Schweitzer Fachinformationen
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Die Figur oder Rolle der First Lady der Bundesrepublik hatte seit 1949 zwölf unterschiedliche Besetzungen, die diese interpretierten und spielten. In der Weimarer Republik gab es eine Besetzung der Rolle - im Kaiserreich drei. Aus den jeweiligen konkreten Handlungen und Interpretationsweisen können Rückschlüsse auf das Allgemeine bzw. Abstrakte der Rolle gezogen werden:
Welche Aufgaben werden durch die Rolle allgemein wahrgenommen, welche sind auf die konkrete Rollenbesetzung - ihre Vorlieben und Abneigungen - oder die Wirkungsepoche zurückzuführen?
Welcher Platz und welche Funktion sind für die Rolle im staatlichen Drehbuch vorgesehen? Steht die Rolle für bestimmte Inhalte und/oder ist sie Teil der Staatspflege102?
War und ist die Rollenbesetzung Privatperson, die sich wie viele andere ehrenamtlich engagiert und sich bestimmten Themen widmet, oder ist sie als öffentliche und darüber hinaus offizielle Person sowie Akteurin des Staates zu betrachten?
Wie kommuniziert die Rolle mit ihrem Publikum und dieses mit ihr?
Wie werden die Rolle und die Rollenbesetzung, ihre Handlungen und ihre Kommunikation öffentlich in Szene gesetzt?
Die Betrachtung der First-Lady-Rolle Deutschlands - ihr Entstehen, ihre Etablierung und ihre Fortentwicklung - soll über eine solche Aufgabendefinition und Themenschwerpunkte hinausgehen. Nicht nur Text und Drehbuch sollen offengelegt werden, sondern auch dessen Autorinnen und Autoren sowie die Regie des gesamten Stückes. Es gilt die Vorlieben und Abneigungen zu ergründen, die die Rolle formen. Zumal es, wie im einleitenden Kapitel beschrieben, keine rechtlichen Regelungen und Vorgaben gibt, die den Handlungsrahmen stecken. Für die First-Lady-Rolle wird dieser durch ungeschriebene Regeln geformt.
Rollen, die im Fokus einer politikwissenschaftlichen Analyse stehen, können und werden nicht ausschließlich durch rechtliche Vorgaben definiert, sondern in ihrer konkreten Ausgestaltung insbesondere durch kollektive Erwartungen. Diese Erwartungen sind »mit ihrer informellen Dimension [.] meist wichtiger als der rechtliche Rahmen, in dem diese Rolle ausgefüllt wird«103. Daher ist es für die politikwissenschaftliche Analyse der deutschen First Lady nicht vordergründig, ob Aufgaben und Handlungsspielraum rechtlich geregelt sind oder nicht, da die Erwartungen mit Fokus auf die abstrakte Rolle betrachtet werden. Ebenso wird untersucht, ob sie als eine Art Autorin oder Autor der First-Lady-Rolle in Betracht kommen. Diese Erwartungen werden an die Rolle aus verschiedenen Richtungen herangetragen: von der Inhaberin selbst und deren Umfeld, von den Medien und von Bürgerinnen und Bürgern.
Die kollektiven Erwartungen sind ein Sammelbecken der Erwartungen der Rollenbesetzung selbst, der Erwartungen von den Bürgerinnen und Bürgern, der Erwartungen der Medien, der Erwartungen politischer und gesellschaftlicher Akteurinnen und Akteure sowie der Erwartungen des Bundespräsidialamtes mit seinen Bediensteten, das als Behörde den jeweiligen Bundespräsidenten in seiner Amtsführung unterstützt. Erwartungen haben immer einen Ursprung, sie tauchen nicht einfach aus dem Nichts auf.
Mit dem Beziehungsgefüge zwischen Akteurinnen und Akteuren in einem politischen System und den an sie gerichteten Erwartungen befasst sich die politische Kulturforschung. Sie ist theoretische Grundlage dieser Untersuchung: der Analyse der Rolle der First Lady der Bundesrepublik, ihrer Ursprünge, der sie formenden Kräfte von den Anfängen bis in die Gegenwart und ihrer Bedeutung für Staat und Gesellschaft.
Die Daseinsberechtigung von Institutionen in einem politischen System kann auf Verfassungen und anderen rechtlichen Grundlagen beruhen, deren Aufgaben und Handlungsrahmen darin ebenso definiert sein können. Ein politisches System beinhaltet, wie oben bereits erwähnt, aber mehr als Verfassung und Institutionen. Dem »toten Inventar«, den verfassungsrechtlichen Vorgaben und Institutionen, »Leben einzuhauchen«, erfolgt durch einzelne Akteurinnen und Akteure - Politikerinnen und Politiker oder Bürgerinnen und Bürger - sowie ihre individuelle Persönlichkeit.104 Sie füllen abstrakte Rollen ihrer eigenen Interpretation entsprechend mit Leben und geben ihnen ein menschliches Gesicht. Der Handlungs- und Interpretationsspielraum der Akteurinnen und Akteure wiederum wird neben dem Rechtsrahmen durch die Bewertung ihres Handelns seitens der Gesellschaft begrenzt, die dieses gutheißt und akzeptiert - Vorlieben - oder für falsch befindet und ablehnt - Abneigungen. Der dieses Handeln und das Urteil darüber steuernde Rahmen ist die Politische Kultur.
Karl Rohe definiert den Begriff Politische Kultur als »das politisch relevante >Weltbild< von Gruppen [.], das den jeweiligen sozialen Trägern im Normalzustand in seiner Besonderheit gar nicht bewußt ist, weil die in dem Weltbild enthaltenen Grundannahmen über die Wirklichkeit als >natürlich< und >selbstverständlich< empfunden werden«105. Sie ist »ein mit Sinnbezügen gefüllter Rahmen [.], innerhalb dessen sich die - in der Regel - durch Interessen, freilich nicht allein durch materielle Interessen, geleitete politische Lebenspraxis handelnder, denkender und fühlender politischer Akteure vollzieht«106, und stellt somit eine Art »ungeschriebene Verfassung«107 dar. Politische Kultur ist die Inspiration für das Drehbuch des Bühnenstückes, in dem die First Lady ihre Rolle einnimt. Sie ist der Fundus für die Vorlieben und Abneigungen der Charaktere.
Die Begriffsdefinition von Politischer Kultur war und ist keineswegs eindeutig oder gar unumstritten; das Konzept der politischen Kulturforschung wurde stetig weiterentwickelt. Die Wahl von Rohes Konzept als theoretische Basis bedarf vor diesem Hintergrund einer Einordnung.
Ausgangspunkt von Begriff und Forschungskonzept der politischen Kultur stellt bis heute eine Studie mit dem Titel »The Civic Culture« von Gabriel Almond und Sidney Verba aus dem Jahr 1963 dar. Anhand der Beispiele der fünf Nachkriegsstaaten USA, Großbritannien, Deutschland, Italien und Mexiko untersuchen sie deren auf unterschiedlichen historischen Entwicklungen beruhenden politischen Kulturen. Hierfür bedienen sie sich der quantitativen Umfrageforschung - integrieren also die bis dato wenig betrachtete Beziehung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und dem Staat fernab von Wahlen - und leiten aus den Ergebnissen Grundtypen von politischer Kultur ab. Besondere Bedeutung messen die beiden Autoren der Stabilität eines politischen Systems bei, die vor allem auf dem Verhältnis von Struktur und Kultur basiert. Das Forschungsdesign verbindet die Mikroebene individueller Orientierungen mit politischen Objekten der Makroebene und untersucht den Bereich zwischen beiden Ebenen. Den von ihnen definierten Grundtypus der Partizipationskultur, im Englischen civic culture, erklären Almond und Verba zum normativen Leitbild, das von einer starken partizipativen Orientierung und einer positiven Grundeinstellung gegenüber Prozessen und Strukturen des politischen Systems ausgeht. Nach dem Verständnis von Almond und Verba ist politische Kultur »eine Abbildung individueller Einstellungen (nicht Verhaltensweisen) auf der Gesellschaftsebene (Aggregatsebene)«108. Sie ist »die besondere Verteilung von Orientierungsmustern auf politische Objekte unter den Mitgliedern einer Nation«109. Auch wenn die Grundprinzipien von Almond und Verba bis heute als Ausgangspunkt der politischen Kulturforschung gelten, waren sie stets auch der Kritik aus Fachkreisen ausgesetzt und wurden dadurch weiterentwickelt.110
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