Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Pam wusste, dass Jeff nicht überall beliebt war. Manche Menschen glaubten, er würde für die Geheimpolizei arbeiten, doch Pam war überzeugt, dass es nicht der Wahrheit entspricht. Doch Pam hatte gehört, dass die Menschen in der DDR sogar in der Familie Verräter hatten. Jeder hatte Angst vor seinem Nächsten. Jeder hatte Angst vor seinen Verwandten. Man hörte einige schlimme Geschichten, die man sich nicht vorstellen konnte. Trotzdem war Pam unheimlich neugierig auf dieses besondere Land, die Bundesrepublik Deutschland. Sie war auch neugierig auf die DDR, doch ihr Ziel war immer noch der Westen. Dort ging es den Menschen gut, sie waren frei, sie brauchten sich keine Sorgen zu machen und Angst vor der eigenen Familie zu haben wie in der DDR. Das war einfach eine andere Welt, in der Pam gerne leben wollte. Das war ihr Ziel, so wie es auch ihr Vater Julius gerne gewollt hatte. In Freiheit zu leben. Wie es ihr und ihrer Familie gelingen würde, das wusste sie noch nicht.
Jeff weckte sie ganz sanft.
»Pam, meine Liebe, steh auf, wir sind an der ungarischen Grenze!«
»Ach du großer Schreck! Habe ich etwas versäumt?«
»Nein, meine Liebe, wir sind in Budapest, du hast nichts versäumt. Weder Zöllner noch Grenzkontrolleure wollten etwas von uns. Die sind ganz anders als an unserer Grenze. Vielleicht nicht so korrupt«, sagte Jeff leise.
»Du hast doch noch ein kleines Fläschchen für unsere Grenze?«, fragte Pam lächelnd.
»Das auf jeden Fall. Wir sind doch gute Schüler und Edith ist eine wunderbare Lehrerin. Sie hat uns alles besonders gut beigebracht!«
Am nächsten Abend um 20 Uhr fuhr der Zug in Richtung Grenze über Siebenbürgen nach Bukarest. Der Zug fuhr langsam und ratterte die ganze Nacht. Nur wenn man sehr, sehr müde war, konnte man schlafen. Ansonsten döste man vor sich hin oder man redete. Natürlich hatte man davor die Sachen versteckt und den Schlafwagen nach Wanzen durchsucht. Selten wurden welche entdeckt, denn das Geratter war sehr laut und die Qualität besonders schlecht. Die Zöllner und die Grenzkontrolleure waren friedlich, weil diese immerhin von fast jedem Fahrgast ein mehr oder weniger kleines oder etwas größeres Geschenk bekamen. Sie hatten eben auch viel Routine und wussten genau, wie sie es dem Fahrgast beibringen müssen. Der eine sagte, er hätte noch einen Kollegen, der auch gerne einen Cognac trinken würde, oder seine Frau liebt auch Nylonstrümpfe, wenn sich welche im Gepäck des Fahrgastes befanden, oder die Schwiegermutter würde böse werden, wenn sie nicht auch ein oder zwei Nylonhemden bekäme und so weiter. Die Fahrgäste kannten diese »Wünsche« und waren eben auch großzügig. Auch Jeff war großzügig, denn er erhoffte sich ein gutes Geschäft mit den Sonnenbrillen. Nun musste er ein gutes Versteck für die Brillen finden, immerhin war es eine wertvolle Ware und recht voluminös. Anschließend wollte er in aller Ruhe einen Zwischenhändler oder andere Verkaufsmöglichkeiten suchen. So einfach war das nicht, doch Jeff war zuversichtlich.
In dem Haus, in dem sie wohnten, gab es eine große Garage, in der lediglich ein Nachbar, ein Kommunist, sein protziges Auto abstellen konnte. Jeff dachte, er könnte doch fragen, ob auch er sein Motorrad dort unterbringen könnte. Platz war ja genügend vorhanden. Der Nachbar war eigentlich immer freundlich und bemüht, eine gute Nachbarschaft zu pflegen. Herr Pascu war auf Anhieb damit einverstanden und Jeff stellte zunächst sein BMW-Motorrad in die Garage. Nun wollte er sehen, ob alles gut klappen würde. Er kam freudestrahlend mit dem Garagenschlüssel in der Hand nach Hause und erzählte Pam von seinem Gespräch mit Herrn Pascu. Pam fragte etwas skeptisch:
»Wie viele Personen haben Zutritt zu dieser Garage, Jeff?«
»Momentan nur Herr Pascu und wir! Warum fragst du, hast du irgendwelche Bedenken?«
»Ja, Jeff. Leider habe ich überhaupt kein Vertrauen zu diesen Kommunisten. Es ist doch bekannt, dass Herr Pascu bei der Securitate arbeitet. Du weißt ja selber wie gemein die sein können!«
»Aber Pam, Herr Pascu ist ein kultivierter Mann und hat ein ordentliches Studium absolviert, er hat Kinder, die sehr höflich sind und gut erzogen! Glaubst du, es könnte etwas passieren?«
»Ich weiß es nicht, Jeff, es ist mir einfach zu unsicher! Was könnte passieren, wenn du die Brillen dort versteckst?«
»Die werden doch nicht in unseren Sachen da unten wühlen!«
»Es ist einfach nur deswegen, weil auch sein Chauffeur in der Garage ein und aus geht oder fährt!«
»Der kann sich sowieso nichts leisten! Da wird Herr Pascu schon aufpassen!«
»Glaubst du das wirklich? Dann versuchen wir es. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn wir die Garageneinfahrt ein paar Tage beobachten würden, um zu schauen, wer dort ein und aus geht oder fährt!«
»Gute Idee, Pam. Das machen wir. Wenn alles klar ist, stellen wir das Motorrad rein und dann nach einer Weile ein paar Kartons, natürlich auch den mit den Sonnenbrillen!«
Doch es kam ganz anders. Jeder, der irgendwelche Beziehungen hatte, versuchte, aus dem Ausland von den Verwandten interessante Waren zu bekommen, die dann verkauft wurden. Es hatte sich eine Art Schwarzmarkt entwickelt. Im kleinem Stil natürlich, denn so viel Ware konnte man überhaupt nicht bekommen und auch nicht verkaufen. Große Mode waren die plissierten Röcke, Zigaretten, Kleider aller Art. Wichtig war eben nur das Etikett auf den Klamotten. Wem es gelang, ein Kleidungsstück mit einem westlichen Etikett zu ergattern und auch zu tragen, wurde bewundert. Natürlich gab es viele Neider, die für einen bestimmten Vorteil gerne mal den einen oder anderen bei der Geheimpolizei anzeigten. Diejenigen, die keine Beziehungen hatten, waren der Willkür gnadenlos ausgesetzt. Jeff und Pam hatten ein riskantes Geschäft begonnen, auch wenn es sich nicht unbedingt um westliche Waren handelte. Doch sie brauchten das Geld, um eben auch ein besseres Leben führen zu können. Jeff wollte unbedingt ein Auto besitzen. Die meisten seiner Kollegen in der Schule hatten bereits einen Lada oder einen Trabbi. Das Geld musste man bei der Bank einzahlen - und spätestens zehn Jahre später hatte man den Wagen. Der Wert des PKWs entsprach so etwa dem Wert einer kleinen Wohnung. Der Unterschied war, dass es kaum möglich war, eine Wohnung zu kaufen. Erst kamen die Bonzen, dann lange, lange niemand, und irgendwann kamen die Personen mit dem roten Parteibuch. Im Prinzip musste man ein halbes Leben darauf warten, mitunter war der Interessent auch zwischenzeitlich schon verstorben. Somit rückte man um einen Platz nach oben. Doch die Hoffnung schwand immer mehr.
Pam wurde von einer Kollegin angesprochen, ob sie nicht auch an einem plissierten Rock Interesse hätte. Die Größe würde passen, die Farbe - er war grün - auch. Pam war sehr interessiert, wollte jedoch vorerst mit Jeff sprechen.
»Ich bin sehr interessiert, Marta, doch ich würde gerne erst mit Jeff sprechen. Weißt du, diese Entscheidungen treffen wir immer gemeinsam. Ich gebe dir morgen Bescheid. Ist das möglich?« Pam war begeistert, ließ sich jedoch nichts anmerken.
»Natürlich, Pam! Ich warte auf deine Antwort. Also bis morgen dann!«
Pam war es eigentlich unheimlich. Noch nie hatte ihr Marta ein solches Angebot gemacht. Warum gerade jetzt? Sie spricht einfach mit Jeff, was kann denn passieren? Falls Jeff einverstanden ist, so würde sie Marta ganz versteckt das Geld in die Hand drücken. Meistens wickelte man diese Geschäfte auf der Damentoilette ab.
Jeff war begeistert, denn er wollte Pam schon lange ein solch wertvolles Kleidungsstück kaufen. Jetzt hatte er die Gelegenheit.
»Das ist eine ganz tolle Sache, Pam. Natürlich bin ich einverstanden. Aber ich werde Marta das Geld bringen. Lass mich das machen. Sicher ist sicher!«
»Hast du auch kein Vertrauen zu Marta?« Pam war überrascht.
»Doch, das habe ich, aber als ich dich letztes Mal vom Theater abgeholt habe, war dieser Mihai in einem sehr wilden Gespräch mit Marta verwickelt. Ich konnte nicht hören, worum es ging, aber es war schon etwas heftig. Der ist bestimmt sauer, weil du ihm damals einen Korb gegeben hast, damals, als er dich anwerben wollte, bei der Securitate mitzumachen. Das war für ihn ein Misserfolg, den er noch nicht so schnell verarbeitet hat. Oder wir machen es ganz anders. Du vereinbarst mit ihr einen Treffpunkt und es geschieht nichts. Du hast kein Geld dabei. Du sagst ihr, dass ich das Geld habe und ich warte auf sie hinter dem Theater. Es ist ja ein Geschenk von mir. Also muss ich es auch kaufen. Das ist die Idee. So machen wir es!«
»Du hast recht, Jeff. So kann mir nichts passieren. Ich glaube auch, dass Marta irgendwie mit denen zusammenarbeitet. Warum, das kann ich dir nicht sagen. Sie ist vielleicht in irgendetwas verwickelt worden. Ich weiß es nicht. Eigentlich ist Marta ein ehrlicher Mensch. Doch diese Kommunisten zerstören den Menschen die Ehrlichkeit! Wie traurig!«
Am nächsten Morgen fragte Marta, wie sie entschieden hätten.
»Jeff kauft mir den Plisseerock. Er kommt mich abholen und bringt auch das Geld mit. Wir treffen uns um fünf Uhr nachmittags auf dem Örtchen. Ist alles in Ordnung?«
»Wunderbar, Pam, ich freue mich, bis dann!«, sagte Marta und weg war sie.
Wie mit Jeff besprochen, kam Pam mit leeren Händen zu diesem Treffen auf der Damentoilette, und Pam sagte:
»Jeff will den Rock selber kaufen und dann ganz persönlich als Geschenk präsentieren. Er wartet auf dich hinter dem Theatereingang. Ich freue mich ganz besonders und finde die Idee ganz...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: ohne DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet – also für „glatten” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Ein Kopierschutz bzw. Digital Rights Management wird bei diesem E-Book nicht eingesetzt.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.