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Göteborg, 1925: Kommissar Nils Gunnarson untersucht einen Mord, der starke Parallelen zu einem bekannten Krimi aufweist. Auf der Suche nach dem geheimnisvollen Autor des Krimis stößt er auf die Insel Bronsholmen, die nur einem einzigen Zweck zu dienen scheint: den Mörder Arnold Hoffmann zu beherbergen. Um herauszufinden, was wirklich auf der Insel gespielt wird, braucht Gunnarson die Hilfe der Reporterin Ellen Grönblad, die sich inkognito auf Bronsholmen begibt .
Marie Hermanson at her best - ihr neuer Roman ist ein historischer Krimi voll subtiler, kriechender Spannung, die bis zum spektakulären Finale fesselt. Wer Himmelstal mochte, wird Die Pestinsel lieben!
Es war im August 1925. Fräulein Brickman saß auf ihrem Platz hinter dem Empfangstresen im Polizeirevier in der Spannmålsgatan, sie war in einen Kriminalroman mit flexiblem Umschlag und einem bunten, aufregenden Titelbild vertieft. Es war schon fast sieben Uhr abends, jedoch noch warm, die Bluse klebte ihr am Rücken, weil es im Polizeirevier so stickig war.
Mitten in einem Satz musste sie das Buch weglegen, sie nickte zwei Polizisten, deren Schicht zu Ende war, zum Abschied zu. Sobald die Tür hinter ihnen zuschlug, holte sie ihr Buch wieder hervor. Sie wurde immer tiefer in die Geschichte hineingezogen.
Auf einmal glaubte sie einen Geruch zu vernehmen, der überhaupt nicht zu der Handlung passte und der ihr Leseerlebnis empfindlich störte: einen kalten Gestank nach Fisch, Morast und trübem, stillstehendem Wasser.
Mit leicht geöffneten Nasenflügeln sah sie sich im Eingangsbereich des Polizeireviers um. Hier gab es nichts Besonderes zu sehen. Der Geruch stammte vermutlich aus dem sogenannten Affenkäfig, einem vergitterten Raum in der Rezeption, in dem Personen untergebracht wurden, die wegen einfacher Vergehen verhört werden sollten. Das waren oft Landstreicher und Betrunkene, der Gestank und der Lärm von dort war bisweilen unerträglich. Heute war es in diesem Teil des Polizeigebäudes allerdings ganz still, im Raum lag wohl ein Landstreicher und schlief seinen Rausch aus, dachte Fräulein Brickman und kehrte zu ihrem Roman zurück.
Im ersten Stock des Polizeireviers arbeitete Hauptkommissar Nils Gunnarsson an seinem Schreibtisch. Das Zimmer war klein, die Wände waren, wie im ganzen Polizeigebäude, braun gestrichen, wodurch es noch kleiner wirkte.
Nils war einunddreißig Jahre alt, groß und breitschultrig, er hatte strohblonde Haare, hellblaue Augen und eine große Nase. Seine Haut war vom Wetter gegerbt, ein Ergebnis der vielen Jahre als Streifenpolizist oder vielleicht auch das Erbe seiner Vorfahren aus dem windigen Bohuslän. Mit den Zeigefingern und in aller Ruhe tippte er die Berichte der Vorfälle des Tages in die Schreibmaschine: ein Fall von Landstreicherei, der Diebstahl von drei Leintüchern von einer Wäscheleine, ein entlaufener, vielleicht gestohlener Rassehund.
Plötzlich spürte er, dass etwas Fremdes im Raum war. Er schaute auf und zuckte vor Überraschung zusammen.
Der Junge stand mitten im Zimmer, mager und sehnig, er hatte ein lustiges Gesicht. Wie ein kleiner Frosch. Nils hatte ihn nicht kommen gehört. Warum hatte Fräulein Brickman ihn zu ihm hinaufgeschickt und nicht zu einem der Polizisten im Erdgeschoss?
Er räusperte sich und sagte streng:
»Hat man dir nicht beigebracht zu klopfen?«
Der Junge stand einfach nur da, die Schirmmütze hielt er wie einen Schild an die Brust gedrückt, und er schaute Gunnarsson geradewegs in die Augen. Die viel zu großen Hosen waren an den Knien abgeschnitten und wurden mit einer Schnur als Gürtel notdürftig hochgehalten, das Hemd war so schmutzig, dass die ehemalige Farbe nicht mehr zu erkennen war. Er war barfüßig. Der Junge machte eine Geste zur Tür.
»Komm!«, sagte er in fast befehlendem Ton.
Nils unterdrückte ein Lachen.
»Von wo bist du denn ausgerissen? Aus Gibraltar?«
In der Armenpflegeanstalt Gibraltar landeten Geisteskranke und Zurückgebliebene, deren Angehörige es sich nicht leisten konnten, sie an einem besseren Ort unterzubringen. Personal war kaum zu bekommen, deshalb fehlte es ständig an Leuten, und immer wieder gelang es einem der Verrückten, auszubrechen und in der Stadt umherzuirren.
Nils nahm den Hörer des Haustelefons ab und wollte den wachhabenden Polizisten fragen, ob sie eine Vermisstenmeldung bekommen hatten. Er konnte das Klingeln aus dem Erdgeschoss hören, es nahm jedoch niemand ab. Pettersson war wohl in der Küche und machte sich den Berg von belegten Broten, die er für die Nachtschicht brauchte.
Mit einem ärgerlichen Grunzen legte er wieder auf. Noch bevor er hochschauen konnte, war der Junge schnell und lautlos an seinem Stuhl angekommen. Zu seinem unglaublichen Erstaunen legte der Junge seine schmutzige Hand auf seine Schulter, beugte sich so weit vor, dass das froschähnliche Gesicht nur noch wenige Zentimeter von dem des Kommissars entfernt war, und sagte erneut:
»Komm, komm!«
Die Dreistigkeit des Jungen ließ Nils die Beherrschung verlieren. Er stand vom Stuhl auf brüllte:
»Jetzt reicht es aber! Raus, und zwar sofort!«
Der Junge ließ sich jedoch nicht erschrecken. Er stampfte immer schneller auf der Stelle.
»Komm, komm«, fuhr er atemlos fort und zeigte zur Tür, »musst kommen. Er ist tot. Ja.« Er nickte heftig mit dem Kopf »Musst kommen.«
»Wer ist tot?«
»Komm!«
Der Junge schien fast zu platzen vor Ungeduld, er stampfte mit den Fersen auf den Boden, als wäre Kommissar Gunnarsson eine sture Kuh, die man aus dem Stall treiben wollte.
Nils schaute ihn mit erwachtem Interesse an. Trotz aller Verrücktheit ahnte er etwas, was ernst genommen werden sollte. Er streckte sich nach dem Hörer, um einen erneuten Versuch mit dem Wachhabenden zu machen, entschied sich dann jedoch anders und nahm seinen Hut vom Haken an der Wand.
»Immer mit der Ruhe, du Narr«, sagte er. »Ich komme.«
Zusammen gingen sie ins Erdgeschoss, vorbei an einem erstaunten Fräulein Brickman, und traten ins Freie.
Der Junge lief am östlichen Hafenkanal entlang zu einer der Steintreppen, die von der Straße zum Wasser führten.
Ein kleines Ruderboot war an einem Eisenring in der Kanalmauer vertäut. Mit einem kühnen Sprung hüpfte der Junge von der obersten Treppenstufe ins Boot und wartete darauf, dass Nils hineinklettern würde.
»Wohin soll es gehen?«, fragte Nils.
Er bekam keine Antwort. Nach kurzem Zögern kletterte er ins Boot und setzte sich ins Heck. Der Junge machte das Boot los und begann, mit festen Schlägen zu rudern.
Er ruderte schnell und hielt Kurs, sogar unter den schmalen Brücken, ohne auch nur einen Blick über die Schulter zu werfen. Sie fuhren aus der blendenden Sonne in das feuchte, hallende Eisengewölbe der Brücke und wieder in die Sonne, bis sie die letzte Brücke passiert hatten und auf dem offenen Wasser des Flusses waren. Sie waren von allen möglichen Booten und Schiffen umgeben, vom Meer her wehte eine kühle Brise.
Nils vermutete, dass sie auf dem Weg zu einem der Hafenkais waren, die Polizei hatte dort oft zu tun. Vielleicht ging es um eine Schlägerei, die aus dem Ruder gelaufen war, oder ein Betrunkener war ins Wasser gefallen und ertrunken.
Aber der Junge ruderte stattdessen ostwärts, vorbei an der Kläranlage, dem Gaswerk und den Kokshalden.
Wieder fragte Nils, wohin die Reise gehen sollte. Der Junge schaute geradeaus, als würde er nichts hören. Er ruderte immer noch im gleichen Tempo und hatte, seit sie losgefahren waren, nicht einmal eine Pause gemacht. Nils erbot sich, auch ein Stück zu rudern, aber er bekam keine Antwort. Der Junge ist vielleicht taub, dachte Nils, das würde erklären, warum er so abgehackt sprach. Stark war er ohne Zweifel. Nils fragte sich, ob es wirklich gescheit war, mitzukommen.
An einer Landzunge teilte sich der Fluss, Treibholz hatte sich dort wie zu einem riesigen Mikado angesammelt. Als sie sich der Landzunge näherten, verlangsamte der Junge zum ersten Mal das Tempo, sein Blick wanderte nach rechts zu dem Berg von Treibholz, er studierte ihn genau.
Nils ahnte jetzt, wohin sie unterwegs waren.
Wie zur Bestätigung verließ der Junge nun den Fluss und steuerte durch Berge von Seerosenblättern in den Nebenfluss Säve.
»Du bist also Treibgutsammler?«, sagte Nils.
Der Junge warf ihm unter dem Schirm seiner Mütze einen Blick zu. Er war vielleicht doch nicht taub.
Dass ein Treibgutsammler freiwillig die Polizei rief, das allein war schon bemerkenswert. Nils konnte sich nicht erinnern, jemals davon gehört zu haben.
Sie ruderten den Fluss hinauf, vorbei an Magazingebäuden, Bootswerften, unter der Eisenbahnbrücke hindurch und an der Kugellagerfabrik vorbei. Erlen und Weiden wuchsen an den Ufern. Der Junge ruderte jetzt langsamer, als ob er...
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