Schweitzer Fachinformationen
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Spätsommer 2022. Ich sitze ganz vorne an der Fensterfront und schaue raus. Die Fähre läuft aus dem Kieler Hafen aus, und das Festland ist bald nicht mehr zu sehen. Die Wellen brechen sanft, und die See ist ruhig. Wir sind tatsächlich auf dem Weg nach Schweden, das Land der roten Häuser, Zimtschnecken und Gemütlichkeit. Zwischen Erschöpfung und Kribbeln im Bauch, Vorfreude auf das, was uns erwartet, und hoffentlich vielen Marmeladenglas-Momenten beginnt unser bisher größtes Abenteuer. Mit »uns« meine ich meinen Freund Nicholas und unsere zwei Jahre alte Hündin Lotti. Vor einem Jahr haben wir uns einen eigenen Camper gekauft, mit dem wir schon die ein oder andere kleine Reise gemacht haben. Langfristig möchten wir Vollzeit durch Europa reisen und mobil arbeiten. Die vierwöchige Reise nach Schweden ist also sozusagen die Generalprobe, ob uns das Leben auf vier Rädern auch wirklich gefällt.
Am ersten Morgen in Südschweden stehen wir beide früh auf, ziehen unsere Bademäntel an und gehen raus an den See, der nur ein paar Meter zu Fuß entfernt ist. Herrlich. Wir setzen uns auf eine Bank und schauen aufs Wasser. Alles ist so ruhig. Nur das Zwitschern der Vögel, die in den umliegenden Baumkronen sitzen, ist zu hören. Ich schaue hoch und beobachte die luftigen Wolken.
»Bist du bereit, ins Wasser zu springen?«, fragt er mich nach einer Weile und steht auf. Ich schaue aufs Wasser und kann den Boden nicht sehen. Das löst ein mulmiges Gefühl in meiner Magengrube aus.
»Nein, ich warte noch ein bisschen und schaue dir erst einmal zu«, sage ich und setze mich auf den Holzsteg. Ich mag Wasser, seit ich als Kind einmal fast ertrunken bin, nicht mehr so gerne. Nicholas und Lotti springen ins kühle Nass, und das breite Lachen auf seinen Lippen macht mich ganz glücklich. Im Gegensatz zu mir liebt Nicholas das Wasser sehr.
»Komm auch rein«, ruft er mir zu, »du wirst es lieben, glaub mir.«
Ich möchte Nein sagen, aber habe mir vorgenommen, auf dieser Reise alle Abenteuer mitzunehmen, die sich mir bieten. Ich gebe mir also einen Ruck und frage ihn, ob er dafür rauskommen kann, damit wir gemeinsam Hand in Hand zusammen reinspringen können. Wann immer ich Emotional Support brauche, ist Nicholas da. Er hat das größte Herz, das ein Mensch haben kann. Wenn ich mir bei einer Entscheidung unsicher bin oder einen Gesprächspartner brauche, weiß ich, dass ich mich zu hundert Prozent auf ihn verlassen kann. Er ist sehr verständnisvoll, und unsere Kommunikation haben wir in den letzten sechs Jahren unserer Beziehung perfektioniert. Das Wasser tropft auf den Holzsteg, als er aus dem Wasser steigt, er nimmt meine Hand, und mit einem lauten Schrei springe ich gemeinsam mit ihm rein. Meine Haut kribbelt, und mir ist ganz warm. Er legt seine Arme um mich, und Lotti schwimmt fröhlich um uns herum. Das ist genau das Schwedenabenteuer, das ich mir gewünscht habe - und es ist erst der Anfang. Obwohl ich es nur ein paar Minuten im Wasser aushalte, bin ich überglücklich, weil ich mich gleich zu Beginn unserer Reise getraut habe, meine Komfortzone zu verlassen.
In den darauffolgenden Tagen wird das zu unserem morgendlichen Ritual. Wir parken meist an Seen, die wir ganz für uns alleine haben, und gehen nackt baden. Komplette Freiheit. Der Stress und die Anspannung der letzten Wochen, entstanden durch die Reisevorbereitungen, sind verschwunden. Es fühlt sich an wie Urlaub, obwohl wir beide auch arbeiten. Doch dieses Gefühl, der Natur ganz nah zu sein, ist einfach unbeschreiblich. Welche Kleidung wir tragen oder wie fettig unsere Haare sind, hat hier keinen Stellenwert. Was zählt, ist, dass wir als Erstes und Letztes an den schönsten Orten des Landes aufwachen und einschlafen, auf der Reise mit Menschen sprechen, die unsere Leidenschaft fürs Reisen teilen, und Erlebnisse mehr wert sind als Komfort.
Wir leben die Reise meiner Träume, doch bereits nach nur einer Woche droht dieser Traum zu zerplatzen. Nicholas bekommt einen Anruf: In seiner Familie gibt es einen medizinischen Notfall, und wir müssen vermutlich nach Hause fahren. Die kommende Nacht ist entscheidend, aber es sieht nicht gut aus. Ich kann es nicht glauben und bin todtraurig. Das, worauf ich so lange hingefiebert habe, soll schon vorbei sein? Mein Herz tut weh, und ich möchte weinen, aber ich muss stark sein für Nicholas. Es gelingt mir nur schwer. In der Nacht kann ich nicht schlafen und stelle mir immer wieder die gleichen Fragen: Warum muss das passieren? Warum gerade jetzt? Und warum wir?
Am nächsten Morgen erzähle ich ihm von meinen nächtlichen Gedanken, und wir streiten uns, was sehr selten vorkommt. Auch das noch. Er ist enttäuscht, dass ich viel mehr an die Reise und das abrupte Ende denke als an seine Familie. Ich verstehe ihn, kann aus meiner Haut aber nicht heraus. Manchmal tun Worte weh, doch ich bin der Meinung, dass es wichtiger ist, zu sagen, was ich fühle, als mich zu verstellen, nur um zu gefallen und nicht anzuecken. Wenn Nicholas eins weiß, dann, dass ich immer ehrlich bin. In diesem Moment sitzen wir beide allerdings deprimiert am Tisch im Camper und weinen. So haben wir uns das beide nicht vorgestellt. Wir sitzen eine Weile schweigend nebeneinander auf dem Bett, bis plötzlich das Display seines Handys aufleuchtet und folgende Nachricht aufploppt: »Es geht bergauf, und wenn das so bleibt, dann könnt ihr erst einmal in Schweden bleiben und müsst nicht nach Hause kommen.«
»Lies die Nachricht noch ein zweites Mal vor«, bitte ich ihn, und meine Augen füllen sich mit Tränen.
Er liest noch einmal, und wir fallen uns vor Erleichterung in die Arme. Zum einen, weil es seiner geliebten Person besser geht, und zum anderen, weil unser Abenteuer nun doch noch nicht vorbei ist. In den nächsten Tagen leben wir bewusst noch mehr im Hier und Jetzt, als wir das zuvor schon getan haben. Wenn wir abends im Bett liegen, lassen wir den Tag gemeinsam Revue passieren, und jeder zählt drei Dinge auf, die ihn besonders glücklich gemacht haben. Dieses Ritual haben wir aus meinem Dankbarkeitstagebuch, und es erinnert uns daran, den Blick auf das Positive zu legen anstatt auf das, was nicht gut gelaufen ist. Ein Auszug aus unserem Gespräch:
Ich:
»Ich bin dankbar dafür, dass ich dich habe.
Ich bin dankbar für die frischen Himbeeren und Blaubeeren, die ich heute im Wald gefunden habe.
Ich bin dankbar für den Sonnenschein.«
Nicholas:
»Ich bin dankbar dafür, dass es meiner geliebten Person schon besser geht.
Ich bin dankbar für deine quirlige Art.
Ich bin dankbar für unser Schwedenabenteuer.«
Es ist schön, wie viele erste Male wir hier zusammen erleben. Ein Tag bringt so viele Erlebnisse mit sich, dass ich mit dem Realisieren gar nicht nachkomme. Ein Drittel der Zeit ist bereits vergangen. Wir sitzen gerade nebeneinander auf einer Parkbank und schreiben Tagebuch. Mir hilft das immer ungemein bei der Verarbeitung meiner Gefühle und Erlebnisse. Zurzeit denke ich beim Schreiben allerdings viel zu viel an die Zukunft. Mag Nicholas das Vanlife genauso sehr wie ich und kann sich auch vorstellen, mehrere Monate oder vielleicht sogar ein ganzes Jahr in Hubi, wie wir unseren Camper liebevoll nennen, zu wohnen? Wird er Ja dazu sagen, aus Liebe zu mir oder weil er es auch wirklich will? Wird mir meine Chefin das dauerhaft mobile Arbeiten erlauben? Ich merke, wie ich im Gedankenkarussell sitze und es sich immer schneller dreht, bis mir schwindelig wird. Ich klappe mein Tagebuch zu. Es ist Zeit, Abendessen zu machen. Ich gehe rein und mache mich an die Zubereitung des Salats. Nicholas schreibt noch weiter, dreht sich um und schaut mich an. Er schickt mir einen Luftkuss zu. Ich liebe dieses Miteinander mit ihm, das wir uns in den letzten Jahren aufgebaut haben, forme meine Lippen zu einem Kuss und schicke ihm einen zurück.
Der Monat ist rum, und wir befinden uns wieder auf der Fähre, die uns zurück nach Deutschland bringt. Ich bin nervös und aufgeregt.
»Liebling, wie hat dir der Monat denn so gefallen, und kannst du dir vorstellen, das Vanlife auch ein ganzes Jahr mit mir zu leben?«, frage ich ihn mit schwitzigen Händen.
Er überlegt nicht lange und schaut mich mit leuchtenden Augen an. Dann sagt er zu meiner großen Überraschung: »Ich fand, das waren so schöne und heilsame vier Wochen mit dir und Lotti. Also ja, ich ziehe gerne in Hubi mit euch.« In dieser Sekunde fällt eine so große Last von mir ab. Hat er mir wirklich gerade gesagt, dass wir unser Leben in München aufgeben werden, um Vollzeit im Camper zu wohnen?
Unser Leben in München würde man von außen betrachtet wohl als »perfekt« beschreiben. Wir sind seit fast einem Jahr verlobt, leben in einer sehr schönen und modernen geräumigen Wohnung und haben sogar das Privileg, einen eigenen Garten zu haben, in dem ich mit Lotti gerne fangen spiele. Darüber hinaus stehen hier ganz viele Hochbeete, in denen ich mein eigenes Gemüse anbaue - eins meiner Lieblingshobbys. Ich arbeite in Teilzeit als PR-Beraterin in einer kleinen Agentur, und in der restlichen Zeit setze ich freiberuflich eigene Projekte im Social-Media-Bereich um. Beide Jobs ergänzen sich wunderbar und machen mir sehr viel Spaß. Nicholas arbeitet freiberuflich in seinem eigenen Start-up von zu Hause aus und kümmert sich um Lotti, wenn ich ins...
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