Schweitzer Fachinformationen
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Wenn Bücher dein Leben sind - oder, wie in meinem Fall, sogar dein Job -, wirst du irgendwann ziemlich gut darin, vorab zu erraten, wohin eine Geschichte führt. Die Klischees, die Tropen, die üblichen Wendungen in der Handlung fangen an, sich im Gehirn zu einer Art Verzeichnis zu organisieren, säuberlich geordnet nach Kategorie und Genre.
Der Ehemann ist der Mörder.
Die nerdige Frau bekommt ein Umstyling, und ohne Brille ist sie superheiß.
Der Junge bekommt das Mädchen - oder das andere Mädchen bekommt ihn.
Jemand erklärt ein kompliziertes wissenschaftliches Konzept, und jemand anders sagt: »Ähm, noch mal auf Englisch, bitte?«
Die Einzelheiten mögen sich vielleicht von Buch zu Buch unterscheiden, aber auf dieser Welt gibt es nichts wirklich Neues.
Nehmen wir zum Beispiel eine Liebesgeschichte, die in einer Kleinstadt spielt.
Die Sorte, in der ein zynischer Supertyp aus New York oder Los Angeles nach Hintertupfingen kommt - um, sagen wir, die Weihnachtsbaumschule abzuwickeln, die schon seit Generationen einer Familie gehört und einer seelenlosen Firma Platz machen soll.
Aber während sich besagter Stadtmensch in der Kleinstadt aufhält, laufen die Dinge nicht nach Plan. Denn natürlich ist diese Baumschule - oder Bäckerei, oder was auch immer unser Held zerstören soll - im Besitz einer Frau, die geradezu lächerlich attraktiv und praktischerweise auch gerade zu haben ist.
In der großen Stadt hat er natürlich eine Freundin. Eine rücksichtslose Person, die ihn bei dem unterstützt, was er im Begriff ist zu tun, und die ohne ein Wimpernzucken Leben ruiniert, um die große Beförderung zu ergattern. Er ruft sie vom Land aus an, sie unterbricht ihn mitten im Satz und bellt vom Sattel ihres Peloton-Bikes herzlose Ratschläge durch die Leitung.
Man weiß sofort, dass sie böse ist, weil ihr Haar unnatürlich blond und wie bei Sharon Stone in Basic Instinct zurückgegelt ist, außerdem hasst sie Weihnachtsschmuck.
Der Held verbringt immer mehr Zeit mit der charmanten Bäckerin/Schneiderin/Baumschulenchefin, und es ändert sich alles für ihn. Er erkennt den wahren Sinn des Lebens!
Er kehrt nach Hause zurück, verwandelt von der Liebe einer guten Frau. Dort bittet er seine Eiskönigin-Freundin, mit ihm spazieren zu gehen. Sie gähnt gelangweilt und sagt etwas wie: In diesen Manolos?
Es macht bestimmt Spaß, sagt er zu ihr. Auf dem Spaziergang bittet er sie vielleicht, hinauf zu den Sternen zu schauen.
Sie fährt ihn an: Du weißt doch, dass ich nicht nach oben schauen kann! Ich habe gerade erst Botox bekommen!
Und in diesem Augenblick begreift er: Er kann nicht in sein altes Leben zurückkehren. Er will es auch gar nicht! Er beendet seine kalte, unbefriedigende Beziehung und macht seinem neuen Schatz einen Heiratsantrag. (Wer braucht schon eine Dating-Phase?)
An dieser Stelle schreist du vielleicht das Buch an: Du kennst sie doch gar nicht! Weißt du überhaupt, wie sie mit Nachnamen heißt, du Arsch? Aus der anderen Ecke des Zimmers versucht dich deine Schwester Libby zum Schweigen zu bringen und wirft dir Popcorn an den Kopf, ohne den Blick von den Seiten ihres eigenen zerfledderten Buches aus der Bibliothek zu heben.
Und genau deshalb komme ich zu spät zu diesem Mittagessen.
Denn das ist mein Leben. Das Klischee, das meine Tage beherrscht. Die Trope, die meine Erfahrungen überlagert.
Ich bin die Frau in der großen Stadt. Nicht diejenige, die der heiße Großstädter auf dem Land kennenlernt, und auch nicht der heiße Großstädter. Ich bin die andere.
Ich bin die verspannte, manikürte Literaturagentin, die auf ihrem Peloton Manuskripte liest, während eine ruhige Strandlandschaft als Desktop-Schoner unbeachtet über ihren Bildschirm schwebt.
Ich bin diejenige, die verlassen wird.
Ich habe diese Geschichte gelesen, ich habe sie gelebt, und ich weiß, dass sie jetzt wieder passieren wird, jetzt, da ich mich am späten Nachmittag durch die Menschenmassen in Midtown schlängele, das Handy immer am Ohr.
Er hat es noch nicht ausgesprochen, aber die Härchen an meinem Nacken stellen sich auf, und mein Magen zieht sich zusammen, denn er manövriert unsere Unterhaltung zu einer Klippe, die so steil aussieht wie in einem Comic.
Grant sollte nur zwei Wochen lang in Texas bleiben, nur so lange, bis der Deal zwischen seinem Unternehmen und dem Boutiquehotel außerhalb von San Antonio fix war, das sie zu erwerben versuchten. Weil ich schon zwei Trennungen nach Dienstreisen erlebt hatte, reagierte ich auf die Ankündigung dieser Reise so, als wäre er zur Navy gegangen und müsste am nächsten Morgen für Jahre an Bord gehen.
Libby versuchte, mich davon zu überzeugen, dass ich überreagierte, aber ich war nicht überrascht, als Grant dreimal hintereinander die Verabredung zum Gute-Nacht-Telefonat vergaß und die anderen Anrufe kurz hielt. Ich wusste, wie das hier enden würde.
Und dann, vor drei Tagen, nur wenige Stunden vor seinem Rückflug, geschah es.
Höhere Gewalt hielt ihn länger in San Antonio als geplant. Sein Blinddarm platzte.
Theoretisch hätte ich in diesem Moment einen Flug dorthin gebucht und ihn im Krankenhaus besucht. Aber ich steckte gerade mitten in einem riesigen Deal und brauchte stabiles WLAN für meine Telefonate. Meine Klientin verließ sich auf mich. Es war die Chance ihres Lebens. Und außerdem wies Grant darauf hin, dass eine Blinddarm-OP ein Routineeingriff sei. »Keine große Sache« - das waren seine genauen Worte.
Also blieb ich, wo ich war, und tief in meinem Inneren wusste ich, dass ich Grant damit den Kleinstadt-Liebesroman-Gottheiten überließ, damit sie aus der Situation machten, was sie am besten konnten.
Jetzt, drei Tage später, sprinte ich praktisch in meinen Glücksschuhen zu diesem Mittagessen. Die Fingerknöchel der Hand, die das Handy halten, sind schon ganz weiß, und ich kann förmlich die Erschütterung spüren, als Grants Stimme den letzten Nagel in den Sarg meiner Beziehung treibt.
»Sag das noch mal.« Es sollte eigentlich eine Frage sein. Es klingt aber wie ein Befehl.
Grant seufzt. »Ich komme nicht zurück, Nora. Es hat sich in der letzten Woche für mich einiges geändert.« Er kichert. »Ich habe mich verändert.«
Mein kaltes Stadtmenschenherz erzittert. »Ist sie Bäckerin?«, frage ich.
Einen Herzschlag lang schweigt er. »Was?«
»Ist sie Bäckerin?«, frage ich, als wäre das die erste Frage, die jedem zuerst einfällt, wenn der Freund übers Telefon mit einem Schluss macht. »Die Frau, für die du mich verlässt.«
Nach kurzem Schweigen gibt er nach: »Sie ist die Tochter des Ehepaares, dem das Hotel gehört. Sie haben beschlossen, es doch nicht zu verkaufen. Und ich werde dort bleiben und ihnen dabei helfen, es zu führen.«
Ich kann nicht anders: Ich lache. Das war schon immer meine Reaktion auf schlechte Nachrichten. So habe ich vermutlich auch die Rolle der bösen Schurkin in meinem eigenen Leben bekommen, aber was soll ich auch sonst tun? Heulend auf diesem überfüllten Bürgersteig zusammenbrechen? Was würde das nützen?
Ich bleibe vor dem Restaurant stehen und massiere mir sanft die Augen. »Nur damit ich das richtig verstehe«, sage ich, »du gibst deinen großartigen Job, deine großartige Wohnung und mich auf, um nach Texas zu ziehen. Um mit jemandem zusammen zu sein, dessen Karriere man am besten als Tochter des Ehepaars, dem das Hotel gehört beschreiben kann?«
»Es gibt wichtigere Dinge im Leben als Geld und eine tolle Karriere, Nora«, sagt er verächtlich.
Ich lache erneut. »Ich weiß nicht recht, ob du nicht vielleicht einen Witz machst.«
Grant ist der Sohn eines milliardenschweren Hotel-Moguls. >Mit dem goldenen Löffel im Mund geboren< trifft es nicht einmal ansatzweise. Er hatte vermutlich auch goldenes Klopapier.
Für Grant war das College nur eine Formsache. Praktika waren eine Formsache. Herrgott, überhaupt Hosen zu tragen, war eine Formsache! Er hat seinen Job durch reine Vetternwirtschaft bekommen.
Und exakt das macht seinen letzten Satz so absurd, und zwar in jeder Hinsicht.
Den letzten Teil muss ich wohl laut gesagt haben, denn er will wissen: »Was soll das denn schon wieder heißen?«
Ich spähe durchs Fenster des Restaurants und werfe dann einen Blick auf mein Handy. Ich komme zu spät - ich komme nie zu spät. Das war nicht der erste Eindruck, den ich hinterlassen wollte.
»Grant, du bist ein vierunddreißig Jahre alter Erbe. Die meisten von uns haben einen Job, um sich von dem Geld Essen kaufen zu können.«
»Siehst du?«, sagt er. »Genau mit diesen Ansichten bin ich fertig. Du kannst manchmal so kalt sein, Nora. Chastity und ich wollen .«
Es ist nicht absichtlich - ich will gar nicht fies sein -, aber ich muss über ihren Namen lachen. Es ist nur so, dass ich praktisch meinen Körper verlasse, wenn lächerlich schlimme Dinge geschehen. Und dann sehe ich mir von oben zu und denke: Echt jetzt? Das meint das Universum wirklich ernst? Das ist jetzt aber schon ein bisschen übertrieben, oder?
In diesem Fall hat es beschlossen, meinen Freund in die Arme einer Frau zu treiben, deren Name die Fähigkeit beschreibt, das Jungfernhäutchen intakt zu halten. Ich meine, das ist doch wirklich lustig.
Er schnaubt am anderen Ende der Leitung. »Es sind gute Menschen, Nora. Sie sind das Salz der Erde. So ein Mensch will ich auch sein. Hör mal, Nora, jetzt reg dich nicht...
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