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Schach ist eine kleine Welt in der großen. Aber eigentlich ist es selbst auch eine große Welt. Das zeigen die Geschichten dieses Buches. In 31 Kapiteln gibt Christian Hesse Einblicke in die Faszinationskraft des königlichen Spiels und beschäftigt sich mit Phänomenen wie Aussetzern und Damenopfern, mit großen Momenten des Schach wie dem legendären Weltmeisterschaftskampf Fischer gegen Spassky in Reykjavik, aber auch mit Humor im Schach oder Schach und Mathematik. Schachspielen ist nicht nur kühles Kalkül, es ist voller Leidenschaft. Schach nimmt unter den Spielen eine Sonderrolle ein. Wie kein anderes hat es philosophische, psychologische, mathematische Tiefe. Seine Schönheit ist an die Bewegung der Figuren geknüpft, an deren harmonische und effektive Dynamik: wie positionieren sich angreifende und verteidigende Figuren zueinander, in welche Räume dringen sie vor, welche Linien werden überquert, welche Felder blockiert, besetzt, geräumt oder verstellt? Und was sind die Ideen, die all dem zugrunde liegen?
Vorwort Technische Anleitung, nicht nur für Anfänger I. Ein großer Moment im Schach 1. Als die Welt schachverrückt wurde II. Das unsichtbare Spiel 2. Von unübersehbarer Unsichtbarkeit 3. Schach ist vollkommener als das Leben 4. Humor im Schach III. Schach-Geschichten 5. Ultra-Aussetzer 6. Nur Bauern können, was Bauern können 7. Die ewige Wiederkehr des Gleichen 8. Die Umwandlung von Materie in Energie 9. Millenniumsprobleme 10. Fehlgriffe, Aussetzer, Kurzschlüsse (1) 11. Fehlgriffe, Aussetzer, Kurzschlüsse (2) 12. Fehlgriffe, Aussetzer, Kurzschlüsse (3) 13. Intelligente Loopings 14. Schach und Computer (1) 15. Schach und Computer (2) 16. Schach und Computer (3) 17. Ein Abend mit Anand 18. Frühe Damenopfer 19. Die Mutter und die Großmutter aller Züge 20. Aus dem Reich der Schachprobleme 21. Die 50-Züge-Regel 22. Searching for Bobby Fischer (1) 23. Searching for Bobby Fischer (2) 24. Die goldene Ära des Schachs 25. Königliches 26. Positionelle Opfer 27. Spielstark, spielstärker IV. Schach und Mathematik 28. Ein Schachbrett-Paradoxon 29. Das Paritätsprinzip 30. Gerade oder ungerade beim Schach 31. Korrespondierende Felder Dank Literatur Bildnachweis Autor Letzten Endes
Es ist Nachmittag, genau sieben Minuten nach fünf. Der Tag heißt 17.Juli 1972. Der Ort ist ein kleiner Raum hinter der Bühne der Laugardalshall-Arena in der isländischen Hauptstadt Reykjavík. Die meist großen Ausstellungen vorbehaltene Halle ist der Austragungsort des Weltmeisterschaftskampfes Fischer gegen Spasski.
Es ist der Anfangsmoment von Partie Nummer drei einer gewaltigen Titanenschlacht, die vielfach als Wettkampf des Jahrhunderts bezeichnet wird. Aber ich denke, es war mehr als das, mehr als das Match des Jahrhunderts: Es war das Match aller Zeiten.
In diesem Moment hatte Fischer, mit Schwarz spielend, gerade seinen ersten Zug ausgeführt. Den tosenden Applaus der mehr als tausend Zuschauer im Hauptsaal des Gebäudes konnte er nicht hören. Das Match war gerettet.
Warum das?
Und warum wurde diese dritte Partie in einem kleinen Raum, abseits der Zuschauer, gespielt?
Und warum waren die Ereignisse, die dem beschriebenen Moment unmittelbar vorausgingen, entscheidend für den Ausgang des Wettkampfs?
Um diese Fragen zu beantworten, muss man einen Blick werfen auf das, was zuvor geschehen war.
Während des Qualifikationszyklus zum WM-Kampf hatte Bobby Fischer die Großmeister Mark Taimanow, Bent Larsen und Tigran Petrosian nacheinander besiegt. Die ersten beiden wurden mit 6:0 geradewegs zerstört. Exweltmeister Petrosian, von dem einmal gesagt wurde, er würde nur alle hundert Jahre zweimal hintereinander verlieren, wurde von Fischer mit vier Siegen in Folge in Atome zerlegt.
Abbildung 4: Die Titelseite von LIFE am 12. November 1971
Die Größe von Fischers Leistung wurde nicht nur von der Schachwelt, sondern von der ganzen Welt ehrfürchtig registriert. Es war das erste Mal, dass ein Spieler aus dem Westen, noch dazu im Alleingang, die Phalanx der sowjetischen Supergroßmeister durchbrechen konnte. Diese hatten den höchsten Titel im Schach und alles, was ihm nahe kam, seit dem Zweiten Weltkrieg fest im Griff gehabt. Nach seinem Sieg gegen Petrosian war Fischer nur noch einen einzigen Schritt vom Weltmeistertitel entfernt. Er hatte sich das Recht erworben, Boris Spasski herauszufordern.
Das Fischer-Spasski-Match begann am Samstag, den 1. Juli 1972, mit einer opulenten Eröffnungsfeier im Nationaltheater von Reykjavík auf Island. Die Präsidenten Islands und der FIDE - des Weltschachverbandes - waren ebenso anwesend wie die Botschafter und viele andere Würdenträger. Ein Platz aber blieb leer. Es war der Platz neben Boris Spasski: Es war Fischers Platz.
Fischer befand sich zu diesem Zeitpunkt in Douglaston, New York, im Haus seines langjährigen Freundes, des Internationalen Schachmeisters Anthony Saidy. Der Grund: Einige seiner Bedingungen für das Match waren von der FIDE nicht erfüllt worden.
Die Eröffnungsfeier endete und die Zeit tat das, was nur sie tun kann: sie verstrich. Auch der Zeitpunkt für die erste angesetzte Partie verstrich. Die sowjetische Delegation verlangte umgehend, diese Partie als kampflosen Verlust für Fischer zu werten, wegen Nichterscheinens.
Max Euwe, Mathematikprofessor, FIDE-Präsident und Exweltmeister, hingegen verlegte den Beginn der ersten Partie unter Bruch des Reglements um zwei Tage und räumte Fischer eine allerletzte Frist ein, bis zu der er am Spielort erscheinen müsse: 4. Juli 1972, 12:00 Uhr mittags, Ortszeit Reykjavík.
Und Schach sorgte für Schlagzeilen. Weltweit. Die Ereignisse rund um das Schach-Match beherrschten die Weltpresse. In den amerikanischen Zeitungen verdrängten sie bedeutende politische Themen wie den Vietnamkrieg und den Präsidentschaftswahlkampf auf Seite zwei. Nie zuvor war die Welt derart vom Schachfieber ergriffen.
Dabei hatte das Match noch nicht einmal begonnen. Und selbst nach Euwes Ultimatum schien keine Hoffnung zu bestehen, dass Fischer kommen und spielen würde. Dann, am frühen Nachmittag des 3.Juli, ließ der amerikanische Außenminister Henry Kissinger eine Telefonverbindung zu Fischer herstellen. Seine Worte sind denkwürdig und zeigen den Politiker als meisterhaften Psychologen:
«Hier spricht einer der beiden schlechtesten Schachspieler der Welt mit dem besten. (.) Amerika will, dass Sie da rüberfliegen und die Russen schlagen», schrieb Gudmundur Thorarinson, Präsident des Isländischen Schachverbands, später über dieses Telefonat.
Thorarinson weiter: «Fischers Anwälte haben mir erzählt, dass sie dabei waren. (.) Es war unmöglich, ihn nach Island zu kriegen. (.) Er war fest entschlossen, den Wettkampf platzen zu lassen, aber als Kissinger mit ihm sprach und ihm sagte, dass er gegen die Russen kämpfen solle, spürten sie, dass sein Gesichtsausdruck sich änderte. (.) Er war wie ein junger Mann, der als Soldat in den Kampf zog, und er erklärte: »
Abbildung 5: Bobby Fischer auf dem Weg zur dritten Partie
Später, noch am selben Tag, brach Fischer auf. Er wurde zum John-F.-Kennedy-Flughafen gefahren, dort heimlich zu einem kleinen Bus von Loftleidir Icelandic Airlines gebracht und an Bord von Flug 202A geschmuggelt: Destination Reykjavík.
Die Boeing 747 startete vom JFK Airport um 22:04 Uhr mit etwa drei Stunden Verspätung. So lange hatte Fischer den Lauf der Welt angehalten, Crew und Passagiere warten lassen, von denen manche im letzten Moment ihre reservierten Plätze im Flieger räumen mussten, um Platz für Fischers Begleiter zu schaffen. Der Herausforderer war auf dem Weg.
Trotz größtmöglicher Geheimhaltung erhielt das sowjetische Außenministerium in Moskau noch in der Nacht Kenntnis von dieser Tatsache und informierte umgehend die russische Delegation in Reykjaík: «Fischer kommt.»
Fischer kam in den frühen Morgenstunden des 4.Juli auf der Insel an. Seine Maschine landete auf Islands Keflavik Airport etwa zehn Stunden vor der Frist, die Euwe ihm gesetzt hatte, um gegen Spasski anzutreten.
Mit Fischers Ankunft auf Island waren jedoch nicht alle Probleme plötzlich überwunden. Eine neue Art von Problemen tauchte unerwartet auf. Wie Gudmundur Thorarinson andeutete:
«Ihr Amerikaner denkt, das einzige Problem ist, Bobby hierherzubekommen. Ihr begreift nicht, dass es genauso wichtig - und vielleicht sogar noch schwieriger - ist, die Russen hier zu halten.»
In der Tat waren die Russen erzürnt über die zusätzliche Frist von zwei Tagen, die Fischer von Max Euwe eingeräumt worden waren. Innerhalb ihrer Delegation gab es nun Überlegungen, das Match abzusagen. Hinter den Kulissen fanden zahlreiche Treffen statt, zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Auch die Politik war eingeschaltet. Auf höchster politischer Ebene, der Ebene des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, war man der Ansicht, Fischers Verhalten sei eine Demütigung des Weltmeisters. Und es gibt Hinweise, dass, zumindest zeitweise, daran gedacht wurde, Spasski in die Heimat zurückzubeordern.
Der sowjetische Schachverband schickte ein äußerst scharf formuliertes Telegramm an Lothar Schmid, den deutschen Hauptschiedsrichter des Wettkampfes, in dem sich die Sowjets über Fischers Verhalten und Euwes Reaktion beklagten. Der US-Botschafter in Island, Theodore Tremblay, informierte seine Vorgesetzten in Washington, dass die russische Seite so schwierig geworden sei, dass der gesamte Wettkampf erneut zu scheitern drohe.
In dieser kritischen Situation beschloss Thorarinson, den isländischen Premierminister Olafur Johannesson um Hilfe zu bitten. Der Premierminister reagierte unmittelbar. Er kontaktierte den sowjetischen Botschafter Sergei Astavin und bat ihn eindringlich, seinen persönlichen Einfluss im Kreml zu nutzen, um sicherzustellen, dass die russische Delegation bleiben würde. Überraschend entschuldigte sich zudem Fischer am 6. Juli schriftlich und mündlich bei Spasski. Erst nach dieser unerwarteten Geste des Herausforderers schien das Match erneut auf Kurs zu sein.
Abbildung 6: FIDE-Präsident Prof. Dr. Max Euwe, Schachweltmeister von 1935 bis 1937
Am Abend des 7. Juli fand schließlich die Auslosung der Farben im Spielsaal statt. Der Journalist Brad Darrach liefert einen Augenzeugenbericht:
«Um 20:45 Uhr begannen die Feierlichkeiten. Als Spasski die Bühne betrat, brandete starker Applaus auf. Bobby erhielt sehr viel weniger Beifall. Spasski ging zum Schachtisch und begutachtete ihn in Ruhe; er hatte ihn bereits einmal gesehen. Bobby, der die greifbaren Arrangements für das Match bislang nicht gesehen hatte, warf einen schnellen Blick auf die Bühne. (.)
Abbildung 7: Efim Geller: Sekundant Spasskis, Ex-WM-Kandidat und herausragender Eröffnungstheoretiker. Er hatte ein positives Score gegen Fischer und galt als Angstgegner Fischers.
Der Tisch war ein winkelförmiges, modernes Stück aus schwerem Mahagoniholz, das rot glänzend poliert war. Cremefarbene Lederbezüge waren an den Seiten eingearbeitet, auf die sich die Spieler stützen konnten. (.) Bobby starrte ungefähr eine Minute auf den Tisch, ohne sich zu bewegen. Im Saal wurde es still. (.) Dann bewegte sich...
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