Schweitzer Fachinformationen
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Yves
»Du bist so ein mieses, blödes -«
»Nisha, du hast Gabriel ja nichts zum Grand Prix gesagt!« Mariella hat die Brauen zusammengeschoben und gestikuliert mit ihren Händen. Wenn ich nicht wüsste, dass sie Ende zwanzig ist, hätte ich sie problemlos zehn Jahre jünger geschätzt. Das liegt daran, dass sie mit ihren 1,50 Metern deutlich kleiner als ich ist, und an Botox. Letzteres ist ihre Aussage, nicht meine.
»Ich dachte, ich soll ihn nur herumführen«, murmelt Nisha, und Mariella massiert sich angestrengt die Nasenwurzel.
Ab diesem Moment ist für alle Beteiligten in Deckung gehen angesagt. Das ist die erste Stufe der gestressten Mariella, danach braucht es nicht viel, um sie zum Explodieren zu bringen. Ich weiß, wovon ich spreche. Als Bodyguard des Typen, der ihr in der Vergangenheit regelmäßig einen halben Herzinfarkt beschert hat, kann ich ein Lied davon singen.
Auch wenn die Duschaktion es allemal wert war, ärgere ich mich trotzdem, nicht vorab bei Charles reingeschaut zu haben. Wir müssen zwar nicht vorm Morgen-Briefing zu unseren jeweiligen Posten, aber es ist, seit ich vor rund fünf Jahren Charles' Bodyguard geworden bin, ein kleines Ritual, ihm wenigstens kurz einen Besuch abzustatten. Vor einem Jahr war es darüber hinaus absolut notwendig, weil dieser Kerl besonders kreativ gewesen ist, wenn es um das Spinnen von Skandalen ging, und man ihn deshalb zu keiner Sekunde aus den Augen lassen konnte.
»Den Grand Prix, die anstehende Hochzeit, die ganzen Termine für die Planung drum herum, einschließlich Prinz Charles' und Isabelles Junggesellenabschied auf der Jacht von Timothée Harcourt hättest du aber schon mal erwähnen können.«
»Oh, entschuldige, ich .« Sie räuspert sich kurz, aber ich bin schneller.
»Ich übernehme das gern«, biete ich an. Das ist natürlich gelogen, und mit dem Nervenbündel rede ich nicht eine Sekunde länger als nötig. Außerdem habe ich wirklich keine Kapazität, um einen absoluten Frischling einzuweihen, aber wenn ich damit Nisha bloßstellen kann, ist es mir das wert. Nishas Nasenflügel blähen sich auf, und ich muss mich zurückhalten, nicht wieder zu schmunzeln. Gabriel scheint auch nicht gerade von meinem Angebot überzeugt zu sein.
»Und welche Termine stehen heute für Charles und Billie auf dem Plan? Eigentlich nur das Rennen, oder?«, frage ich, an Mariella gewandt.
»Korrekt«, sagt sie. »Morgen möchte ich mit euch ein letztes Mal den Ablauf für die Reise nach Paris durchgehen, damit alles sitzt. Das bedeutet im Klartext, dass ihr morgen pünktlich seid. Ihr alle.« Mariella linst zu Nisha rüber, deren Körper sich bei diesen Worten unmittelbar anspannt. Es ist aber auch äußerst unprofessionell von ihr, zu spät zu kommen. Das werde ich ihr später bei Gelegenheit noch mal unter die Nase reiben.
»Wäre das dann alles?«, frage ich und linse auf das Tablet, das Mariella instinktiv zur anderen Seite kippt.
»Für dich ja. Nisha, bleib gern noch eine Sekunde hier.« Da ich keine Anstalten mache, zu gehen, blafft mich Mariella an: »Heißt du Nisha?«
Ich gehe in Deckung und hebe abwehrend die Hände. »Schon gut, schon gut. Man wird ja wohl noch fragen dürfen, um was es in eurem Gespräch geht, oder?«
»Ich sage nur das hier: Es geht um die Hochzeit, genauer gesagt, um Billies Kleid. Also husch, raus mit dir.« Mariella macht eine scheuchende Bewegung, und mit einem nicht ganz ernst gemeinten Kopfschütteln verlasse ich den Raum. »Nimm Gabriel mit!«, ruft Mariella mir noch hinterher.
»Mache ich«, sage ich, drehe mich aber nicht noch mal um.
»Äh, Yves?«, höre ich ihn sagen.
»Bis später«, erwidere ich und hebe die Hand. Ich meine, noch ein Äh, okay von ihm zu hören, dann bin ich aber auch schon um die Ecke verschwunden.
Er wird sich auch ohne Händchenhalten im Palast zurechtfinden müssen. Je eher er das lernt, desto besser.
Früher, als ich gerade im Palast angefangen habe, sind mir die verwinkelten Gänge immer wie ein Labyrinth vorgekommen. Heute könnte ich mit verbundenen Augen durch die Räumlichkeiten finden, vor allem zu Charles' Zimmer.
Außer mir und den persönlichen Bodyguards der Fürstin und des Fürsten gibt es an jeder Ecke Wachpersonal. Auch an jedem Ein- und Ausgang sind sie postiert, wodurch die Fürstenfamilie zu jeder Zeit bestens bewacht ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich in Sicherheit wiegen kann. Eines der ersten Dinge, die man lernt, wenn man als Personenschützer arbeiten will.
Vor Charles' Zimmertür bleibe ich stehen und klopfe in einem bestimmten Rhythmus, damit er weiß, dass ich es bin.
Normalerweise würde ich nicht darauf warten, dass er mir Einlass gewährt, aber seit Billie bei ihm eingezogen ist, muss ich mich ermahnen, die Anstandssekunden abzuwarten, bevor ich eintrete.
Als ich leicht gegen die Tür tippe, stelle ich fest, dass sie bereits offen ist, und schlüpfe hindurch. Binnen Sekunden scanne ich den Raum ab, und wie immer liegen die Klamotten, benutzten Kaffeetassen und Rezeptbücher des Prinzen überall verteilt. Auf dem Boden, dem Schreibtisch und seinem Nachttisch. Ich würde gern behaupten, dass seine Unordnung, seit er mit Billie zusammen ist, besser geworden wäre. Aber dann würde ich uns beide anlügen.
»Charles?«, rufe ich, erhalte jedoch keine Antwort.
Das Bett ist leer, Kissen liegen wahllos verteilt darauf und auf dem Boden daneben. Nur ein roter Farbklecks in Form eines Overalls liegt darauf. Es ist still im Zimmer. Sehr still.
Beiläufig lege ich die Hand auf Hüfthöhe, dahin, wo, geschickt vom Saum meines Jacketts verborgen, meine Pistole in einem Holster steckt. Eine Marotte, die ich nur schwer ablegen kann, ähnlich wie das Rauchen. Das eine ist selbstzerstörerischer als das andere.
Mit langsamen Schritten laufe ich durch das Zimmer. Im Nebenraum ist ebenfalls keine Spur von ihm, und auch das Badezimmer ist leer. Seit ich als Charles' Bodyguard im Einsatz bin, gab es etliche Situationen wie diese. Dass Charles nicht da war, wo ich ihn erwartet habe. Er weiß nämlich wie kein zweiter, sich in Schwierigkeiten zu bringen. Das wiederum bedeutet, dass ich ein gewisses Maß an Resilienz mitbringen muss, um nicht am Rad zu drehen, wenn er mal wieder aus der Reihe tanzt.
Eine Stimme schneidet durch den Gedankenfaden. Nur gehört diese ganz sicher nicht Charles und auch nicht Billie. Sie kommt von einer Musikbox, wenn mich nicht alles täuscht. Die leichten Jazzklänge dringen von draußen ins Innere des Raumes. Ich öffne die Balkontür und hätte beinahe erleichtert geseufzt, als ich Charles auf dem Balkon entdecke.
»Yves, mein Sonnenschein, Mann meiner Träume und Herzensbrecher aller Frauen!«, ruft er mit ausgebreiteten Armen. Er trägt einen schneeweißen Frotteebademantel, eine Sonnenbrille auf der Nase und steht vor einem kleinen Tisch, auf dem ein Brotkorb ruht. Direkt daneben entdecke ich die Musikbox, aus der das Jazzgedudel zu mir dringt.
»Schon gefrühstückt?«, fragt er, woraufhin ich schmunzelnd den Kopf schüttele. Er greift in den Korb und wirft mir ein Croissant zu, das ich in der Luft auffange.
»Ich dachte, du bist schon wieder ausgebüxt«, sage ich und beiße in das himmlisch buttrige Blätterteiggebäck. Seit Guillaume, unser ehemaliger Chefkoch, nicht mehr in der Palastküche arbeitet, haben sie einen neuen Boulanger eingestellt. Einen komischen Kauz, dessen richtigen Namen niemand kennt. Er selbst nennt sich Lapin, also das französische Wort für »Kaninchen«. Jedenfalls würde ich für seine Croissants jederzeit mein Erstgeborenes hergeben, wenn ich denn eines hätte.
»Hast du dich mal umgeguckt? Es ist ein Traumtag! Allerbeste Voraussetzungen für ein spannendes Rennen.«
Ich nehme noch einen Bissen von meinem Croissant. »Gibt's einen Grund, warum du schon so früh auf den Beinen bist und noch dazu so gut gelaunt? Vor zwei Jahren hätte ich dir einen Eimer Wasser über dem Kopf auskippen müssen und selbst dann wärst du wahrscheinlich liegen geblieben.«
»Aber auch nur, weil ich zu verkatert gewesen wäre, um mich mit dir anzulegen. Tja, Menschen ändern sich eben.«
Das Schmunzeln, das sich in seine beiden Mundwinkel schleicht, ist echt und gehört seit einem Jahr zu ihm. Genauso wie seine Freundin Billie.
Verlobte, korrigiere ich mich selbst in Gedanken.
Charles legt sein Smartphone auf den Tisch, und das Display leuchtet kurz auf. Das Foto zeigt ihn mit Billie, wie sie beim Sonnenuntergang auf einem Boot in Saint-Jean-Cap-Ferrat, einer malerischen Bucht unweit von hier, Augen nur füreinander haben. Und das trotz traumhafter Riviera-Kulisse dahinter. Eines der wenigen Fotos, das es nicht in die Klatschpresse geschafft hat. Ganz im Gegenteil zu dem Foto, welches überhaupt zu dem Kennenlernen von Billie und Charles geführt hat. Charles' Gesicht hat eine geraume Zeit lang jeden Tag mit einem anderen Skandal die Titelseiten der Klatschblätter geziert und sowohl TikTok als auch ganz Instagram in Atem gehalten. Und in einer schicksalhaften Nacht hat er dann seine Freundin mit jemand anderem verwechselt - mit Billie. Die Paparazzi haben sich wie die Aasgeier darauf gestürzt, und für seine Eltern, den Fürsten und die Fürstin, war das der letzte Tropfen, der das...
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