Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Es gibt nur wenige Orte auf Erden, an denen Gottes Wirken in der Gegenwart so spürbar wird wie in Lourdes. Das einstige Nest im südfranzösischen Pyrenäenvorland ist so etwas wie die Welthauptstadt der Hoffnung. Kein Tag vergeht, an dem nicht Kranke und Leidende aus aller Welt hier eintreffen, weil sie fest daran glauben, dass ihnen geholfen werden könnte. Doch obwohl der Site des Sanctuaires (Heilige Bezirk) von einer schlanken, neugotischen Basilika aus dem Jahre 1871 überragt wird, obwohl er sogar eine unterirdische Basilika für 25 000 Besucher aufweisen kann, ist das eigentliche Ziel der unzähligen Pilgerzüge keine Kirche und auch kein Gnadenbild. Es ist eine Quelle. Ihr eiskaltes, klares Wasser trinken bis zu sechs Millionen Pilger im Jahr, die Kranken baden sogar in ihm. In den sogenannten Piscines (Bädern), die erst 1955 errichtet wurden, stehen 19 marmorne Wannen (elf für Frauen, sechs für Männer und zwei für Kinder) bereit, um jährlich bis zu 300000 Heilsuchende im nur 12 Grad Celsius kalten Wasser eintauchen zu lassen. Dabei ist es, chemisch betrachtet, allenfalls gewöhnliches Trinkwasser. Weder weist es eine ungewöhnliche Mineralienkombination noch messbare Strahlungswerte auf. Was das Wasser von Lourdes auf der Welt einzigartig macht, sind vielmehr die Umstände, unter denen seine Quelle entstand.
Mitte des 19. Jahrhunderts war Lourdes eine eher schäbige Kreisstadt mit gerade einmal 4000 Einwohnern, am rechten Ufer des Flusses Gave am Fuße einer alten Burg gelegen. Einen sprudelnden Gebirgsbach namens Lapaca, der in den Gave mündete, säumten zahlreiche Mühlen. Eine davon, die Mühle Boly, war von François Soubirous und Louise Castérot gepachtet worden. Dort kamen ihre neun Kinder zur Welt, von denen fünf schon früh starben. Ihre älteste Tochter, 1844 geboren, hieß Bernadette.
Die ersten Jahre des Mädchens, das als zart, still und anmutig beschrieben wird, verliefen harmonisch und unspektakulär. Als Müller genoss ihr Vater eine gewisse soziale Stellung und hatte sein Auskommen. Das änderte sich erst, als die Industrialisierung auch im Pyrenäenvorland ihren Tribut verlangte. Immer mehr industrielle Mühlen verdrängten die alteingesessenen Handwerksbetriebe, zudem führte eine Wirtschaftskrise zu Zahlungsschwierigkeiten bei den Kunden. Schließlich fehlte François Soubirous das Geld, um seine Pacht zu bezahlen. Die Besitzer verwiesen ihn daraufhin der Mühle, er war jetzt arbeitslos. Für seine Familie begann damit eine bittere Zeit der Armut und Fehlschläge.
Besonders hart traf Bernadette das Schicksal. Sie litt bald unter Asthma und Magenproblemen, verursacht durch die karge Kost. Während ihr Vater versuchte, sich als Gelegenheitsarbeiter durchzuschlagen, und ihre Mutter Stellen als Magd und Haushaltshilfe annahm, erkrankte sie an der Cholera. Nur knapp überlebte sie die schwere Krankheit, deren Folgen sie ihr Leben lang begleiteten. Doch kaum hatte sie sich halbwegs wieder erholt, musste die 13-Jährige bei ihrer Patentante als Hilfskraft in einer Gastwirtschaft arbeiten, um ihre Familie zu entlasten. Finanziell völlig ruiniert, war die sechsköpfige Familie schließlich gezwungen, in das einstige Dorfgefängnis zu ziehen, das man nur Cachot, "das Loch", nannte. Es gehörte einem Verwandten, der ihn der Familie zur Verfügung stellte, ohne Miete dafür zu verlangen. Doch der schmale Bau, der zu lange leer gestanden hatte, war feucht, dunkel und ungesund. Sein einziges Zimmer war nicht einmal 16 Quadratmeter groß, als Möbel dienten zwei schmale Betten und ein Koffer für die Kleidung. Es fehlte am Nötigsten, ja eigentlich an allem. Als Vater Soubirous auch noch beschuldigt wurde, beim Bäcker zwei Säcke Mehl gestohlen zu haben, war die Verzweiflung groß.
Doch so tief der soziale Abstieg diese Familie auch in den Abgrund geführt hatte, sie verlor ihre Hoffnung nicht. Obwohl sie nie eine Schule besucht hatte, weder lesen noch schreiben konnte, beherrschte Bernadette immerhin das "Vaterunser", das "Gegrüßet seist Du, Maria" und den Rosenkranz. Man betete regelmäßig gemeinsam, ging sonntags in die Dorfkirche. Zunächst bei ihrer Amme, dann bei den Schwestern des Hospizes von Lourdes erhielt Bernadette sogar einen einfachen Katechismusunterricht. Sie war tief gläubig und stets freundlich, verfügte aber über keine tieferen theologischen Kenntnisse und wirkte ein wenig begriffsstutzig. Wenn es ihr zu viel wurde mit der Glaubensunterweisung, griff sie einfach zu ihrem Rosenkranz und betete.
Dann kam der 11. Februar 1858, ein kalter, trüber Donnerstag, zugleich aber der Beginn des Karnevals (im Rheinland würde man sagen: Weiberfastnacht!). Wie so oft im Winter, wollte Bernadette gegen Mittag zusammen mit ihrer Schwester und einer Freundin am Ufer des Gave Brennholz sammeln. Als sie ihre Strümpfe auszog, um den Mühlenkanal zu überqueren, hörte sie ein Geräusch, das von der nahen Felswand stammte. Es klang wie ein Donnergrollen. Bernadette schaute auf, blickte in Richtung einer Grotte, die seit jeher den Namen Massabielle ("alter Felsen") trug. In einer Felsnische ein wenig oberhalb bewegte sich ein Strauch so heftig, als sei er vom Sturm gepeitscht. Für einen Augenblick war eine goldgelbe Wolke zu sehen. Dann stand in der Nische "eine wunderschöne, weiß gekleidete Dame", die das Mädchen anlächelte und ihm ein Zeichen gab, näherzukommen.
Ihr Lächeln nahm Bernadette alle anfängliche Furcht. Für einen Augenblick wusste sie nicht, ob sie wachte oder träumte, schloss ihre Augen und öffnete sie langsam wieder. Die Frau war noch immer da. Jetzt bemerkte das Mädchen, dass die Fremde einen Rosenkranz um ihren rechten Arm trug. Ohne zu wissen, was sie tat, griff Bernadette fast instinktiv nach ihrem Rosenkranz, fiel auf die Knie und fing an zu beten. Die "Dame" lächelte weiter. Lautlos ließ sie die Perlen ihres Rosenkranzes durch die Finger gleiten. Erst als das Gebet beendet war, entschwand sie.
Noch einen Augenblick sah Bernadette ihr nach, dann tauchten schon ihre Schwester und die Freundin auf, die sich wunderten, weshalb sie zurückgeblieben war. Erst nach einigem Zögern erzählte sie zunächst nur der Schwester, dann auch ihrer Mutter, was sie erlebt hatte. Doch beide dachten, das Mädchen hätte sich das alles nur eingebildet. Oder war es ein Trugbild, vielleicht ein Gespenst, wohlmöglich Teufelswerk, was ihr da erschienen war?
Während Bernadette keinen sehnlicheren Wunsch verspürte, als zu der Grotte zurückzukehren, tat ihre Mutter alles, um ihr das wieder auszureden. Erst am Sonntag siegte die Beharrlichkeit der Vierzehnjährigen, die überzeugt war, einen inneren Ruf zu hören. Ihre Schwester kam mit, begleitet von einem halben Dutzend ihrer Freundinnen, denen sie längst von Bernadettes "Spinnerei" erzählt hatte. Doch auch die kleine "Seherin" war verunsichert. Die Worte ihrer Mutter lagen ihr schwer auf der Seele: Was, wenn es wirklich ein Geist oder gar ein Dämon gewesen war? Zur Sicherheit besorgte sie sich Weihwasser, um, sollte sie wieder auftauchen, die seltsame Fremde damit zu "testen".
Kaum war sie an der Grotte angekommen, fiel Bernadette erneut auf die Knie und begann, den Rosenkranz zu beten. "Da ist sie! Da ist sie!", rief sie nach einer kurzen Weile laut auf. "Schnell, benutze das Weihwasser!", rief ihre Schwester ihr zu. Das Mädchen folgte dem Rat, spritzte mit dem geweihten Wasser in Richtung des Strauches. Die "Dame", die über ihm zu schweben schien, nickte nur wohlwollend mit dem Kopf. "Sie lächelt uns alle an!", vermeldete Bernadette. Im Halbkreis knieten die sechs Dorfmädchen nieder. Doch statt ebenfalls die Erscheinung zu sehen, beobachteten sie nur, wie Bernadette allmählich in Ekstase fiel, glückstrunken und mit verklärtem Antlitz für einen Augenblick in eine andere Welt zu blicken schien.
Die Freundinnen wussten mit dieser Situation nicht umzugehen. Die Angst, Bernadette, die schon halb im Jenseits weilte, könne sterben, ließ sie hysterisch werden. Zuerst brüllten sie den Namen des Mädchens, dann riefen sie laut um Hilfe. Zwei Müllersfrauen hörten die Rufe, eilten herbei und versuchten, Bernadette durch sanftes Zureden in die Gegenwart zurückzuholen. Doch das Mädchen sah und hörte nichts anderes als die Erscheinung. Dann kam ein Müller dazu, packte das Mädchen unter die Arme und schleppte es zu seiner Mühle. Nach wie vor starrte Bernadette auf einen Punkt, der ihr zu folgen schien. Versuchte der Müller, ihren Kopf zu drehen, fiel dieser automatisch wieder in seine ursprüngliche Stellung zurück. Erst im Innern der Mühle kam das Mädchen wieder zu Bewusstsein.
Die sechs Mädchen erzählten im ganzen Ort von ihrem Erlebnis mit Bernadette. Hatte ihre Mutter ihr zunächst...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.