Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
6
"Die Polizei hat mich gestern Abend auch schon angerufen", Manuelas Stimme klang verschreckt, "denen konnte ich auch nichts sagen. Ich weiß nicht, wo Simone ist. Sie hat sich bei mir nicht gemeldet."
In mir machte sich Enttäuschung breit. Mir war klar: Wenn jemand etwas hätte wissen können, dann am ehesten Manuela, Simones beste Freundin. Eine aus der Borketal-Clique, die sich jeden Morgen mit dem Zug zum Elisabeth-Gymnasium aufmachte. Die Lentroper und Hesperder Zugfahrer waren eine eingeschworene Truppe.
"Sie haben doch sicher ihre Handynummer?", fragte ich weiter.
"Ja, auch die habe ich der Polizei überlassen. Und ich hab natürlich auch selbst versucht sie zu erreichen, weil ich dachte -", Simones Schulkameradin zögerte, "na, weil ich halt dachte, mit mir spricht sie eher als mit der Polizei."
"Und?"
"Es läuft die Mailbox. Ich habe sie gebeten, sich unbedingt bei mir zu melden. Aber das hat sie bislang nicht getan."
"Gibt es andere Freundinnen, an die sie sich gewandt haben könnte?"
"Natürlich, aber wir stehen in ständigem Kontakt, und sie hat sich bislang nirgendwo gemeldet. Ich bin mit der Polizei alle Namen durchgegangen, die mir eingefallen sind. Einige hatte sie auch schon - von Ihnen, habe ich mir sagen lassen."
"Ja, das stimmt, ich habe gestern Abend angegeben, mit wem Simone in der Schule so zusammen ist."
"Zwei oder drei konnte ich noch ergänzen, aber wie gesagt - Simone hat sich nirgendwo gemeldet. Auch nicht bei Lena und Annabell, mit denen sie sich am Freitagabend treffen wollte."
"Annabell Giehs?", fragte ich nach.
"Ja, und Lena Schauerte. Die drei hatten sich verabredet. Lena hat ja schon den Führerschein. Die drei wollten sich um neun Uhr treffen und dann in die Disco fahren."
"So spät?"
"Wieso spät? Das ist am Wochenende völlig normal."
"Ach so." Ich war da offenbar völlig naiv.
"Jedenfalls hat Lena abends totale Migräne gekriegt und konnte nicht fahren. Deshalb hat sie den anderen eine SMS geschickt. Simone hat dann noch zurückgeschrieben, es wäre ihr ganz recht."
"Hat sie auch geschrieben, was sie stattdessen vorhatte?"
"Nein, leider nicht. Wir sind das auch schon zigmal durchgegangen. Lena hat gedacht, Simone wolle dann eben vorm Fernseher abhängen und früh ins Bett gehen. So hörte sich ihre Antwort wohl an."
"Wann war das genau? Ich meine, wann hat Simone geantwortet?"
"Lena hat relativ kurzfristig abgesagt. So gegen halb neun."
Ich überlegte einen Augenblick. "Simones Handynummer", sagte ich dann, "könnten Sie mir die geben?"
"Klar, wenn Sie Ihr Glück versuchen wollen."
Manuela diktierte mir die Nummer, ich wiederholte sie sicherheitshalber noch mal.
"Danke, Manuela", ich wollte das Gespräch schon beenden. Dann fasste ich mir doch noch ein Herz.
"Hatte Simone eigentlich einen Freund?"
Manuela zögerte, das war ganz unverkennbar.
"Nee, eigentlich nicht", sagte sie dann.
"Was heißt eigentlich?", hakte ich nach.
"Nein, sie hatte keinen." Manuelas Stimme war jetzt fest. "Sie war eben mehr so der schwärmerische Typ. Verliebte sich immer in welche, die sie eh nicht kriegen konnte."
Ich war nicht sicher, ob es Einbildung war. Vielleicht mein eigenes klebriges Gefühl. Aber mir war, als läge da etwas Unausgesprochenes in der Luft.
"Also kein Freund", hielt ich fest, nicht halb so souverän, wie ich eigentlich klingen wollte. "Ich dachte nur, weil man dann dort hätte nachfragen können."
Mein Satz klang so blöd, ich hätte ihn am liebsten nachträglich gelöscht. Dann hörte ich ein Klopfen in der Leitung. Jemand versuchte mich zu erreichen. Ich nutzte die Gelegenheit, das Gespräch schnell zu beenden, und nahm den neuen Anruf an.
Es war Max.
"Na endlich meldest du dich!", begrüßte ich ihn. "Ich hab dir zweimal auf die Mailbox gesprochen."
"Ja, ich weiß!" Ich hörte, dass Max aus dem Auto anrief. "Ich komme gerade aus einem Dorf bei Brilon, in dem Thorsten Hillebrandts Familie wohnt."
Mein Herz hüpfte. Dass mein Kumpel in der Ermittlungsgruppe mitarbeitete, freute mich sehr. Max war für mich ein Freund der ersten Stunde. Zumindest der ersten Stunde im Sauerland, was für mich eine der schwereren Stunden gewesen war. Dann holte mich die gegenwärtige Situation wieder ein.
"Und? Was ist mit Simone? Habt ihr sie gefunden?"
"Nein, leider nicht. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt." Max machte eine Pause. "Andererseits gibt es nach wie vor keinen Hinweis auf ein Verbrechen. Das ist doch auch schon mal was."
"Naja, das Blut .", warf ich ein.
"Das Ergebnis vom DNA-Test kommt erst morgen. Aber die Anordnung der Blutspuren ist recht eindeutig. Es sieht aus, als hätte jemand die Leiche angefasst und dann das Büro verlassen."
"Und was macht ihr jetzt?" Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme etwas Forderndes enthielt. "Wie geht ihr vor?"
"Tut mir leid, Vincent, dir das sagen zu müssen. Aber ich bin schon wieder abgezogen von dem Fall."
"Wie bitte? Warum denn das?"
"Ein Raubmord in Lüdenscheid. Wir müssen uns aufteilen."
"Aber warum? Das geht doch nicht! Hier wird doch jede Hilfe gebraucht."
"Es kommen weitere Kräfte." Max' Stimme klang selbst nicht überzeugt. "Soll heißen: Es ist nur eine Verschiebung."
"Aber warum musst ausgerechnet du jetzt wechseln? Du bist doch schon mittendrin. Du kennst dich hier aus. Du -"
"Vincent!" Max' Stimme war fest. "Ich fürchte, genau das ist das Problem. Marlene hat die Einteilung gemacht. Sie weiß, dass du involviert bist. Ich denke, sie hält mich für befangen."
Marlene. Max' Chefin. Jetzt wurde mir einiges klar.
"Ist da nichts mehr zu machen?"
"Ich werde sie noch einmal ansprechen, aber ich gehe nicht davon aus, dass sie sich umstimmen lässt."
"Verdammter Mist!", konnte ich mich nicht zurückhalten.
"Finde ich auch. Tu mir nur einen Gefallen. Halte dich raus!"
"Das kann ich nicht", brach es aus mir heraus. "Simone ist meine Schülerin. Sie hat mich angerufen." Eine Welle von Frust überkam mich. "Vergiss es!", sagte ich dann. "Fahr nach Lüdenscheid! Mach diesen Raubmord!"
7
Die Axt raste mit Wucht in die rot-silberne Plastikverkleidung. Es knackste und splitterte. Noch ein Schlag. Dieser war besser. Die Tastatur war nun in zwei Stücke zerlegt. Der nächste Hieb splitterte das Gerät in viele kleine Teilchen, die wild umherflogen. Das E rutschte von der Holzunterlage, als wollte es sich aus dem Staub machen.
Erst nach zwanzig Schlägen war Ruhe. Der Laptop bestand nun aus einer Masse handlicher Kleinteile.
Kleinteile, die sich wunderbar entsorgen ließen.
Gut, dass am nächsten Tag der Müll abgeholt wurde.
8
Der Samstag wollte nicht vergehen. Ein trüber, verhangener Februartag, der meine Stimmung zusätzlich drückte. Ich hatte inzwischen Simones Handynummer probiert. Es meldete sich lediglich die Mailbox. Dringend bat ich Simone um einen Rückruf und erklärte ihr, dass man sie als Zeugin brauche. "Falls Sie vor irgendetwas Angst haben", schob ich nach, "oder vor irgendwem, dann ist es sicher kein Problem, Ihnen Schutz zu gewähren. Ich bin sicher, die Polizei würde alles tun, um Sie aus der Schusslinie zu halten." Während ich es aussprach, wurde mir schlagartig klar, was ich da gerade gesagt hatte. "Simone", setzte ich daher noch einmal an, etwas unsicherer jetzt, "ich mache mir Sorgen." Das Blut schoss mir in den Kopf. Was konnte ich überhaupt Unverfängliches sagen?
"Wir alle machen uns Sorgen. Bitte melden Sie sich!"
Den Rest des Vormittags lungerte ich herum und wartete auf Neuigkeiten von Simone. In den Zeitungen war über den Mord noch nichts nachzulesen. Zu spät passiert. Natürlich hatte ich mich sofort auf die Lentroper Seiten gestürzt, die ich zuvor immer ignoriert hatte. Dabei war mir aufgefallen, dass eine Seite alt gewesen war. Tatsächlich stand am oberen Rand nicht der 9. Februar als Datum, sondern der 8. Als ich sie mit der Zeitung vom Vortag verglich, sah ich, dass ich recht gehabt hatte. Die Seite 6 war am Vortag schon einmal erschienen. Dafür konnte es nur einen Grund geben. Hillebrandt hatte es nicht mehr geschafft, seine Seite ans Druckhaus zu übermitteln!
Meine trüben Gedanken wurden nicht besser, als ich daran dachte, dass wir am Abend zur Silberhochzeit von Alexas Bruder eingeladen waren. Eine riesige Feier! Ich konnte mir bislang nicht vorstellen, ganz entspannt hinzugehen. Andererseits würde meine Frau es mir nie verzeihen, wenn ich mich drückte. Alexa ging mir schon den ganzen Tag aus dem Weg und versuchte, die Kinder von mir fernzuhalten. Sie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.