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In diesem Kapitel werden zunächst die Grundlagen der Rechtsprechung zum betrieblichen Geltungsbereich dargestellt, bevor in den folgenden Kapiteln auf die einzelnen Regelungen des VTV Bau eingegangen wird, die den betrieblichen Geltungsbereich definieren.
Aus § 1 Abs. 2 Abschnitt VI VTV ergibt sich, dass von einem Baubetrieb nicht bereits dann auszugehen ist, wenn in diesem bauliche Tätigkeiten der Abschnitte I bis V verrichtet werden. Die baulichen Tätigkeiten müssen vielmehr überwiegen. Überwiegen bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts,7 dass diese Tätigkeiten mehr als 50 % der Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer und damit der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmachen müssen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie Umsatz und Verdienst, und auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an. Allein maßgeblich ist der Anteil der Arbeitszeit in dem Betrieb, der auf bauliche Tätigkeiten entfällt. Sofern in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend bauliche Tätigkeiten verrichtet werden, fällt dieser insgesamt unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV Bau.8 Demnach genügt es nicht, wenn in einem Betrieb zur Hälfte der Arbeitszeit bauliche Tätigkeiten verrichtet werden, es ist erforderlich, dass mehr als 50 % der Tätigkeiten baulicher Natur sind.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht darauf ankommt, dass eine einzelne bauliche Tätigkeit zu mehr als 50 % der Arbeitszeit in dem Betrieb verrichtet wird. Verschiedene vom Betrieb verrichtete bauliche Tätigkeiten sind zu addieren, sodass ein Baubetrieb auch dann vorliegt, wenn arbeitszeitlich zu jeweils 20 % drei verschiedene bauliche Tätigkeiten (z. B. Fliesenlegen, Verputzen und Maurerarbeiten) verrichtet werden.9 Dies ist bei sogenannten "Mischbetrieben" sehr häufig der Fall.10 In der Praxis gibt es viele Betriebe, die nicht lediglich eine Haupttätigkeit verrichten, sondern zahlreiche verschiedene bauliche und nicht bauliche Tätigkeiten. Diese Tätigkeiten sind bei der Beurteilung der Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs in zwei Gruppen zu unterteilen - die baulichen Tätigkeiten und die nicht baulichen Tätigkeiten. Sodann ist zu schauen, welche dieser beiden Gruppen arbeitszeitlich den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit darstellt.
Der maßgebliche Zeitraum für die Beurteilung, ob ein arbeitszeitliches Überwiegen von baulichen Tätigkeiten vorliegt, ist das Kalenderjahr.11 Die Maßgeblichkeit des Kalenderjahres ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem VTV Bau. Aus diesem ergibt sich jedoch, dass der 01. Januar eines Jahres jeweils der Stichtag ist, an dem der Arbeitgeber prüfen muss, ob sein Betrieb unter den fachlichen Geltungsbereich der Bautarifverträge fällt, weil er dann für das laufende Jahr die erforderlichen Unterlagen erstellen muss. Die Wahl eines längeren, festen Zeitraums - wie dem Kalenderjahr - ist weiterhin erforderlich, um Schwankungen, denen die Tätigkeiten im Baugewerbe bereits aufgrund der Witterungsbedingungen unterliegen, ausgleichen zu können. Die Wahl eines kürzeren Zeitraums - z. B. des Kalendermonats oder der Kalenderwoche - würde dazu führen, dass ein Betrieb aufgrund von saisonalen Schwankungen zeitweise der Geltung der Bautarifverträge unterfiele und teilweise nicht, obwohl sich an seiner Zweckbestimmung und der Einrichtung des Betriebs nichts ändert. Dies würde die Betriebe und die Sozialkassen nicht nur vor erhebliche praktische Probleme stellen und zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, sondern auch dem Sinn und Zweck der Tarifverträge des Baugewerbes widersprechen, Betriebe grundsätzlich als Ganzes zu erfassen.12
Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Betrieb nur für einen Teil des Jahres überhaupt Tätigkeiten entfaltet (hat). Wurde die betriebliche Tätigkeit daher erst im Laufe des Jahres aufgenommen oder wurde sie im Laufe des Jahres eingestellt, ist lediglich der Zeitraum des Kalenderjahres maßgeblich, während dem die betriebliche Tätigkeit ausgeübt wurde.13
Das Gleiche gilt, wenn sich die Zweckbestimmung im Laufe des Jahres geändert hat, der Betrieb z. B. in der ersten Jahreshälfte ganz überwiegend bauliche Tätigkeiten verrichtet hat und aufgrund einer unternehmerischen Entscheidung des Betriebsinhabers ab der zweiten Jahreshälfte ganz überwiegend nur noch baufremde Tätigkeiten verrichtet werden und in Zukunft weiterhin verrichten werden sollen.14 An das Vorliegen einer solchen Zweckänderung sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Es muss nicht nur eine unternehmerische Entscheidung getroffen worden sein, den Betriebszweck dauerhaft zu ändern. Die Umsetzung dieser Entscheidung muss zumindest auch schon greifbare Formen angenommen haben.
Für die Bewertung, ob es sich bei einem Betrieb um einen solchen handelt, der überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet oder nicht, kommt es in der Regel allein auf die Tätigkeiten der Arbeitnehmer des Betriebs an.15 Der VTV Bau regelt Arbeitsverhältnisse und die normzweckorientierte Auslegung ergibt, dass das von den Tarifvertragsparteien geforderte Überwiegen baulicher Leistungen an der überwiegenden Arbeitszeit der Arbeitnehmer festzumachen ist.16 Weiterhin bestehen Beitragsansprüche nach dem VTV Bau nur bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern.17
Der VTV Bau kennt zwei Gruppen von Arbeitnehmern - Angestellte und gewerbliche Arbeitnehmer (vgl. hierzu Kapitel 2.8). Vorrangig ist bei der Beurteilung, ob ein Baubetrieb i. S. d. VTV Bau vorliegt, auf die Tätigkeiten der gewerblichen Arbeitnehmer abzustellen. Die Tätigkeiten der gewerblichen Arbeitnehmer eines Betriebs geben diesem in der Regel sein Gepräge. Die Tätigkeiten von Angestellten sind für den betrieblichen Geltungsbereich des VTV Bau in aller Regel nicht von Bedeutung.18 Angestellte verrichten in den Betrieben, für die die Geltung des VTV Bau in Betracht kommt, in der Regel Tätigkeiten, die für den Zweck des Betriebs nicht prägend sind (Buchhaltung, Verwaltung etc.). Bei den meisten der in Betracht kommenden Angestelltentätigkeiten handelt es sich um Zusammenhangsarbeiten (vgl. hierzu Kapitel 6), die der Erbringung der Haupttätigkeit des Betriebs dienen, welche wiederum durch die gewerblichen Arbeitnehmer erbracht wird. Es ist demnach regelmäßig zu überprüfen, ob in einem Betrieb zu mehr als der Hälfte der Arbeitszeit aller gewerblichen Arbeitnehmer Tätigkeiten erbracht werden, die unter § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis V VTV Bau fallen.19
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn auch durch Angestellte Tätigkeiten verrichtet werden, die dem operativen Bereich zuzuordnen und für den Betriebszweck prägend sind.20 Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn durch Angestellte Verkaufstätigkeiten verrichtet werden. Verkauft ein Betrieb Bauteile und baut diese auch teilweise ein, kann der Betrieb auch ein Handelsbetrieb sein, dessen Tätigkeit überwiegend durch die Tätigkeit der im Verkauf tätigen Angestellten geprägt wird.21
Auch die Tätigkeit des Arbeitgebers oder eines gesetzlichen Vertreters des Arbeitgebers (Geschäftsführer etc.) ist grundsätzlich für die Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs des VTV Bau nicht von Relevanz.22 Nur ausnahmsweise kann es bei Abgrenzungsschwierigkeiten auf die Tätigkeit des Arbeitgebers selbst oder eines gesetzlichen Vertreters des Arbeitgebers ankommen. Lediglich dann, wenn der oder die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Betriebs nur Nebenarbeiten und Zusammenhangstätigkeiten ausüben, die ausschließlich der Haupttätigkeit des Arbeitgebers oder seines gesetzlichen Vertreters dienen, ist auf die Tätigkeit des Arbeitgebers oder seines gesetzlichen Vertreters abzustellen.23 Um eine Zuordnung bei Betrieben vorzunehmen, bei denen die Haupttätigkeit allein durch den Arbeitgeber oder seinen gesetzlichen Vertreter verrichtet wird und die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten lediglich Tätigkeiten verrichten, die den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes unterstützen und fördern, ist ausnahmsweise auf die Tätigkeit des Arbeitgebers bzw. seines gesetzlichen Vertreters abzustellen. In einem solchen Fall sind etwaige bauliche Leistungen des Betriebsinhabers in die Prüfung des Vorliegens eines Baubetriebs selbst miteinzubeziehen, weil der arbeitstechnische Zweck...
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