Schweitzer Fachinformationen
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Es war ein warmer Frühlingsabend, und nachdem Robert gegangen war, saß ich an einem Tisch draußen vor dem Napolitain, sah zu, wie es dunkel wurde und die Lichtreklamen angingen, sah die Ampel abwechselnd rot und grün werden, die Leute vorbeischlendern, die Pferdekutschen an den endlosen Taxischlangen entlangklappern, die poules vorbeischlendern, allein oder zu zweit auf der Suche nach einem Abendessen. Ich beobachtete ein gutaussehendes Mädchen, sie ging am Tisch vorbei und weiter die Straße hinauf, bis ich sie aus den Augen verlor, dann beobachtete ich eine andere und sah die erste wieder zurückkommen. Als sie an mir vorbeiging, hob ich den Blick, worauf sie herankam und sich zu mir setzte. Der Kellner erschien.
«Nun, was möchtest du trinken?», fragte ich.
«Pernod.»
«Das ist nicht gut für kleine Mädchen.»
«Selber kleines Mädchen. Dites garçon, un Pernod.»
«Für mich auch einen Pernod.»
«Was liegt an?», fragte sie. «Bisschen feiern?»
«Klar. Du nicht?»
«Keine Ahnung. In dieser Stadt weiß man das nie.»
«Magst du Paris nicht?»
«Nein.»
«Warum gehst du nicht woanders hin?»
«Was anderes gibt es nicht.»
«Also bist du zufrieden.»
«Zufrieden, von wegen!»
Pernod ist ein grünliches Absinth-Imitat. Wenn man Wasser hinzufügt, wird es milchig. Es schmeckt nach Lakritz und verleiht guten Auftrieb, lässt einen aber auch schnell abstürzen. Wir saßen und tranken, und das Mädchen machte ein mürrisches Gesicht.
«Na», sagte ich, «lädst du mich zum Essen ein?»
Sie grinste, und ich sah, warum sie darauf achtete, nicht offen zu lachen. Mit geschlossenem Mund war sie ziemlich hübsch. Ich zahlte, und wir gingen an den Straßenrand. Ich winkte eine Droschke heran, und der Kutscher hielt am Bordstein. Wir saßen in dem langsamen, sanft schaukelnden fiacre und fuhren die Avenue de l'Opéra hinauf, vorbei an den geschlossenen Türen und hellen Schaufenstern der Geschäfte, die breite, leuchtende Straße nahezu menschenleer. Die Kutsche passierte die Geschäftsstelle des New York Herald mit den vielen Uhren im Fenster.
«Wozu sind da so viele Uhren?», fragte sie.
«Die zeigen die Zeit in verschiedenen amerikanischen Städten an.»
«Erzähl keine Märchen.»
Wir bogen in die Rue des Pyramides ein, schoben uns durch den Verkehr auf der Rue de Rivoli und gelangten durch ein dunkles Tor in die Tuilerien. Sie schmiegte sich an mich, und ich legte einen Arm um sie. Sie sah auf, um sich küssen zu lassen. Sie berührte mich mit einer Hand, und ich schob ihre Hand fort.
«Lass nur.»
«Was hast du? Bist du krank?»
«Ja.»
«Alle sind krank. Ich auch.»
Wir kamen aus den Tuilerien ins Licht, überquerten die Seine und wandten uns in die Rue de Saint Pères.
«Wenn du krank bist, solltest du keinen Pernod trinken.»
«Du auch nicht.»
«Mir macht das nichts. Einer Frau macht das nichts.»
«Wie heißt du?»
«Georgette. Und du?»
«Jacob.»
«Das ist ein flämischer Name.»
«Auch ein amerikanischer.»
«Du bist kein Flame?»
«Nein, Amerikaner.»
«Gut, ich kann Flamen nicht ausstehen.»
Inzwischen hatten wir das Restaurant erreicht. Ich bat den cocher anzuhalten. Wir stiegen aus, und Georgette gefiel der Laden nicht. «Das ist aber kein besonders gutes Restaurant.»
«Stimmt», sagte ich. «Du möchtest wohl lieber ins Foyot. Dann steig wieder ein und fahr hin.»
Ich hatte sie in der sentimentalen Anwandlung aufgelesen, dass es schön wäre, nicht allein zu essen. Ich hatte schon lange nicht mehr mit einer poule getafelt und hatte vergessen, wie langweilig das sein konnte. Wir gingen hinein, vorbei an Madame Lavigne hinter der Kasse, und traten in einen kleinen Raum. Beim Essen taute Georgette ein bisschen auf.
«Doch nicht so übel», sagte sie. «Nichts Schickes, aber das Essen ist in Ordnung.»
«Besser als in Lüttich.»
«Du meinst Brüssel.»
Wir bestellten noch eine Flasche Wein, und Georgette machte einen Witz. Sie lächelte und zeigte alle ihre schlechten Zähne, und wir stießen an. «Du bist kein schlechter Mensch», sagte sie. «Schade, dass du krank bist. Wir kommen gut miteinander aus. Was hast du denn eigentlich?»
«Bin im Krieg verwundet worden», sagte ich.
«Ah, dieser verfluchte Krieg.»
Wahrscheinlich hätten wir weiter über den Krieg gesprochen und uns darauf verständigt, dass er in Wirklichkeit eine Katastrophe für die Zivilisation gewesen war und man ihn besser vermieden hätte. Ich war jetzt schon gelangweilt genug. Aber dann rief jemand aus dem anderen Raum: «Barnes! Na so was, Barnes! Jacob Barnes!»
«Ein Freund ruft mich», erklärte ich und ging rüber.
Braddocks saß mit etlichen Leuten an einem großen Tisch. Cohn, Frances Clyne, Mrs. Braddocks, die anderen kannte ich nicht.
«Du kommst doch nachher mit in den Tanzclub?», fragte Braddocks.
«Tanzclub?»
«Aber ja. Wissen Sie nicht, dass wir den wiederbelebt haben?», warf Mrs. Braddocks ein.
«Sie müssen, Jake. Wir gehen alle», sagte Frances am anderen Ende des Tischs. Sie war groß und lächelte.
«Natürlich kommt er», sagte Braddocks. «Setz dich zu uns und trink einen Kaffee mit, Barnes.»
«Klar.»
«Und holen Sie Ihre Freundin», sagte Mrs. Braddocks lachend. Sie war Kanadierin und besaß die lockere Lebensart dieser Leute.
«Danke, wir kommen gleich», sagte ich. Ich ging in den kleinen Raum zurück.
«Wer sind deine Freunde?», fragte Georgette.
«Schriftsteller und Künstler.»
«Auf dieser Seite des Flusses gibt es eine Menge davon.»
«Zu viele.»
«Finde ich auch. Aber manche von denen verdienen viel Geld.»
«O ja.»
Als wir aufgegessen und den Wein getrunken hatten, sagte ich: «Komm. Den Kaffee trinken wir mit den anderen.»
Georgette öffnete ihr Täschchen, nahm einen kleinen Spiegel, legte etwas Schminke auf, zog den Lippenstift nach und rückte ihren Hut zurecht.
«Gut», sagte sie.
Wir gingen in den Raum voller Leute, und Braddocks und die Männer an seinem Tisch erhoben sich.
«Ich möchte meine Verlobte vorstellen, Mademoiselle Georgette Leblanc», sagte ich. Georgette zeigte ihr wunderbares Lächeln, und wir gaben allen die Hand.
«Sind Sie mit Georgette Leblanc verwandt, der Sängerin?», fragte Mrs. Braddocks.
«Connais pas», antwortete Georgette.
«Aber Sie haben denselben Namen», insistierte Mrs. Braddocks freundlich.
«Nein», sagte Georgette. «Überhaupt nicht. Ich heiße Hobin.»
«Aber Mr. Barnes hat Sie als Mademoiselle Georgette Leblanc vorgestellt. Ganz sicher», ließ Mrs. Braddocks nicht locker; wenn sie Französisch reden musste, wurde sie nervös und wusste manchmal selbst nicht so genau, was sie sagte.
«Er macht Faxen», sagte Georgette.
«Oh, dann war es also ein Scherz», sagte Mrs. Braddocks.
«Ja», sagte Georgette. «Zum Lachen.»
«Hast du das gehört, Henry?», rief Mrs. Braddocks ihrem Mann über den Tisch hin zu. «Mr. Barnes hat seine Verlobte als Mademoiselle Leblanc vorgestellt, dabei heißt sie in Wirklichkeit Hobin.»
«Aber natürlich, mein Schatz. Mademoiselle Hobin. Ich kenne sie schon seit langem.»
«Oh, Mademoiselle Hobin», rief Frances Clyne; sie sprach rasend schnell Französisch und schien nicht so stolz und verwundert wie Mrs. Braddocks, dass es tatsächlich echt französisch klang. «Sind Sie schon lange in Paris? Gefällt es Ihnen hier? Sie lieben die Stadt, nicht wahr?»
«Wer ist das?», fragte mich Georgette. «Muss ich mit der reden?»
Sie drehte sich zu Frances um, die lächelnd dasaß, die Hände gefaltet, den Kopf auf ihrem schlanken Hals leicht nach oben gewandt, und schon die Lippen spitzte, um weiterzusprechen.
«Nein, Paris gefällt mir nicht. Teuer und schmutzig.»
«Ach wirklich? Ich finde es ganz außerordentlich sauber. Eine der saubersten Städte Europas.»
«Ich finde es schmutzig.»
«Wie seltsam! Aber vielleicht sind Sie noch nicht so lange hier.»
«Lange genug.»
«Aber die Leute sind doch nett. Das muss man zugeben.»
Georgette sah mich an. «Du hast nette Freunde.»
Frances war ein wenig betrunken und hätte gern noch mehr gesagt, aber dann kam der Kaffee, und nachdem Lavigne den Likör gebracht hatte, machten wir uns auf den Weg zum Tanzclub der Braddocks.
Der Tanzclub wurde in einem bal musette in der Rue de la Montagne Sainte Geneviève abgehalten. An fünf Abenden in der Woche tanzten dort die Arbeiter des Panthéon-Viertels. Einmal die Woche war Tanzclub. Montagabend war geschlossen. Als wir eintrafen, war kaum jemand da, nur ein Polizist an einem Tisch beim Eingang, die Frau des Inhabers hinter dem Tresen sowie der Inhaber selbst. Die Tochter des Hauses kam gerade die Treppe hinunter. In dem Raum standen lange Bänke und Tische verteilt, hinten war die Tanzfläche.
«Die Leute könnten ruhig etwas früher kommen», sagte Braddocks. Die Tochter kam zu uns und fragte, was wir trinken wollten. Der Inhaber setzte sich auf einen Barhocker neben der Tanzfläche und begann Akkordeon zu spielen. Er trug eine Glöckchenkette ums Fußgelenk und schlug damit den Takt zu seinem Spiel. Alle tanzten. Es war heiß, und am Ende schwitzten wir alle.
«Mein Gott», sagte Georgette. «Wie ein Dampfbad!»
«Es ist heiß.»
«Heiß, mein Gott!»
«Nimm den Hut...
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