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In der Liebe gibt es mehr als nur schwarz-weiß ...
Textilfärberin Hailey Cameron führt eine kleine Boutique auf der schottischen Isle of Mull. Neben den Färberpflanzen sind Filme ihre ganz große Leidenschaft. Daher ist sie hellauf begeistert, als auf der Insel ein Hollywood-Film gedreht werden soll - und zwar von niemand anderem als ihrem Jugendfreund Logan Wallace. Hailey freut sich darauf, ihn endlich wiederzusehen. Kaum dass die Crew die Insel betreten hat, verbringt sie jede freie Minute am Filmset und macht sich durch ihre hilfsbereite Art unentbehrlich. Doch ausgerechnet Logan will sie vom Set verbannen. Was hat er bloß gegen Hailey?
ISLE OF MULL VOR SIEBZEHN JAHREN
Hailey zwang sich, die regennasse Treppe sehr langsam hinabzustürmen. Quasi in Zeitlupe. Sie hatte sogar genug Zeit zu bemerken, dass die Luft mit jeder Stufe ein wenig kühler wurde. Richtig kalt war es direkt vor der Kellertür, wo sie fast zwei Sekunden lang innehielt, um sich zu sammeln. Benimm dich wie eine Fünfzehnjährige. Im Schneckentempo riss sie die Tür mit dem Schild »Zutritt ab 16« auf, das sie seit fast zwei Jahren erfolgreich ignorierte.
»Logan, ich habe Geburtstag!«
Wie üblich hockte Logan mit dem Rücken zum Eingang in dem abgewetzten Ledersessel an dem wackeligen blauen Metalltisch, umgeben von Bergen Elektronik. Er teilte sich den Sessel mit seinem geliebten Kabelgewirr, das sich auf dem Tisch fortsetzte. Die Kabel schlängelten sich zwischen fünf kleinen Fernsehern, drei Videorecordern und zwei Kameras hindurch und hielten Logans Welt zusammen. Vielleicht sogar die ganze Welt. Jedenfalls hätte Hailey es niemals riskiert, irgendwo den Stecker zu ziehen. Auch wenn es ihr manchmal in den Fingern juckte, den stets laufenden Fernseher zum Schweigen zu bringen, um Logans ungeteilte Aufmerksamkeit zu erhalten. Wie das wohl wäre? Ob es jemanden gab, den er lieber auf eine einsame Insel mitnehmen würde als die Flimmerkiste? Auf keinen Fall. Schließlich steckten in dem Ding Millionen Menschen - warum sollte er sich da mit einer einzigen Person begnügen? Zumal besagte Person spätestens nach drei Tagen auf der Sandbank nichts mehr zu erzählen hätte. Abgesehen von »Hunger!« und »Sonnenbrand!«.
Doch sie hatte jetzt etwas zu erzählen: »Geburtstag!«
»Ist das mein Problem?«, murrte Logan, ohne sich von dem Röhrenbildschirm abzuwenden, auf dem eine uralte Folge Seinfeld lief.
»Ja!«
Sie schloss die Tür hinter sich und durchquerte den dunklen Raum, der nur von der flackernden Mattscheibe erhellt wurde. Wer in dieser Videothek nach Filmen stöbern wollte, hatte es nicht leicht. Wobei die spärliche Beleuchtung die geringste Hürde war. Logans Laune wurde von Woche zu Woche schlechter. Vor wenigen Tagen hatte er sogar ihre Tante Erin rausgeworfen, bloß weil sie Rendezvous mit Joe Black ausleihen wollte. Hailey war dabei gewesen, aber sie hatte Erin nicht retten können.
»Marschier ich etwa in deinen Laden, um mir was Gestreiftes zu kaufen?«, hatte Logan ihre Tante angeblafft.
Erin hatte gelacht. »Streifen kommen mir nicht ins Haus.«
»Und Joe Black kommt mir nicht ins Haus.«
»Joe Black oder Brad Pitt?«
»Glaubst du im Ernst, ich hätte ein Problem mit Brad Pitt? Du kannst Twelve Monkeys, Sieben oder Fight Club mitnehmen.«
»Und was ist mit Legenden der Leidenschaft? Den musst du doch haben, das ist ein Klassiker.«
Bei dem Wort »Klassiker« hatte selbst Hailey ihrer Tante einen vernichtenden Blick zugeworfen. Logan hatte nur zur Tür gezeigt und »Raus!« gerufen. Und er war unerbittlich geblieben.
Wie gesagt, in letzter Zeit verstand er keinen Spaß. Was sie ihm nicht verübeln konnte. Seit anderthalb Jahren wartete er nun auf eine Nachricht aus New York, und allmählich ging ihm der lange Atem aus. Nein, schlimmer: die Hoffnung. Abgesehen von ihrer Freundin Cailin war Logan Wallace der Einzige seines Jahrgangs, der immer noch in Tobermory feststeckte. Während ihre Mitschüler nach dem Ende der High School wie überdrüssige Passagiere von Bord der Insel aufs Festland geströmt waren, hatten Logan und Cailin sich fürs Warten entschieden. Cailin auf einen Geistesblitz und Logan auf die Zusage der Filmhochschule in New York. Hailey wusste nicht so recht, was sie sich für ihre beiden vier Jahre älteren Freunde wünschen sollte: dass sie endlich glücklich würden oder dass sie bei ihr auf der Insel blieben. Am liebsten beides. Aber das war unmöglich.
Sie erinnerte sich noch genau an den Tag, als Logan seinen Bewerbungsfilm abgeschickt hatte. Sie war dreizehn Jahre alt gewesen und hatte das dringende Bedürfnis nach My Girl gehabt. Doch der magische Keller im Haus der Familie Wallace war verschlossen gewesen. Als sie mit hängendem Kopf die Treppe zurück in die reale Welt hochgestapft war, wäre sie auf der obersten Stufe beinahe mit Logan kollidiert. Er hatte sie bereits bemerkt und auf sie gewartet. Auf sie gewartet. Wirklich. Und dabei hatte er mit seinen schulterlangen dunkelblonden Haaren nahezu exakt so ausgesehen wie ihr Lieblingsschauspieler, der tote River Phoenix. In lebendig natürlich. Mit diesem ganz leichten Silberblick, den vermutlich niemand außer ihr wahrnahm, weil keiner ihn (Logan) lange genug betrachtete. Zweifellos hätten die anderen Mädchen in der Schule es ebenfalls gern getan. Ihn betrachtet. Sie trauten sich bloß nicht wegen dieser hochgezogenen Augenbraue, die immer »Geh weg!« zu knurren schien. Aber an jenem Tag vor anderthalb Jahren hatte Logan gelächelt. Nein, er hatte gestrahlt. Seine Augen ein klares Blau, ohne einen Funken Sarkasmus.
»Das wurde aber auch Zeit, Cameron«, hatte er zu ihr gesagt.
Logan war der Einzige, der sie bei ihrem Nachnamen nannte. Eigentlich gab es dafür zu viele Camerons auf der Insel. Es war ein wenig so, als würde man seinen Hund Lucky nennen. Dennoch gefiel es ihr. Es fühlte sich an, als wäre sie die einzige Cameron, die zählte.
»Zeit wofür?«
Er hielt einen braunen wattierten Briefumschlag in die Höhe. »Du musst mich zur Post begleiten.«
Hailey starrte zuerst den Umschlag, dann ihn an. »Ist das dein Bewerbungsvideo für die Filmakademie?«
Logan nickte. »Cailin meint, du bringst Glück.«
»Warum meint sie das?«, fragte sie verblüfft.
»Weil sie deinetwegen mit Ian zusammengekommen ist.«
»Meinetwegen?«
»Behauptet sie zumindest. Du wärst ein Glückspenny.«
Hailey warf ihm einen zweifelnden Blick zu. »Und wie soll das mit dem Glück funktionieren?«
Er zuckte mit den Schultern. »Sag du es mir.«
Unsicher schob sie sich die Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem leuchtend roten Pferdeschwanz gelöst hatte. »Ich könnte den Umschlag anpusten.«
»Hast du Cailin auch angepustet?«
»Sehr witzig.«
»Begleite mich einfach zur Post.«
Hailey zögerte. »Aber dann ist er weg.«
»Ja, so läuft das mit der Post.«
Sie nickte und sah zu Boden.
»Hey.« Er stupste mit dem Briefumschlag gegen ihre Schulter. »Mit dieser Grabesmiene bringst du mir kein Glück. Was ist los?«
»Nichts .«
»Cameron, spuck's aus.«
Sie blickte auf. »Ich dachte, du würdest ihn mir vorher vielleicht zeigen.«
Er hob eine Augenbraue. »Meinen Film? Dir?«
»Wem denn sonst?«
Logans Miene verdunkelte sich, und sie biss sich auf die Unterlippe. Wem denn sonst. Am liebsten hätte sie sich die drei blöden Worte zurück in den Mund gestopft. Sie wusste nicht einmal, was sie damit gemeint hatte. Vermutlich nur: Ich bin die Einzige auf der gesamten Isle of Mull, die Filme annähernd so liebt wie du. Doch Logan hatte offensichtlich verstanden: Ich, Hailey Cameron, dreizehn Jahre alt, bin deine einzige Freundin. Er presste die Lippen aufeinander, als hätte es dieses viel zu seltene Lächeln nie gegeben.
»Vergiss das mit dem Glück«, brummte er und wandte sich abrupt zum Gehen.
»Logan .«
»Und lauf mir nicht nach.«
Sie war unschlüssig auf dem Gehweg stehen geblieben und hatte ihm hinterhergesehen, bis er um die nächste Straßenecke gebogen war. Sie hatte sich eigenartig verloren gefühlt. Aber vor allem schuldig. Denn ein egoistischer Teil von ihr war unendlich froh darüber gewesen, dass sie den Briefumschlag nicht angepustet hatte. Kein Rückenwind in Richtung New York.
Hailey blinzelte die Gedanken weg. Heute war ihr Geburtstag, und nichts würde sie davon abhalten, endlich ihren Wunschfilm zu bekommen. Auch nicht das trübe Licht oder Logans miese Laune. Entschlossen steuerte sie auf den Metalltisch zu und lehnte sich dagegen. Direkt neben Jerry Seinfeld.
Logan schaute erst von dem Bildschirm auf, als ihr Bein seines berührte. Ihr nacktes, fünfzehnjähriges Bein. Es war ein nasskalter Januartag, aber zur Feier des Tages hatte Erin ihr erlaubt zu frieren. Daher trug sie nun einen der superkurzen karierten Röcke ihrer Tante. Und freute sich über das riesige Loch in Logans Jeans. Hautkontakt mit seinem Knie - das war noch besser als Cailins Geschenk.
Er zog sein Bein weg. »Herzlichen Glückwunsch, Cameron. Und jetzt zieh Leine, du hast die drei Filme von vorgestern noch nicht zurückgebracht.«
Da griff Hailey in ihre Umhängetasche, die Erin aus schwarz-grünem Tartanstoff für sie geschneidert hatte, und kramte ein Video und eine DVD hervor. »Mit Dank zurück.«
»Das sind nur zwei.«
»Chasing Amy brauche ich noch.«
Er stellte den brabbelnden Jerry Seinfeld auf Stumm. »Wozu? Du kannst den Quatsch doch schon mitsprechen.«
»Für mein Tagebuch«, sagte sie mit feierlicher Miene.
»Muss ich das jetzt verstehen?«
»Cailin hat es mir geschenkt.« Sie fasste erneut in ihre Tasche und brachte ein in knallrotes Leder gebundenes Buch zum Vorschein. In das Leder war mit goldenen Lettern eingraviert: »BLEIB HUNGRIG«.
»Darf ich vorstellen? Mein neues Tagebuch.«
»Es hat kein Schloss«, bemerkte er unbeeindruckt.
Sie...
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