Schweitzer Fachinformationen
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»Verdammt, wo steckt Palmer? Diesen Termin haben wir bereits vor vier Tagen vereinbart.« Sein Gesicht verhärtete sich, während Direktor Schober den Empfangsraum vor seinem Büro durchquerte. »Ich bestehe auf Pünktlichkeit. Eine solche Respektlosigkeit lass ich mir nicht länger bieten.«
Seinen zwei Sekretärinnen stockte der Atem, als sie Direktor Schober hinterherblickten. Ohne von ihnen eine Antwort zu erwarten, stürmte er in sein Büro und knallte die Tür zu, als ob die Damen eine Schuld träfe.
Gut eine Minute später hörte er das Türschloss knacken und Palmer betrat sein Reich.
»Morgen, Herr Schober.« Ein Lächeln war in der Stimme erkennbar.
Schober stand beim kleinen Tisch mit Mineralwasser und Espressomaschine, den Rücken der Tür zugewandt. Er antwortete nicht. Die Maschine surrte, und Palmer roch frisch gebrühten Kaffee. Schober kippte sich Zucker in die Tasse und rührte viel zu angestrengt. Dann meinte er, immer noch mit dem Getränk beschäftigt: »Ich besteh darauf, dass auch Sie anklopfen, bevor Sie eintreten. Wo sind wir denn?« Als Chef war er es gewohnt, die Leute hereinzubefehlen. Jemanden zu bitten gehörte nicht in sein Repertoire.
Eben noch in allerbester Stimmung aufgrund eines liebenswürdigen Dankeschöns von einer betagten Kundin, welcher die Einkäufe zur Bushaltestelle getragen worden waren, blieb Palmer nun kerzengerade vor dem Besprechungstisch stehen.
Mit der Tasse in der Hand drängelte sich der Chef hinter Palmer vorbei zu seinem Sessel, wobei sich ein Kontakt nicht vermeiden ließ. Palmer verkrampfte die Schultern - er hasste es, von irgendwem berührt zu werden. Palmer setzte sich, ohne Aufforderung, was den Chef veranlasste, kurz beim Rühren in seiner Tasse innezuhalten.
Auch nachdem sich beide gesetzt hatten, gelang es Palmer nicht mehr, sich zu entspannen.
»Hören Sie«, gebot Schober, »ich will offen sein. Eigentlich hatten wir vereinbart, heute über die von Ihnen gewünschte Beförderung zu sprechen. Aber mir gefällt ganz und gar nicht, wie Sie hier aufkreuzen. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mich zu diesem Ton zwingen. Bald reicht's. Es gibt Tage, da sind Ihre Qualitäten offensichtlich. Andererseits bin ich mir nicht sicher, ob Sie uns mit Ihrer Arbeit nicht sogar mehr schaden als nützen. Mir scheint, Ihnen ist manchmal nicht klar, worin Ihre Aufgabe besteht. Sie sollen dafür sorgen, dass niemand etwas klaut. Punkt.« Er rollte mit seinem Bürosessel zurück und vergrößerte somit den Abstand zwischen sich und Palmer. Man musste kein Psychologe sein, um dieses Zeichen zu deuten. »Nehmen Sie sich ein Beispiel an Niedermann, den Sie zurzeit einarbeiten. Der hat Manieren.«
»Der will's bloß allen recht machen. Insbesondere Ihnen, wenn Sie erlauben«, sagte Palmer. »Der wird sich auch in einem Jahr nicht getrauen, auf Missstände hinzuweisen. Was ja eigentlich sein Job wäre.«
»Schluss jetzt. Geben Sie bloß acht, dass ich nicht gleich ihn statt Sie zum neuen Abteilungsleiter befördere.« Um den dampfenden Kaffee etwas zu kühlen, pustete er kurz in die Tasse, dann gönnte er sich einen kleinen Schluck. Sogleich verzog er sein Gesicht und setzte den Becher so energisch auf dem Tisch ab, dass Kaffee überschwappte. Mit zusammengekniffenen Augen gab er einen stillen Fluch von sich, während er seine Hand in der Luft hin- und herwarf. Dann lehnte er sich in seinen Sessel zurück, blickte Palmer in die Augen und ließ eine künstliche Pause entstehen.
Palmer starrte auf die kleine Kaffeepfütze.
Schober zog seinen Sakko etwas zurück und tupfte mit dem freigelegten Hemdärmel die kleine Kaffeelache vom Pult. Palmer hätte dankend abgelehnt, falls der Direktor einen Kaffee angeboten hätte. Aber das hatte er noch nie getan.
Nun neigte sich Palmer vor, wobei sich eine Strähne des langen Haars zwischen ihre Augen schob. Palmer war jener Typ Frau, die fantastisch aussah - auch ohne Make-up. Vielleicht etwas Wimperntusche und Eyeliner, aber zu überdecken gab's nichts. Sie streifte sich das dunkelblonde Haar hinters Ohr, dann legte sie beide Unterarme auf den Tisch und faltete die Hände, wobei sich die glatte Oberfläche durch den Stoff ihres schlichten Kostüms hindurch kühl anfühlte. Mit einem frostigen Lächeln meinte sie: »Das hör sich einer an. Für diesen Job scheint Ihnen Anbiederung wichtiger zu sein als Leistung. Niedermann hat noch nichts zustande gebracht und Sie wollen ihn bereits zu meinem Vorgesetzten befördern.« Sie schob den Unterkiefer vor und machte eine heftige Handbewegung. »Die Zahlen sprechen für mich. Seit ich hier arbeite, haben sich die Inventurdifferenzen halbiert. Damit habe ich einen großen Teil dazu beigetragen, dieses Warenhaus in die Gewinnzone zurückzuführen. Offensichtlich verrichte ich einen guten Job. Übrigens hab ich kein Problem damit, dass Ihnen die Komplimente etwas harzig über die Lippen gehen. Mir ist jedoch nicht klar, wieso ich ein Problem darstellen soll.«
»Nun überschätzen Sie sich mal nicht«, meinte Schober mit säuerlichem Lächeln.
»Moment. Sie wissen genau, dass die Zentrale diese Othello-Filiale dicht gemacht hätte, falls wir nicht innert zwölf Monaten schwarze Zahlen ausgewiesen hätten. Dann wären alle 220 Arbeitsplätze futsch gewesen. Auch Ihrer, nebenbei bemerkt.«
»Jetzt reicht's!«, explodierte er und schnellte hoch. »Beherzigen Sie eines: Ihre Arbeitskleidung ist im Pflichtenheft genau vorgeschrieben. Ihre Bluse ist okay. Aber knöpfen Sie sich gefälligst den Blazer zu. Warenhausdetektive haben jederzeit Korrektheit auszustrahlen.« Er setzte sich, lehnte sich weit zurück und atmete tief ein. »Sie haben unauffällig die Abteilungen im Auge zu behalten, um Kundinnen und Kunden beim Diebstahl zu erwischen.«
Palmer hatte sich tatsächlich die Freiheit rausgenommen, den Blazer ihres dunkelblauen Kostüms auch mal offen zu tragen. Wie auf sein Stichwort hin rutschte sie etwas nach vorne und wand sich aus ihrem Blazer. Diesen hängte sie über die Rückseite der Lehne ihres Sessels.
Seine Augen folgten ihrem Tun.
Ihr war, als bliebe sein Blick etwas zu lange auf ihrer Bluse hängen.
Unter ihrem Arbeitsdress verbarg sich eine schlanke, gut trainierte Figur einer Frau Ende 20. Schober war dies nicht entgangen. In Designermode wär sie als Model durchgegangen, hätte sie etwas darauf gegeben. Er erinnerte sich gut, wie er ihr ein gut gemeintes Kompliment gemacht hatte, sie sei eine attraktive Frau mit einem Gesicht, das ihr alle Möglichkeiten offen lasse und ihr viele Ziele zu erreichen erlaube. Palmer hatte ihm aber unmissverständlich klargemacht, dies sei nicht ihre Art. Sie wolle aufgrund ihrer Leistung punkten und keinen Job innehaben wegen ihres Äußeren, erst recht nicht, um eine Quote zu erfüllen.
Palmer schüttelte den Kopf und holte ihn in die Gegenwart zurück.
»Ich verfolge eine andere Strategie. Alle Leute im Haus sollen mich rechtzeitig entdecken. Statt Diebe zu überführen sollen sie erst gar nichts klauen. Mit meiner Präsenz will ich sie vertreiben. Möglichst zu unserer Konkurrenz.« Sie lächelte.
»Was war das gestern, diese katastrophale Vorstellung, als sich ein Kunde über Ihren Auftritt beschwerte, weil er von der Verkäuferin zu wenig Wechselgeld erhielt? Wie mir zu Ohren gekommen ist, haben Sie sich alles andere als freundlich verhalten.«
»Ich werde nicht dafür bezahlt, nett zu sein, sondern misstrauisch. Offensichtlich lesen nicht mal Sie meine Betrugswarnungen am Schwarzen Brett.«
»Ihre 100 beliebtesten Betrügertricks hab ich höchstpersönlich entfernt.« Er schnaubte. »Es kann doch nicht sein, dass wir allen unseren Mitarbeitern eine pfannenfertige Gebrauchsanweisung liefern, wie man den Arbeitgeber ausnimmt. Ihre Auflistung brachte Ihnen von mir eine schriftliche Verwarnung mit Kündigungsandrohung ein. Machen Sie es mir nicht noch einfacher, Sie auf die Straße zu stellen.«
»Ausgerechnet mit einem der Tricks auf meiner Liste hätte sich dieser Kerl vorgestern in der Handtaschenabteilung beinahe einen Tausender in bar ergaunert. Wäre ich nicht energisch dazwischengetreten, wäre das Geld jetzt flöten.« Sie sah ihn an, als hätte er sie verprügelt. »Ich bin völlig anderer Meinung als Sie. Unsere Mitarbeiter müssen wissen, dass wir alle ihre Tricks, aber auch jene der Betrüger kennen. Sie müssen sich im Klaren sein, dass wir sie kontrollieren, ihnen aber bei Bedarf auch zur Seite stehen. Jeder muss wissen, dass wir bei Betrügereien alle erwischen. So naiv darf doch die Freundlichkeit unserer Leute an der Kundenfront nicht sein, dass sie einem Kunden Geld aushändigen, nur weil dieser lauthals behauptet, es gehöre ihm. Aber gut, Ihnen verrate ich gerne, was vorgestern abgelaufen ist, obwohl Sie als Chef auch dieses Mätzchen längst kennen müssten.« Sie seufzte. »Der Kunde hat sich für eine goldfarbene Geldbörse für neun Franken entschieden. Als er das Wechselgeld auf seinen Fünfziger in seine Hand herausgezählt erhielt, protestierte er lauthals, er habe mit einem Tausender bezahlt. Damit hat er die Aufmerksamkeit der anderen Mitarbeiterinnen und der anwesenden Kundinnen erlangt. Mit empörter Stimme hat er seinem Publikum erklärt, was ihm eben zugestoßen ist. Alle Erklärungsversuche und Beteuerungen der betroffenen Kassiererin wischte er mit entrüsteter Handbewegung beiseite. Nach kurzem Hin und Her beruhigte er sich etwas und ein wissendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Denn er erinnere sich, dass er am Tag zuvor einen Anruf aufs Handy erhalten habe. Seine Schwester hätte ihm ihre neue Telefonnummer mitgeteilt. Und weil er keinen...
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