre Folgen oder Konsequenzen für das Wohl der Allgemeinheit sind oder wie groß der Nutzen einer Handlung für die Allgemeinheit ist. Was ist das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl?
Die aristotelische Tugendethik (teleologische Ethik, Strebensethik) orientiert sich in der ethischen Bewertung an der charakterlichen Haltung der handelnden Person. In der Antike wurden das moralisch Gute als das höchste Ziel und das Richtige zusammen berücksichtigt. Die zentrale Frage der Tugendethik lautet: Wie soll ich mein Leben als Ganzes leben? (Pauer-Studer, 2010, S. 12 f.)
Die eine ethische Urteilsbegründung gibt es nicht. Es existieren vielfältige ethische Ansätze, die unterschiedliche moralische Handlungsweisen vertreten. Faktum ist, dass ein Ansatz alleine keine befriedigende Antwort auf die Gesamtheit ethischer Fragestellungen liefert. Im Pflegealltag hängt die Wahl des ethischen Begründungsansatzes von der Art des ethischen Problems ab. So bedient man sich z. B. bei Fragen nach dem richtigen Umgang mit Patientenaufklärung oftmals der Pflichtethik, bei Fragen der Beziehungsgestaltung im Umgang mit Patient*innen auf tugendethische Argumente und wenn es um Fragen der Gerechtigkeit (z. B. Verteilung knapper Güter) geht, bezieht man sich häufig auf konsequenzialistische Ethiktheorien (vgl. Monteverde, 2012, S. 22).
Die kantische Ethik ist die wohl bekannteste deontologische Ethik (Pflichtethik) und sieht die innerliche Bindung an moralische Pflichten als das Wesen der Moral an. Die Pflichtethik besagt, dass es Pflichten gibt, die jeder Mensch erfüllen soll. Der moralische Gehalt einer Handlung wird von der Gesinnung bzw. Absicht, die einer Handlung zugrunde liegt, beurteilt. Dies bedeutet: Ob eine Handlung gerecht bzw. moralisch richtig oder falsch ist, hängt von der Handlung an sich und nicht von den Handlungsfolgen ab (z. B. ein Versprechen ist zu halten, unabhängig von den Folgen).
Immanuel Kant (1724-1804), der wohl bedeutendste Philosoph der deutschen Aufklärung, geht davon aus, dass jeder moralischen Handlung die Einsicht in das ethisch Richtige verpflichtend vorangeht. Der Mensch ist jedoch kein reines Vernunftwesen, sondern auch ein mit Trieben, Begierden und Leidenschaften ausgestattetes Naturwesen. Daher werden unsere Handlungen weitgehend von unseren Neigungen und Bedürfnissen angetrieben. Diese fließen nach Kant in subjektive Prinzipien des Handelns ein, nach welchen der Mensch sein Handeln ausrichtet. Kant nennt diese Handlungsprinzipien Maximen. Dem Handeln aus Selbstinteresse tritt die Stimme der Vernunft als moralische Pflicht gegenüber. Während ein hungriger Wolf seinem Instinkt folgt und ein schwächeres Tier reißt, kann der Mensch die Gesetze der Natur überwinden und ist dadurch zu moralischem Handeln aufgefordert. Er besitzt die Freiheit, sich selbst ein Gesetz zu geben. Diese Freiheit zur Selbstbestimmung, durch die moralisches Handeln erst möglich wird, nennt Kant Autonomie.
"Sapere aude" - "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" (Wahlspruch der Aufklärung, 16./17. Jh.)
Immanuel Kant wurde 1724 in Ostpreußen geboren und hat seinen Geburtsort Zeit seines Lebens nie verlassen. Er wuchs unter kleinstbürgerlichen Verhältnissen auf. Mit 16 Jahren begann er Mathematik, Philosophie, Naturwissenschaften und Theologie zu studieren.
Er wirkte in der Zeit der Aufklärung und hatte eine Professur in Königsberg. Kant verfasste bedeutende Werke, die bis heute die westliche Welt tiefgreifend beeinflussen. In "Kritik der reinen Vernunft" (1781) geht es um das metaphysische Erkenntnisvermögen des menschlichen Geistes, in "Kritik der praktischen Vernunft" (1788) befasst er sich mit dem moralischen Handeln und formuliert den kategorischen Imperativ als oberstes Moralprinzip. Die praktische Vernunft bezieht Kant auf handlungsbezogenes Denken, d. h. der Wille und das praktische Handeln sind nach Kant durch ein Vernunftgesetz bestimmbar. Mit dem Motiv der Achtung der Person des anderen legt er den Grundstein für die Formulierung der Menschenrechte, indem er die Definition der Menschenwürde begründet.
Die wichtigsten Werke Kants zur Ethik im Detail sind: "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" (1785), "Kritik der praktischen Vernunft" (1788) und "Metaphysik der Sitten" (1797).
Grundfrage: Kant geht der Frage nach: Was motiviert uns zum guten Handeln? Er findet die Antwort darin, dass "allein ein guter Wille" (Kant, GMS, BA 1,2) zu rechtem Handeln motiviert. Bei Kant sind nicht schon die Talente eines Menschen gut, sondern der Wille bestimmt erst den Charakter. Gute Eigenschaften eines Menschen sind nicht an sich gut, sondern hängen allein davon ab, was der Mensch daraus macht. Er kann daher nur bedingt als gut erkannt werden. So kann z. B. Klugheit auch für raffinierte Verbrechen eingesetzt werden. Erst wenn Naturgaben von einem guten Willen gelenkt werden, sind sie auch als gut zu betrachten. Daher hat der vernunftbegabte Mensch die Pflicht, sich immer wieder für das als moralisch richtig Erkannte zu entscheiden. Genau diese Verbindlichkeit nennt Kant Pflicht. "Pflicht ist die Notwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz."3 (Kant, GMS, BA 14)
Ethische Handlungsbegründung: An dieser Stelle differenziert Kant im Handeln zwischen "pflichtgemäß" und "aus Pflicht". Mit pflichtgemäß meint er, dass eine Handlung zwar nach außen moralkonform erscheint, jedoch in selbstsüchtiger Absicht oder aus Bequemlichkeit geschieht. Beispiel: Wenn ich für eine pflegebedürftige alte Frau nur deshalb den Einkauf erledige, weil sie mir dafür jedes Mal ein großzügiges Trinkgeld gibt, handle ich zwar nach außen hin pflichtbewusst, meine Gesinnung ist aber bloß eigennützig und damit schlecht.
Dagegen ist eine Handlung aus Pflicht frei von selbstsüchtiger Absicht und erfolgt allein aus Achtung für das moralische Gesetz, das sich der gute Wille nach kritischer Prüfung selbst gibt. Dies ist etwa der Fall, wenn ich einer hilfsbedürftigen Frau über die Straße helfe oder den Einkauf erledige, ohne eine eigennützige Erwartung zu hegen. Wenn ich dagegen jemandem nur helfe, weil mir die Person sympathisch ist, so ist dies wiederum nur pflichtgemäßes Handeln bzw. Handeln aus Neigung. Pflicht und Neigung können aber auch zusammenfallen. Ebenso gut ist mein Handeln, wenn ich das Gute mit Vorliebe tue, weil ich mit der...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Adobe-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Adobe-DRM wird hier ein „harter” Kopierschutz verwendet. Wenn die notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen, können Sie das E-Book leider nicht öffnen. Daher müssen Sie bereits vor dem Download Ihre Lese-Hardware vorbereiten.Bitte beachten Sie: Wir empfehlen Ihnen unbedingt nach Installation der Lese-Software diese mit Ihrer persönlichen Adobe-ID zu autorisieren!
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.