Schweitzer Fachinformationen
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Eine alte Redensart besagt, dass es immer drei Versionen einer Geschichte gibt: deine, meine und die Wahrheit. Derjenige, der diese Redensart geprägt hat, hat im Filmbusiness gearbeitet. Aber sie trifft auch auf den Journalismus zu.
Wir sollen uns nicht auf eine Seite schlagen. Wir sollen uns nur an Fakten halten. Gesammelte Fakten ergeben die Wahrheit.
Fakt: Robert Evans - Produzent, Studio-Vizepräsident und Schauspieler, »Erfinder« dieser Redensart - war sieben Mal verheiratet.
Fakt: Ich, Alice Scott - angestellte Redakteurin bei The Scratch, angehende Biografin, aber sonst nicht viel mehr -, bin nicht einmal die offizielle Freundin des Mannes, den ich seit sieben Monaten date.
Fakt: Mit 1,75 Meter war Robert Evans exakt so groß, wie ich es bin.
Fakt: Mein ganzes Leben wird sich vermutlich bald von Grund auf ändern, und statt den Weg hinauf zu dem hübschen Zaun zu rennen, der mich vom Traum meines Lebens trennt, sitze ich in meinem Mietauto, lasse die Klimaanlage volle Pulle laufen und lese die IMBd-Seite eines Mannes, von dem ich vor drei Minuten noch nie etwas gehört hatte, weil mir dieses Zitat über Geschichten eingefallen ist, und auch, weil ich Zeit zu schinden versuche.
Ich bin eher vorfreudig als nervös, aber trotzdem innerlich wirklich sehr zittrig. Ich atme ein letztes Mal tief durch, schalte den Motor aus und öffne die Fahrertür.
Sofort umhüllt mich die schwüle Mittagshitze des Georgia-Sommers, ein vertrautes, von mir sehr geliebtes Gefühl, das die salzige Meeresbrise nur noch besser macht, die vom Wasser heraufweht, das Little Crescent Island umgibt.
Ich kontrolliere noch einmal, dass ich alles habe: Notizbuch, Aufnahmegerät, Stifte, knalle dann die Tür zu und bücke mich, um meine bereits feuchten Ponysträhnen im Seitenspiegel zu ordnen.
Ich versuche, mein Grinsen zu einem neutralen Gesichtsausdruck herunterzudimmen. Es ist wichtig, dass ich cool rüberkomme.
Fakt: Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie cool rübergekommen.
Ich öffne das Tor. Meine Sandalen klatschen über den Steinweg, der sich an einer Wand aus Grün entlangwindet: Salzbinse und Palmettopalmen, Kaktusfeigen und Queller und Virginia-Eichen - meine Lieblingsbäume.
Nach elf Jahren in Los Angeles denke ich immer noch jedes Mal, wenn ich eine Virginia-Eiche sehe, Zuhause.
Ein charmantes, türkisfarbenes Haus auf Holzstelzen taucht jetzt vor mir auf, und ich erklimme die wenigen Holzstufen, bis ich vor der knallpinkfarbenen Haustür stehe, auf die jemand mit der Hand weiße Kringel gemalt hat.
Dazu passt die exzentrische Türklingel, die jetzt ertönt. Ich meine, sie sieht zwar wie eine ganz normale Klingel aus, aber als ich ihren Knopf drücke, klingt es wie klimpernde Windspiele.
Ich bin noch dabei, einmal tief durchzuatmen, als die Tür schon aufgerissen wird und eine kleine, grauhaarige Frau in einem verwaschenen Flanellhemd und Jeans vor mir steht, die mich finster anblickt.
»Hallo«, sage ich und strecke ihr die Hand hin. »Ich heiße Alice. Scott.«
Ihre Augen sind blassblau, ihr Haar ist kurz geschnitten.
»Von The Scratch?«, füge ich hinzu, in der Hoffnung, dass das ihrer Erinnerung auf die Sprünge hilft.
Sie blinzelt nicht einmal.
»Ich meine, nicht von The Scratch. Dort bin ich zwar angestellt, aber ich bin wegen des Buches hier?«
Sie verzieht immer noch keine Miene. Eine Sekunde lang überlege ich, ob das hier vielleicht nur ein ziemlich ausgefuchster Trick ist, den sich der Sohn dieser Frau womöglich in ihrem Keller am Computer ausgedacht hat, wo er die Tage damit verbringt, leichtgläubigen Autorinnen wie mir Mails zu schicken und sie mit verstellter Stimme anzurufen, der er eine leichte Brüchigkeit verleiht, um als achtzigjährige Frau durchzugehen.
Es wäre nicht das erste Mal.
Ich räuspere mich und lächle erneut. »Tut mir leid. Sind Sie Margaret?«
Sie sieht nicht wirklich so aus, aber andererseits sind die Bilder, die ich von der Frau gesehen habe, die ich treffen soll, mindestens drei Jahrzehnte alt. Daher könnte dies durchaus die einst glamouröse, fast legendäre (zumindest für einen bestimmten Kreis Menschen, zu dem ich auch gehöre) Margaret Grace Ives sein.
Die Prinzessin der Boulevardpresse. Als solche war sie bekannt, weil sie die Erbin des Ives-Medienimperiums war und wegen ihres eigenen Promistatus, der ihr die ständige Aufmerksamkeit der Klatschpresse einbrachte.
Die Frau stößt jetzt ein bellend lautes, ehrliches Lachen aus und öffnet die Tür ein Stück weiter. »Ich heiße Jodi«, sagt sie mit einem leichten Akzent, den ich nicht eindeutig zuordnen kann - möglicherweise Deutsch. »Kommen Sie doch rein.«
Ich trete in die kühle Eingangshalle. Es duftet nach Minze und Zitrone. Jodi wartet nicht auf mich, wird auch nicht langsamer, sondern marschiert direkt ins Innere des Hauses, sodass ich die Eingangstür hinter mir zuziehen und ihr nachlaufen muss.
»Das ist aber schön hier«, zwitschere ich.
»Es ist höllisch heiß, und gegen die Mücken ist Dracula nichts«, bemerkt sie.
Ich widme Robert Evans einen stillen Gedanken: deine, meine und die Wahrheit.
Am Ende des engen Flurs biegt sie in einen weiteren ab. Dieses Haus ist ein luftiges, helles Gewirr aus weißen Holzvertäfelungen und seeglasfarbenen Akzenten, das in einem geräumigen Wohnzimmer mündet, dessen Wände zu siebzig Prozent aus Fenstern bestehen.
»Sie warten hier, ich hole Madame für Sie«, sagt Jodi, und ihr Tonfall klingt eindeutig ironisch. Sie öffnet eine der gläsernen Türen und tritt hinaus in den Garten, der hier hinten größer und wilder ist als vorn. An einer Seite befindet sich ein kleiner Swimmingpool.
Ich nutze die Gelegenheit, um mich kurz im Raum umzuschauen. Ich bin immer noch ganz kribbelig und lächle gleichzeitig so breit, dass meine Wangen schon schmerzen. Ich lege meine Sachen auf den niedrigen Rattan-Couchtisch und verschränke die Arme vor der Brust, damit ich auf meiner Tour durchs Zimmer nichts anfasse. Überall an den Wänden hängt Kunst, üppig wuchernde Pflanzentöpfe sind vor den Fenstern angebracht, noch mehr stehen in Tontöpfen auf dem Fußboden. Ein Ventilator aus Stroh dreht sich träge über mir, und Bücher - die meisten befassen sich mit Gärtnern - liegen in unordentlichen Stapeln, aufgeschlagen und mit gebrochenen Rücken auf allen antikhölzernen Oberflächen im Zimmer.
Es ist wunderschön hier. In Gedanken skizziere ich schon, wie ich das alles beschreibe. Das Problem ist nur, dass ich noch nicht recht weiß, ob ich überhaupt einen Grund habe, das zu tun.
Denn bisher weist noch nichts darauf hin, dass dies hier Margaret Ives' Haus ist. Keine Fotos von ihrer illustren Familie. Keine Exemplare, weder alte noch neue, ihrer vielen Zeitschriften oder Zeitungen. Keine gerahmten Illustrationen des opulenten »House of Ives« an der kalifornischen Küste, wo sie aufgewachsen ist, und kein einziger Grammy ihres verstorbenen Ehemannes steht auf dem Kaminsims. Hier gibt es nichts Hieb- und Stichfestes, das eine Verbindung zu dem inzwischen zusammengebrochenen Medienkonzern herstellt, auch nicht zu den Freuden und Tragödien, über die in miteinander in Wettstreit stehenden Publikationen der Familie Ives so gern geschrieben wurde, als Margaret noch ganz oben war.
Die Tür öffnet sich erneut, und ich drehe mich um, um Jodi zu fragen, wer genau mich eigentlich dazu eingeladen hat, elf Stunden zu fliegen und danach noch eine Dreiviertelstunde in einem gemieteten Kia Rio zu fahren, um hier aufzutauchen.
Aber dann sehe ich die Frau, die in der Tür steht.
Sie ist ein paar Zentimeter geschrumpft und hat ein wenig Gewicht zugelegt - das meiste Muskeln, nehme ich an -, und ihr einst tintenschwarzes Haar ist jetzt mausbraun und mit silbernen Strähnen durchzogen.
Sie hat jeglichen Glamour von sich abgewaschen, auch den Geruch nach Geld und Macht, aber das listige Glitzern in ihren blauen Augen ist ganz genau dasselbe, das ich auf jedem Foto von ihr gesehen habe, dieses schwer definierbare, nicht benennbare Etwas, das sie von einer Zeitungserbin zur Prinzessin der Titelblätter gemacht hat.
»Na, hallo.« Die Wärme in Margarets Stimme trifft mich gänzlich unvorbereitet, genau wie bei den wenigen, sehr knappen Anrufen in den Wochen vor meiner Reise hierher. »Sie müssen Alice sein.«
Sie zieht ihre Gartenhandschuhe aus und wirft sie über die Armlehne des nächststehenden weißen Rattansessels, um barfuß auf mich zuzugehen, wobei sie sich die Hände an ihrem Kaftan abwischt. Dann streckt sie eine davon aus, um meine zu schütteln.
»Sie sind es«, sage ich. Jeder eloquente oder sogar brauchbare Satz, den ich je gebildet habe, wurde sorgsam und langsam von mir aufgeschrieben. Die Sätze, die direkt aus meinem Mund kommen, klingen hingegen eher so wie dieser.
Sie lacht. »Ich war der Meinung, dass es genau darum auch geht.«
Sie drückt meine Hand etwas und bedeutet mir dann mit einer Geste, mich zu setzen.
»Ja, das stimmt.« Ich lasse mich auf einen Sessel sinken. Sie nimmt den mir gegenüber. »Ich hatte nur versucht, nicht zu sehr zu hoffen! Hat aber nicht geklappt. Tut es nie. Aber ich versuche es trotzdem immer.«
»Wirklich?« Es klingt amüsiert. »Ich habe eher das gegenteilige Problem. Ich erwarte immer das Schlimmste von den Menschen. Kann nichts dagegen tun.« Sie lächelt mir zu. Es ist ein strahlendes und gleichzeitig trauriges Lächeln. Straurig.
Das zum Beispiel...
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