Schweitzer Fachinformationen
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Deutschland, Sachsen, Leipzig
Was tut sie, Henri?«
Artjom zog den Gurt enger, damit sich die Kevlarweste besser an den Körper presste. In seiner Rechten hielt er eine H&K MP5K mit aufgesetztem Schalldämpfer, deren Gurt er sich nun umlegte. Er hatte im Moment keine Augen für die vier Tabletcomputer, die im Rettungswagen flimmerten und Bilder aus der Wohnung der Frau zeigten, die sie überwachten; über seinem Gesicht lag wie über dem der übrigen drei Männer und zwei Frauen eine Sturmhaube, die eine Aussparung für den Mund ließ.
»Genau das, was sie soll«, entgegnete Henri und schaltete zwischen den gestochen scharfen Einstellungen hin und her, der Anblick aus dem Innern der Räume wechselte auf den kleinen, hochauflösenden Flachmonitoren. »Sie ist bereits im Badezimmer. Sieht gut aus.«
»Alles klar. Checken.« Artjoms Anweisung sorgte dafür, dass zwei Männer und eine Frau ihre Waffen sowie den Sitz ihrer Headsets ein letztes Mal prüften. »Doc?«
Die andere Frau sah in ihren Rettungsarzt-Rucksack und nickte ihrem Assistenten zu.
»Alles dabei«, bestätigte dieser, verschloss die zwei großen Metallkoffer und warf sich die Trageriemen über die Schultern.
Artjom sah in die Runde und bemerkte die Anspannung in den Augen der Versammelten.
Alles dabei bedeutete: Spritzen, Infusionsbestecke, Defibrillator, Blutkonserven, eine ganze Apotheke, um den Kreislauf wieder in Gang zu bringen, und diverse illegale Substanzen, die so ziemlich jedes Organ in einem Körper zum Funktionieren brachten.
Die Nacht würde eine Bewährungsprobe für sie darstellen, und der kleinste Fehler könnte nicht nur Monate der Vorbereitung zunichtemachen: Die fatalste Konsequenz wäre das Ende ihrer Meisterin, ihrer hera. In Absolutheit.
»Zeig sie mir.« Artjom schaute zu, was die ausgespähte Frau in ihrer Stadtwohnung tat.
Henri schaltete, zoomte.
Sie war hübsch, Mitte dreißig, und hatte lange, mahagonifarbene Locken sowie von Natur aus hohe Wangenknochen, die ihr Gesicht betonten.
Den Unterlagen nach hatte sie sich nach der Geburt ihrer zwei Kinder die Brüste richten lassen, auch die Nase war einst krumm gewesen. Den Rest ihres Körpers hielt sie mit Sport und gesunder Ernährung in Schach, was ihr laut den Bildern hervorragend gelang.
Sie trug die Haare offen und ließ sich eben Wasser in die große Wanne. Zahllose Kerzen brannten ringsum und verbreiteten in dem ebenso praktisch wie geschmackvoll eingerichteten Raum eine ruhige Atmosphäre.
Sie zog den weißen Bademantel aus und präsentierte ihren Zuschauern einen einwandfreien Körper. Weder zu dünn noch zu dick, proportioniert und straff. Doch Artjom fühlte sich bei dem Anblick in keiner Weise erregt. Er war Profi wie der Rest seiner Truppe im Rettungswagen.
Die Dunkelhaarige prüfte das Wasser, gab einen weiteren Schluck Wein in das große Ballonglas, das auf der Kommode neben der Tür stand. Ihre Bewegungen wirkten schwerfällig, als schliefe sie gleich ein. Dennoch leerte sie den Alkohol in einem Zug und stieg mit unsicheren Bewegungen in die Wanne.
»Bereitmachen«, befahl Artjom seinem Team. Er schob sich einen Kaugummi in den Mund, um ihn leise mit den Zähnen zu bearbeiten, bevor er nervös mit den Fingern auf dem Gurt seiner Waffe trommelte.
Die Frau legte sich ins Wasser, das Brust und Unterkörper vollständig bedeckte, und schloss die Lider.
Henri zoomte, murmelte angespannt etwas Unverständliches.
Sie alle sahen, wie ganz langsam eine Träne aus ihrem linken Augenwinkel rann, der rechte Arm mit dem leeren Glas rutschte über den Rand.
So verharrte die Dunkelhaarige.
Die Sekunden vergingen und wurden zu Minuten; der elektronische Sensor der Wanne hatte die Gefahr erkannt, die vom einströmenden Wasser ausging, und stoppte den Zulauf automatisch.
Es war vollkommen ruhig im Bad. Und im Wagen.
Die Frau rührte sich nicht, nur die Brust hob und senkte sich, verursachte dabei kleine Wellen.
»Komm schon, Mädchen«, murmelte die Ärztin, um die Stille zu durchbrechen.
»Scheiße, die schläft uns ein«, fluchte Henri und zoomte das entspannte Gesicht noch näher heran. »Nein, nein, du dumme Schlampe! Bleib wach! BLEIB WACH! Fuck!«
Artjom nahm das Prepaid-Handy und wählte eine Nummer. Das Telefon in der Wohnung läutete.
Sie hörten das Klingeln über die Lautsprecher und sahen, wie die Frau zusammenzuckte. Dabei zerbrach das dünnwandige Behältnis zwischen ihren Fingern, Blut floss aus einem Schnitt in ihrer Hand.
Und floss.
Und floss .
Seufzend setzte die Dunkelhaarige die scharfkantigen Reste des Stiels an der Armbeuge an und stach durch die wunderschöne reine Haut, dann zog sie das Glas leise ächzend bis nach vorne zum Handgelenk.
Aus dem klaffenden Schnitt ergoss sich augenblicklich das Rot.
»Alles klar. Wir sind wieder im Spiel.« Henri sah zufrieden auf einen anderen Monitor, der nach einem Klick die Umgebung des Fahrzeugs zeigte. Zwischen den abgestellten Autos der Anwohner regte sich nichts. »Keiner da, der uns Ärger macht.«
Das Badewasser färbte sich rosa, Blut rann tiefrot an der Außenseite der Wanne hinab und traf auf die weißen Fliesen.
Die Frau setzte den langen Stiel ebenso am anderen Arm an und schnitt sich unter Tränen die Ader ebenso auf, wenn auch mit unsicheren Bewegungen.
»Dann raus mit uns«, befahl Artjom.
Henri griff kommentarlos eines der Tablets und setzte sich an die Spitze, öffnete die Hecktüren und verließ den Rettungswagen, der äußerlich nicht von einem herkömmlichen zu unterscheiden war.
Die Besatzung hingegen schon.
Die komplett weißgekleideten Männer und Frauen, gepanzert, maskiert und schwerbewaffnet, hetzten durch die kalte Januarnacht über die Tschaikowskistraße zum Eingang des Appartementhauses; der Assistent der Ärztin schleppte eine Aluliege. Die Situation kannte jeder von ihnen genau; sie wussten, was zu tun war.
Es kostete das Team nur Sekunden, das Türschloss zu überwinden. Den Code und den künstlichen Fingerabdruck, aufgezogen auf einen dünnen Gelspatel, besaßen sie schon lange.
Leise und nahezu geräuschlos gingen sie durch die winzige Lobby die Treppe hinauf und von dort in den kleinen Flur, immer mit den Waffen im Anschlag und bereit, auf mögliche Störungen mit maximaler Geschwindigkeit und Härte reagieren zu können.
Vor dem Appartement blieb die Truppe stehen.
Artjom und Henri betrachteten das Überwachungsbild auf dem Display des Tablets, das ausschließlich das Bad in der Totalen zeigte.
Die Frau hielt die aufgeschlitzten Arme unter Wasser, um das Schließen der Wunden zu verhindern, und wirkte trotz der Tränen erleichtert. Sie verlor zusehends an Kraft und rutschte in der Wanne abwärts, bis ihr Kinn an die blassrosa Oberfläche heranreichte.
»Jetzt?« Henri zoomte ihr Gesicht erneut heran.
Artjom zog den Schlüssel hervor und schob ihn langsam ins Schloss, damit es von drinnen nicht zu hören war. »Noch nicht.« Er nahm das Tablet an sich und beobachtete ganz genau.
Die Frau schreckte noch einmal hoch, als die Wellen gegen ihre Lippen schwappten. Ein rötlicher Strich zeichnete sich dort auf ihrer Wange ab, wo sie das eingefärbte Wasser bereits berührt hatte. Mit einem erstickten Jammern und einem erlahmenden Weinen rutschte sie tiefer, bis nur noch wenige Locken auf dem Wasser trieben.
»Das wird eng«, warnte die Ärztin.
»Noch nicht.« Artjom sah die Luftblasen, die zur Oberfläche stiegen.
Es waren viele.
»Schritte im Treppenhaus«, warnte die Nachhut über die Headsets.
»Wir sollten rein«, murmelte die Ärztin.
Die Blasen wurden weniger. Schließlich blieb die Oberfläche ruhig.
»Jetzt!«, befahl Artjom, entsperrte die Tür und trat zurück. Fortan war er für das Sichern zuständig.
Die Gruppe stürmte die luxuriöse Wohnung und hatte keinerlei Augen für die Einrichtung, die sorgfältig aufeinander abgestimmt war. Mit geschulterten Waffen rückten sie ins Bad vor.
Zwei Männer fischten die Frau aus dem Wasser, der Assistent bereitete die Liege vor, auf welche sie gebettet wurde. Vier Handtücher aus der Kommode dienten dazu, das von der Haut perlende Wasser und das Blut aufzunehmen.
Die Ärztin prüfte den Puls und Herzschlag. »Beides weg«, sagte sie zufrieden. »Sie ist tot.«
»Perfekt.« Artjom blickte auf die Leiche. »Warten.«
Das Team verharrte, die einen sicherten, die anderen hielten sich bereit.
»Stillstand vor zwei Minuten eingetreten«, verkündete die Ärztin angespannt. »Das sollte reichen.«
»Noch warten.« Artjom sah auf seine Uhr.
Niemand widersprach.
Der Zeiger ruckte Sekunde um Sekunde vor, machte die drei Minuten voll.
»Und . los!«
Mit enormer Geschwindigkeit verschloss die Ärztin zuerst die klaffenden Wunden, während ihr Gehilfe sofort eine Bluttransfusion in den beinahe leergelaufenen Leib vornahm. Die zweite Maskierte übernahm im Wechsel Herzmassage und die Beatmungsmaske.
Die Ärztin bereitete anschließend den Defibrillator vor und jagte diverse Mittel und Adrenalin mit den Konserven in die Blutbahn. Der Assistent verkabelte die Patientin mit einem tragbaren Vitalwertemessgerät; die Kontaktpflaster kamen auf die Stellen an der Brust, falls es nötig sein würde, dem Herz einen Schock zu versetzen.
Artjom stand auf der Schwelle zum Bad, sah abwechselnd zu ihnen und zur geschlossenen Eingangstür des Appartements. Bislang verlief alles störungsfrei.
Beatmung und Herzmassage wurden fortgeführt, um das frisch eingeleitete Blut mit Sauerstoff anzureichern und durch die Adern zu pressen.
Die Ärztin gab noch...
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