Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
»Verdammt, warum dauert das denn so lange?«
Gerald warf Will einen abschätzenden Blick zu. Seit ihrer Auseinandersetzung am Vorabend hatten sie nur wenige Worte miteinander gewechselt. Wie er selbst hatte Will sich zurückgehalten. Wahrscheinich hatte Connor ihm ebenfalls ins Gewissen geredet.
»Keine Ahnung, vielleicht sollte jemand Tim mal erklären, dass er die Motorsäge erst anwerfen muss, ehe er damit einen Baum fällen kann«, antwortete Gerald. Die frostige Stimmung aufzulockern konnte nicht schaden. Tatsächlich reagierte Will mit einem breiten Grinsen und hob das Funkgerät an seinen Mund. »Hey Tim, hast du die Motorsäge auch an? Wenn du noch länger für diesen verfluchten Baum brauchst, frieren wir hier noch fest. Over.« Kleine Wölkchen stiegen vor Wills Mund auf. Obwohl heute kein Wind die Temperaturen noch frostiger wirken ließ, war es eisig kalt.
»Scheiße Will, dieser Baum ist hart wie Beton. Aber ich glaube, ich hab ihn gleich«, hörte Gerald Tims Antwort keuchend durch das Mikrofon des Funkgerätes. Im Hintergrund war das Brummen der Motorsäge zu hören. Ein seltsames Gefühl regte sich in Geralds Magengrube. Etwas stimmt nicht mit diesem Baum. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er gestern deutlich mehr Bier als gewöhnlich getrunken und kaum geschlafen hatte. Wie bereits befürchtet, hatte ihn ein grauenvoller Albtraum aus dem Schlaf gerissen.
»Die Motorsäge benutzt er wohl richtig. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis wir an die Arbeit dürfen.« Will wandte sich mit einem Kopfschütteln ab und ging zu ihren eigenen Motorsägen hinüber, die sie auf dem Stumpf des zuvor gefällten Baumes abgestellt hatten, den Jackson bereits mit dem Helikopter abtransportiert hatte. Gerald sah ihm nachdenklich hinterher. Aus diesem Kerl wurde er einfach nicht schlau. Nachdem er ihn gestern aus einer Laune heraus vermutlich windelweich geprügelt hätte, wäre Connor nicht dazwischen gegangen, griff er jetzt seinen Scherz auf.
»Was ist, Kleiner? Hast du schon Wurzeln geschlagen?« Grinsend drehte Will sich zu ihm herum. Der lachende Ausdruck in seinen Augen wich jähem Schrecken. Gerald wusste was passierte, noch ehe er seinem Blick folgte. Das dumpfe Knarzen und das Brechen von Ästen verrieten ihm, dass der Baum fiel.
»Lauf!«, schrie Will, doch Geralds Beine waren schwer wie Blei. Stille. Gerald drehte sich wie hypnotisiert um und sah, dass sich die Äste der Fichte mit denen der danebenstehenden verhakt hatten. Über ihm schwebend verharrte sie in der Luft. Gerald atmete schwer. Er schaffte es einfach nicht, sich von der Stelle zu bewegen. Wieso fiel der Baum in ihre Richtung? Er sollte meterweit von ihnen entfernt zu Boden stürzen .
Als der plötzlich aufkommende Wind den Baum aus seiner Verankerung löste, konnte er nur noch die Arme schützend vors Gesicht reißen. Dichtes Astwerk umfing ihn und riss ihn von den Beinen. Gerald spürte seinen Körper nicht mehr, als er begraben unter dichtem Grün auf dem Boden lag und nach Atem rang. Ein stechender Schmerz durchzuckte seine Brust. Der Geschmack nach Blut breitete sich auf seiner Zunge aus. »Gerald!« Wills Schreien drang aus weiter Ferne an sein Ohr. Gerald japste krampfhaft, aber er konnte einfach nicht richtig atmen. Blut rann ihm über die Stirn und in die Augen und vernebelte seine Sicht. Dann wurde es schwarz um ihn herum.
»Anna!« Gerald kämpfte sich von der weichen Unterlage in die Höhe. Die Lichter, die auf sie zugekommen waren. Annas Schrei. Ein harter Aufprall. Gerald konnte das kreischende Geräusch immer noch hören, mit dem das Metall seines Wagens bei dem Zusammenstoß geborsten war. »Anna . Ich muss zu ihr«, rief er verzweifelt und stemmte sich erneut gegen die scheinbar unzähligen Hände, die ihn auf die Unterlage zurückdrängten. Er ignorierte den beißenden Schmerz, den das grelle Licht der Deckenbeleuchtung in seinem Kopf auslöste, und wehrte sich verbissen.
»Beruhigen Sie sich, Mr. Turner. Bitte«, bat ihn eine Stimme eindringlich. Sie klang besorgt. Gerald wandte den Kopf und sah in das Gesicht der hübschesten Frau, die er je gesehen hatte. Benommen versuchte er zu erfassen woher er sie kannte, während er sich weiter gegen die vielen Hände stemmte, die ihn festhielten.
»Ich spritze Ihnen etwas zur Beruhigung, Mr. Turner. Sie müssen sich unbedingt ausruhen«, sagte eine andere, viel dunklere Stimme. Gerald drehte mühsam den Kopf in die Richtung, aus der sie gekommen war. An seiner anderen Seite stand ein Mann in einem weißen Kittel. Er sah konzentriert auf das Medikamentenfläschchen in seiner Hand und zog eine Spritze auf. Er wollte ihn betäuben. »Nein!«, schrie er und entriss der jungen Frau seinen Arm. Er würde nicht zulassen, dass sie das taten. Sie würden ihm nicht sagen, dass Anna tot war. Sie musste unglaubliche Angst haben. Er wollte sie sehen, ihre Hand halten, sich von ihr verabschieden.
Gerald presste wütend die Lippen aufeinander, als er wieder auf sein Lager zurückgedrängt wurde und nichts anderes tun konnte, als dabei zuzusehen wie der Arzt ihm die Spritze in den Arm drückte. »Anna«, murmelte er nur wenig später schläfrig. »Ich will doch nur zu ihr.«
»Was ist passiert?« Gerald stöhnte, als er flatternd die Lider öffnete. Sein Schädel fühlte sich an als würde er gespalten. Er blinzelte in das gedimmte Licht und drehte vorsichtig seinen Kopf.
»Wo bin ich?«, fragte er Connor leise, der an seinem Bett auf einem Stuhl saß und seine Hände betrachtete. Überrascht blickte er auf. »Du bist wach«, stellte er fest und atmete zittrig ein und aus.
»Wo bin ich?«, widerholte Gerald leise.
»Verflucht, Junge, bin ich froh, dich sprechen zu hören«, sagte Connor und sah erleichtert aus. »So wie du geblutet hast, dachten wir alle, dass du das nicht überleben würdest.« Er schüttelte gedankenverloren den Kopf und betrachtete erleichtert Geralds Gesicht. »Ich gehe schnell die Krankenschwester holen. Bin gleich wieder da«, murmelte er und verschwand durch die Tür.
Gerald sah sich benebelt um. Nur langsam kehrte die Erinnerung zurück. Er war eingeklemmt gewesen und hatte nicht richtig atmen können . Um ihn herum standen allerhand piepende und blinkende medizinische Geräte. Elektroden klebten auf seiner nackten Brust, um die ein dicker Verband geschlungen war. Tropfen für Tropfen rann eine klare Flüssigkeit durch einen Schlauch direkt in seinen Arm.
Gerald wagte es nicht, sich die Nadel zu ziehen. Stattdessen zog er die Klemme ab, die an seinem Zeigefinger befestigt war, und setzte sich vorsichtig auf. Sein Schädel pochte dumpf, und vor seinen Augen zuckten kleine Lichtblitze. Dennoch kämpfte er sich in die Höhe. Das Zimmer schien sich plötzlich zu drehen. »Fuck«, fluchte er leise und ließ sich, halb sitzend, zurück ins Kissen sinken.
Er wollte weg von hier. Er hasste Krankenhäuser. Als er das letzte Mal in einem aufgewacht war, hatte er erfahren, dass seine kleine Schwester tot war. Während er im künstlichen Koma gelegen hatte, hatte sie nur wenige Zimmer von ihm entfernt um ihr Leben gekämpft und verloren - fünf Tage nach ihrem neunten Geburtstag. Sie war einfach fort gewesen, als er aufgewacht war. Gerald war bewusst, dass es eine Erinnerung war. Doch der Schmerz war plötzlich so frisch und so nah, dass es ihm nur mühsam gelang, sich an der Oberfläche der Dunkelheit aus hilflosem Entsetzen und Verzweiflung zu halten.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Turner?«, durchbrach eine helle Stimme seine Gedanken.
»Also, Junge, ich geh dann mal. Sie wollen dich jetzt bestimmt untersuchen und so. Ich schau morgen wieder vorbei, bevor wir aufbrechen, okay?«, verabschiedete sich Connor, der neben einer Krankenschwester ans Fußende des Bettes trat. Verlegen drehte er seine Wollmütze in den Händen und schien nicht recht zu wissen, wie er mit der Situation umgehen sollte. Gerald nickte ihm zu und Connor trat eilig den Rückzug an. Gerald starrte ihm hinterher, um nicht in seine Erinnerungen abzudriften. Connor war der Beweis, dass er Jahre zwischen sich und die Vergangenheit gebracht hatte.
»Mr. Turner?«
»Mein Kopf tut weh«, antwortete er der Krankenschwester abwesend.
»Na das ist auch kein Wunder. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung und sollten ruhig liegen bleiben.« Beherzt griff sie zu und half Gerald, sich wieder flach auf den Rücken zu legen. »Außerdem sollten Sie Ihre Finger vom Pulsoximeter lassen, solange ein Arzt nicht anordnet, ihn zu entfernen. Er misst den Sauerstoffgehalt in Ihrem Blut«, tadelte sie Gerald leise und griff nach seiner Hand, um den Clip wieder an seinem Platz zu befestigen. Ein sanftes Kribbeln durchflutete Gerald, als ihre warmen Finger sich um seine Hand legten. Ein süßer Duft umhüllte ihn, und zum ersten Mal, seit sie das Zimmer betreten hatte, sah er der Krankenschwester ins Gesicht.
»Julie?«, fragte er überrascht. Sie sah mit dem dunkelblauen Shirt und der dazu passenden Hose anders aus. Die dunklen Haare, die ihr bei ihrer ersten Begegnung in sanften Wellen über die Schultern geflossen waren, trug sie zu einem strengen Knoten im Nacken zusammengebunden. Aber sie war es eindeutig.
Julie verlangsamte für einen Moment ihre Arbeit, Geralds Kissen zu richten. Ihre Augen huschten unsicher über sein Gesicht. Dann aber fuhr sie fort und schob Gerald das frisch aufgeschüttelte Kissen vorsichtig unter den Kopf. »Sie erinnern sich an mich?«
Gerald folgte ihr mit seinem Blick, als sie ihm den Rücken zuwandte und den Monitor des Gerätes überprüfte, das nun wieder den Sauerstoffgehalt in seinem Blut maß. »Natürlich erinnere ich mich. Es ist...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.