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Ein Fall heißer als frisch gebrühter Kaffee
Triest - Stadt der Winde und des Kaffees. Hier soll es den besten Espresso von ganz Italien geben, der Capo Triestino ist eine stadteigene Spezialität. Eines Morgens wird auf der berühmten Piazza grande eine verkohlte Leiche gefunden. Der Tote war einer der besten Baristas der norditalienischen Hafenstadt, vier andere sind spurlos verschwunden. Doch wer hätte ein Motiv, den gefeierten Künstlern der Espressomaschinen Leid zuzufügen? Sofort wird Professor Adalbert Bietigheim zu Hilfe gerufen. Pikanterweise ist einer der verschwundenen Baristas der Mann seiner großen Jugendliebe - für den sie ihn damals verlassen hat. Dennoch bezieht er bei ihrer Familie in Schloss Duino mit Foxterrier Benno Quartier, um ein im wahrsten Sinne des Wortes dunkles Verbrechen aufzuklären ...
KAPITEL 2
Der Professor benötigt keine Anstandsdame
Adalbert Bietigheim stieg aus dem Bus und stellte die beiden schweren Lederkoffer ab. Dann strich er sein volles Haar zurück und nestelte am Cordsakko. Er wollte schließlich einen guten ersten Eindruck machen. Vor ihm lag das berühmte Schloss Duino, wo er während seines Auslandssemesters wohnen durfte. Offiziell gehörte es dem Geschlecht derer zu Thurn und Taxis, doch in Wirklichkeit lebte Marchese Montezumolo mit seiner Familie hier. Auf Empfehlung der Hamburger Kaufmannsfamilie zu Trömmsen nahmen sie ihn, den recht mittellosen, aber vielversprechenden Studenten, bei sich auf. Er würde jede Minute zum Lernen verwenden und sich von keinem wunderschönen Ausblick ablenken lassen, das war er seinen Gönnern schuldig!
Adalbert war kaum zehn Meter gegangen, da kam ihm eine junge Frau entgegen. Sie musste ungefähr in seinem Alter sein und lächelte ihn so warmherzig an, dass sogar die südliche Sonne ein wenig neidisch werden konnte.
»Du musst Adalbert sein!« Sie gab ihm Küsse auf die Wangen. »Freu mich so, dass du da bist. Endlich passiert mal was! Und ich habe jemanden, mit dem ich abends Triest unsicher machen kann.«
»Und du bist .?«
»Ach, ich Dummerchen«, sie lachte. »Hab ja ganz vergessen, mich vorzustellen.« Sie knickste formvollendet. »Giulia Montezumolo, die Tochter des Hauses. Und deine Anstandsdame.« Sie lachte wieder. Und duftete köstlich nach Lavendel.
»Ich benötige keine Anstandsdame«, erwiderte Adalbert. »Ich bin allein der Wissenschaft verpflichtet.«
»Du sprichst aber hochgestochen. Find ich lustig. Komm, ich führ dich durchs Schloss.« Sie hakte sich bei ihm unter. »Also das neue, das alte machen wir ein andermal. Wenn wir uns besser kennen. Da ist es sehr einsam, und ich weiß ja nicht, was du für einer bist.«
»Ich benehme mich stets angemessen.«
»Angemessen kann man so oder so interpretieren.« Sie ging vor und drehte sich dann um, wobei ihre blonden Locken wild durch die Luft flogen. »Wollen wir zuerst in die düsteren, feuchten Katakomben steigen, wo du mich vor Spinnen und den Geistern der Verstorbenen beschützen kannst, oder meinem langweiligen Vater die Ehre erweisen?«
Adalbert musste nicht überlegen. »Letzteres wäre wohl angebracht.« Obwohl Giulia eine Schnute zog, fuhr er fort: »Ich möchte dem Marchese meinen Dank aussprechen und ihm eine Flasche Wein aus meiner Heimat übergeben. Einen hervorragenden Trollinger!«
»Vater kennt sich sehr gut aus mit Weinen, da wird er sich freuen.«
Der Wein war ihm von einem Mitglied seiner weit verstreuten Sippe empfohlen worden. Das bunte Etikett mit einer gezeichneten, vollbusigen Frau und der Drehverschluss bezeugten diesem zufolge die hohe Qualität des Inhalts.
»Dann hier entlang«, sagte Giulia. »Rilkes Lieblingszimmer zeige ich dir später und auch die Sammlung historischer Instrumente mit dem Pianoforte, auf dem Franz Liszt während seines Aufenthalts musiziert hat.« Sie gingen durch das Schloss, bis sie an eine lindgrün gestrichene Holztür kamen, an die sie klopfte. Von drinnen schallte es laut: »Herein, Herrgott noch mal.«
Sie beugte sich zu Adalbert, ganz nah an sein Ohr, sodass ihre Locken sein Gesicht berührten und leicht kitzelten. »Er ist nicht gut drauf, die Jagd heute Nacht war nicht erfolgreich.«
Giulia öffnete die Tür, und Adalbert sah einen hochgewachsenen Mann, der eine Flinte polierte. Der Lauf der Waffe war auf ihn gerichtet.
»Sie sind also das Bürschchen aus Deutschland?«
Adalbert verbeugte sich. »Hamburg, um genau zu sein. Die kosmopolitische unter den deutschen Städten, eine bedeutende Hafenstadt wie Triest .«
»Jajaja, genug der Anwanzerei. Zudem kenne ich Hamburg. Oder trauen Sie mir das nicht zu?«
»Ähm, doch, selbstverständlich. Ich dachte nur .«
»Beim Studieren können Sie gerne denken, aber hier geht es um Manieren. Dass ich Sie in meinem Haus beherberge, verdanken Sie einer sehr alten Freundschaft. Wissen Sie eigentlich, was für eine Ehre es ist, hier nächtigen zu dürfen?«
»Selbstverständlich, es ist .«
»Nichts wissen Sie!«, fuhr der Marchese ihm über den Mund. »Von dem hier weiß niemand etwas. Denn wenn es jemand wüsste, wären wir in Gefahr.« Er wies auf eine Wand mit unzähligen Bildern, deren zentrales durch einen roten Samtvorhang geschützt war. Der Marchese zog diesen so zärtlich zur Seite, als entblöße er den Busen einer Frau. Zum Vorschein kam ein handgeschriebenes Stück Papier in einem goldenen Rahmen, leicht vergilbt, doch die Schrift von wundervoller Eleganz, die Buchstaben auf sanften Wellen tanzend, fast melodisch wirkte es. Die Unterschrift des Verfassers sah dagegen aus wie dichter Wald, in den es keinen Weg hinein und hinaus gab.
»Rilke suchte lange Zeit nach einem geeigneten Ort, um die Elegien zu schreiben. Eine Vielzahl von Briefen belegt, welch hohe Bedeutung er den äußeren Schaffensbedingungen beimaß.« Der Marchese schien die Worte mehr zu dem Manuskript als zu Adalbert zu sprechen. »Während eines Besuches auf diesem Schloss spazierte er an den Klippen vorbei, da hörte er im Wind eine Stimme, die ihm die Worte >Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?< zurief. Davon inspiriert, begann er seine erste Elegie mit ebendiesen Worten. Und Jahre später sprach der Wind hier wieder zu ihm.« Seine Fingerspitzen näherten sich dem Papier, wollten es berühren, doch dann zuckte er zurück, wie erschreckt von sich selbst. Ernst sah er Adalbert an. »Können Sie das lesen? Und übersetzen? Angemessen übersetzen?«
Adalbert nahm das Manuskript näher in Augenschein und erschauderte. Es stammte von Rainer Maria Rilke, eine Duineser Elegie, keine Frage, doch dem Text zufolge keine, die der Welt bekannt war.
»Ist das etwa eine unveröffentlichte .«
»Habe ich Sie gebeten, Fragen zu stellen oder zu rezitieren?«
Ein trockenes Räuspern drang aus Adalberts Kehle.
Kaffeebaum, seit wie lange schon ist's mir bedeutend,
wie du die Blüte beinah ganz überschlägst
und hinein in die zeitig entschlossene Frucht,
ungerühmt, drängst dein reines Geheimnis.
Wie der Fontäne Rohr treibt dein gebog'nes Gezweig
abwärts den Saft und hinan: und er springt aus dem Schlaf,
fast nicht erwachend, ins Glück seiner süßesten Leistung.
Nur wir vergessen so leicht, was der lachende Nachbar
uns nicht bestätigt oder beneidet. Sichtbar
wollen wir die Tasse mit Caffè heben, wo doch das sichtbarste Glück uns
erst zu erkennen sich giebt, wenn wir es innen verwandeln.
Der Marchese blickte ihn lange an. »Noch klingt Ihr Italienisch, als führten Sie einen groben Säbel statt eines feinen Floretts. Aber das werden wir Ihnen schon austreiben!« Er trat näher, überragte Adalbert dabei um einen guten Kopf. »Und wehe, Sie kommen auf dumme Gedanken, was meine Tochter angeht. Dann werfe ich Sie eigenhändig die Klippen hinab.«
»Ach, Papa«, maulte Giulia. »Mach ihm doch nicht solch eine Angst.« Sie wandte sich an Adalbert, der es bevorzugte zu schweigen. »Papa macht nur Spaß, das ist so seine Art.«
Die Flasche Trollinger würde hoffentlich das Eis brechen, dachte Adalbert. Auch wenn es meterdick war. »Hier, ein Geschenk aus meiner Heimat. Ein wohlfeiler Wein, generös aus in badischer Sonne gereiften Trauben gewonnen. Für einen Kenner wie Sie!«
Der Marchese warf einen kurzen Blick auf den Wein. »Wollen Sie mich beleidigen? Ein Trollinger mit Schraubverschluss? Ist das hanseatischer Humor? Dann zeige ich Ihnen, was Triester ist!«
Er warf die Flasche ansatzlos aus dem geöffneten Fenster. »Ich bin nicht wenig dazu angetan, Sie gleich wieder meines Hauses zu verweisen. Trollinger! Da saufe ich ja lieber Bier!«
So etwas Beschämendes wie heute würde Adalbert nie wieder passieren! Und wenn er sich dafür eingehend mit Alkohol beschäftigen müsste! Er würde sich eintrinken, bis ihm nichts mehr fremd war, was aus Trauben gepresst wurde.
»Ich werde es wiedergutmachen«, sagte Adalbert und verbeugte sich, wobei er sich Schritt für Schritt rückwärts in Richtung Tür bewegte.
»Wenn Sie gestatten, würde ich mich gerne auf mein Zimmer zurückziehen, um die italienische Sprache und den Wein zu studieren.«
»Der erste kluge Satz von Ihnen, Hanseat. Tun Sie das, von mir aus die ganze Nacht durch.«
Genau so machte Adalbert es. Die ganze Nacht durch paukte er Italienisch, unterbrochen nur von der Lektüre eines Weinlexikons von einem gewissen Hugh Johnson. Es war eine besondere Hölle, über faszinierende Weine zu lesen und sie nicht zeitgleich trinken zu können. Aber gleich morgen würde er sich in einer Triester Weinhandlung eindecken. Ab morgen würde Wein in seinen Adern fließen!
Das würde sicher Eindruck beim Marchese machen.
Der Professor hatte Quartier im Grandhotel Duchi D'Aosta an der Piazza Grande bezogen. Von seinem Fenster aus blickte er nun auf den Fundort der Leiche. Warum war sie nur an diesem öffentlichen Ort abgeladen worden? Warum solch ein Zeichen setzen? Als wollte der Täter ganz Triest diesen Mord mitteilen. Dafür ging er das große Risiko ein, beobachtet zu werden. Die Polizia würde sicher Anwohner der angrenzenden Häuser zu der fraglichen Nacht befragen, vielleicht hatte dieser Jemand gerade seinen Hund ausgeführt oder nicht schlafen können und gedankenverloren auf den Platz geblickt, als es geschehen war. Hatte der...
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