Schweitzer Fachinformationen
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Bei der Traumabehandlung muss man erst einmal sichere Rahmenbedingungen herstellen, für genügend Selbstkontrolle sorgen, d. h., der Patient muss immer »Herr des Verfahrens« bleiben, um nicht die hilflos machenden Situationen in der Therapie noch einmal zu erleben. So wird z. B. beim EMDR ein Stoppsignal vereinbart, wenn es dem Patienten zu viel wird. Wie bei jeder Therapie muss eine wertschätzende, transparente Atmosphäre hergestellt werden.
Es geht im Einzelnen um (Frommberger et al. 2023a):
Innere und äußere Stabilisierung
Ressourcenorientierung
Wissen und Verstehen von Trauma und Traumbewältigung, was Neubewertung ermöglicht
Förderung von Zielorientierung, aktivem Handeln und Selbstwirksamkeit
Verbesserung von Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation
Förderung sozialer Kompetenz
Traumakonfrontation mit Habituation und Aufbau aktiver Bewältigungsstrategien
Arbeit an dysfunktionalen Kognitions- und Verhaltensmustern
Akzeptanz nicht zu ändernder Traumafolgen
Langfristige Rückfallprophylaxe
Der viel zu früh verstorbene Pionier der Verhaltenstherapie Grawe (1943-2005) hat die allgemeinen Wirkfaktoren von Psychotherapie beschrieben. Jede funktionierende Psychotherapie besitzt Elemente der genannten Faktoren, dies gilt auch für jede Traumatherapie. Wirkfaktoren sind (Frommberger et al. 2023a):
Qualität der therapeutischen Beziehung
Ressourcenaktivierung: Fähigkeiten und Interessen des Patienten werden im therapeutischen Prozess genutzt.
Problemaktualisierung: Die Probleme, die bearbeitet werden sollen, werden erfahrbar gemacht, z. B. durch Aufsuchen realer Situationen oder durch Techniken wie Imaginationsübungen, Konfrontation, Rollenspiele.
Motivationale Klärung: Die Therapie fördert ein besseres Verstehen der grundlegenden Zusammenhänge bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Problematik.
Problembewältigung: Der Patient wird mit problemspezifischen Methoden ausgestattet, die ihm positive Bewältigungsstrategien vermitteln. Dies steigert die Selbstwirksamkeit, reduziert etwaiges Hilflosigkeitserleben.
Wichtig ist es, bei der Traumatherapie planvoll vorzugehen. Ins Blaue therapieren schadet, stattdessen ergibt sich im Grunde direkt aus den allgemeinen beschriebenen Wirkfaktoren die Planung, dies gilt in ähnlicher Form eigentlich in jeder Therapie (Frommberger et al. 2023a):
Eingangsphase und Klärung der Ausgangsbedingungen
Entwicklung einer tragfähigen therapeutischen Beziehung
Motivationsklärung (aktive Therapie- und Veränderungsmotivation klären und aufbauen)
Diagnostik und Indikationsstellung (dazu zählt auch die Abklärung somatischer Diagnosen)
Differenzielle Indikationsstellung, Entscheidung: Stabilisierung oder Traumakonfrontation
Gemeinsame Entwicklung der Therapieziele
Prüfen, ob ausreichende Stabilität vorliegt für Traumakonfrontation, sonst Arbeit an Stabilisierung
Wahl der geeigneten Methode (z. B. EMDR)
Durchführung der Therapie
Evaluation des Fortschritts
Perspektivenklärung und Rückfallprophylaxe
Beendigung der Behandlung und Abschlussevaluation
Früher hat man mögliche Risiken und Nebenwirkungen von Therapien - welcher Art auch immer - gerne verschwiegen, aber Therapie kann, wenn sie schlecht durchgeführt wird oder das Setting nicht stimmt, auch schaden, deswegen sollte man sich der folgenden Risiken bewusst sein (Graul et al. 2023).
Bei Nebenwirkungen oder Therapieschäden kann man unterscheiden:
Misserfolge (Nichterreichen der Therapieziele)
Unerwünschte Nebenwirkungen (nicht erwartete anhaltende Symptomverschlechterungen)
Therapieschäden (Neuauftreten nachhaltiger Störungen, gravierende selbstschädigende Verhaltensweisen (Linden & Strauss 2012; Schwartze & Strauss 2018)
Schigl und Gahleitner (2018) unterscheiden hinsichtlich therapeutischer Fehler:
Alltagsfehler im Sinne einmaliger Fehlhandlung
Fehler in schwierigen Situationen
Ethische Vergehen
Selbst bei angemessener Therapie zeigt sich bei bis zu 30 % der Patienten keine Besserung und bei 10 % eine Verschlechterung. Bei PTBS gibt es bis zu 40 % Non-Responder.
FALLBEISPIEL
Traumatherapie kann auch richtig schiefgehen und muss gut geplant werden:
So habe ich einmal den Fall mitbekommen, dass ein Therapeut bei einer Patientin, die absolut fassadär erschien, verfrüht mittels EMDR begann zu arbeiten. Das Ergebnis war, dass der Patientin plötzlich ein jahrelanger Missbrauch einfiel und sie von einem Flashback in den nächsten stolperte, sodass die Traumasymptomatik kaum zu »deckeln« war. Man sollte Traumatherapie gut vorbereiten und sich eine Menge Zeit nehmen, vor allem zum Vertrauensaufbau. Der Patient muss sich außerdem als Erstes richtig wohl bei einem fühlen, was angesichts des oftmals bestehenden Misstrauens gegenüber der Welt aufseiten der Patienten niemals leicht zu erreichen ist.
Damit ganz generell Psychotherapie funktioniert, muss eine gute Arbeitsbeziehung zwischen Patient und Therapeut entstehen. Damit es hierbei keine gravierenden Schwierigkeiten gibt, sollte der Patient in alle relevanten Entscheidungen einbezogen und eine regelmäßige Rückmeldung eingeholt werden. Überdies sollte der Patient über alle Wirkungen und Nebenwirkungen der Therapie aufgeklärt werden. Und seitens des Therapeuten ist es ebenfalls wichtig, auch einmal Fehler einräumen zu können. Man sollte ein funktionierendes Fehlermanagement besitzen.
Ein gutes KRM (Klinisches Risikomanagement) besteht aus folgenden Punkten (Graul et al. 2023):
Identifizierung (Was ist passiert?)
Analyse (Was sind die Ursachen?)
Risikobewertung (Wie ist die Schadensschwere und Wiederholungsgefahr?)
Lösungsentwicklung (Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden?)
Ableitung von Maßnahmen und Umsetzung (Wer wird gebraucht, wer ist verantwortlich?)
Bewertung (Haben die Maßnahmen den gewünschten Erfolg gehabt?)
Traumatherapeutische Techniken sind manchmal etwas absonderlich. Da wird z. B. bei EMDR mit dem Finger in der Luft geschwenkt. Da fragt sich der eine oder andere Patient, ob er wohl beim Schamanen gelandet ist. Das kann den Patienten massiv verunsichern und die Arbeitsbeziehung belasten. Daher nehme ich mir z. B. immer eine ganze Stunde Zeit und erkläre anhand eines Vortrags an meinem Computer Schritt für Schritt das Vorgehen. Seitdem ich das mache, verlaufen die Therapien viel »smoother«. Die Investition lohnt sich.
Im Allgemeinen gelten folgende Kontraindikationen für Traumatherapie: Verhaltensweisen wie Suizidalität, psychotische Symptome, dissoziative Symptome, Selbstverletzungen, Fremdaggression, Substanzkonsum, die zu schwerwiegenden Störungen der Verhaltenskontrolle führen. Sie stellen relevante Kontraindikationen für ein traumafokussiertes Vorgehen dar. Allerdings weicht sich dies in der Praxis zunehmend auf. So habe ich festgestellt, dass man selbst suizidale Gedanken oft mit ressourcenorientierten Techniken gut behandeln kann, wenn die therapeutische Beziehung stimmt. Selbstverletzungen können bei reinem Arbeiten im Ressourcenmaterial (z.B Verankerung positiver Bilder; s. EMDR-Teil) oft weniger werden. Psychotische Symptome können oftmals auch adressierbar sein, habe ich festgestellt. Es ist ein Unterschied, ob es sich um einen drogeninduziert psychotischen Patienten handelt - da würde ich es nicht versuchen - oder um jemanden, der gut im therapeutischen Kontakt steht und eher flüchtige psychotische Gedanken hat (Keller et al. 2023b).
Zu den Kontraindikationen zählt auch, die Behandlung bei jemandem durchführen zu lassen, der darin schlecht ausgebildet ist.
Einmal kam eine Patientin, deren Therapeut sie auf den Rücken legte und EMDR im Liegen (!) durchführte. Nicht die beste Idee, die Therapie in einer so regressiven Position durchzuführen. Danach dissoziierte die Patientin...
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