Schweitzer Fachinformationen
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Ich fuhr durch die Gegend, in meinem 69er Chevy Nova 370 mit Vierfachvergaser, Leichtmetallfelgen und Doppelauspuff. Ein Superschlitten. Ich hatte die Schalldämpfer ausgebaut, damit er wie eine Harley klang; die Leute stehen auf so was. Beim Fahren starrte ich die ganze Zeit durchs Fenster in den Außenspiegel und schaute mich selbst an. Das tue ich immer: Ich muss einfach in alles hineinstarren, was spiegelt. Keine besonders schmeichelhafte Eigenschaft, und ich wäre auch froh, wenn ich's nicht täte, aber ich tu's nun mal. Ich bin so eitel wie nur was. Einfach widerlich. Und wenn ich in den Spiegel schaue, dann fast immer, um nachzusehen, ob ich überhaupt noch da bin, oder weil ich mir wünsche, ich wäre jemand anderes, ein mexikanischer Bandito oder so was in der Art. Ich habe einen Schnurrbart. Die meisten Typen mit einem Schnurrbart sehen schwul aus, aber ich nicht. Ich fummle nur viel zu viel daran rum. Eigentlich fummle ich ständig daran rum. Ich weiß noch nicht mal, warum ich euch das jetzt erzähle. Ich starre mich einfach immer nur an und wünschte, dass ich's nicht täte. Denn eigentlich macht es mir überhaupt keinen Spaß.
Meine Finger waren am Lenkrad festgefroren. Albany im Februar ist ein rußigschwarzer Eisbrocken. Die Frau im Radio sagte die Zeit und die Temperatur an: 8.42 Uhr und fünf Grad minus. Es war jetzt fünfzehn Stunden her, dass Christy und ich Schluss gemacht hatten, und ich stand komplett neben mir. Im Augenblick trug ich meine Uniform, die für Paraden, ziemlich eindrucksvoll. In einer Uniform fühlst du dich, als wärst du jemand, jemand mit einem Ziel, selbst wenn du gar keins hast. Du bist was Besonderes, irgendwie verbunden mit der Vergangenheit. Du bist nicht irgendjemand, irgendein Zivilist - du bist edel. Die ganze Sache mit der »schönsten Zeit im Leben eines Mannes« hat nur einen Haken: Es ist nichts als eine beschissene Lüge.
Dies ist meine Geschichte.
Mein Befehl war einfach unglaublich - mein Lieutenant ist ein völlig durchgeknallter Flachwichser. Eigentlich war das hier sein Job. Aber jetzt musste ich der Frau von irgendeinem Typen beibringen, dass jemand ihrem Mann den Kopf weggeschossen hatte. Der Name des Soldaten lautete Kevin Anderson, und er war am Abend vorher vor dem Paradise umgelegt worden. Das Paradise ist eine Bar, in der die ganzen schwarzen Jungs abhängen. Wahrscheinlich Drogen oder irgendein dämliches Besäufnis. Ich hatte ihn überhaupt nicht gekannt.
Abgesehen davon stand ich selbst auch völlig unter Strom. Ich hatte die Nacht nicht geschlafen und ständig Speed eingeworfen: Crystal Meth. Mit Christy Schluss zu machen war ein Riesenfehler gewesen; das wusste ich in dem Moment, als ich ging.
Die Army ist noch bescheuerter, als man sich vorstellen kann. Manchmal befiehlt mein Lieutenant meinen Leuten und mir, in die Stadt zu marschieren und ein paar Parkplätze zu bewachen. Das Gelände sichern. Ich bin damals freiwillig zum Militär gegangen, weil ich irgendwas Nützliches tun wollte. Davor war ich auf dem College, zwei Jahre Kent State, verlorene Zeit. Wer will schon so viel Kohle ausgeben, nur um Bier zu trinken und sich einen Tripper zu holen? Mein Dad war in der Army gewesen, und ich hatte als Junge dermaßen viel Zeit damit verbracht, Bilder von MGs zu zeichnen und von Soldaten, die sich gegenseitig das Gehirn wegpusten, dass ich irgendwann dachte, es wäre sinnvoll, in die Army einzutreten. Ich glaubte, es wäre mein Schicksal, und das stimmte auch, aber nur weil etwas dein Schicksal ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch einen Sinn haben muss.
Ich hatte irgendwie die Vorstellung, ich stehe eines Tages in einem McDonald's und ein beknackter Irrer reißt eine Automatik aus der Tasche und fängt an, Leute umzulegen, und ich bin der einzige Typ im ganzen Laden, der ihn aufhalten kann; ich dachte, damit könnte ich ein bisschen Zivilcourage und Heldenmut zeigen. Es gibt so viele Menschen auf der Welt, dass es schwerfällt, sich von den anderen abzuheben. Als ich zwölf war, habe ich eine funktionsfähige Armbrust gebaut, mit Bolzen, die ich total tief in einen Baum versenken konnte. Das war so ziemlich das Coolste, was ich je hingekriegt habe.
Heute ist das einzig Interessante oder Bemerkenswerte an mir mein Auto. Einfach geil. Silbern, mit breiten schwarzen Rallyestreifen in der Mitte. Ich hatte nie Probleme, Bräute aufzureißen.
Ich raste in einem Affentempo durch North Albany in den »schwarzen« Teil der Stadt, auf der Suche nach der Wohnung von diesem Anderson: 2376 1/2 Hawthorne, Apartment B. Seine Personalakte lag neben mir auf dem Beifahrersitz. Die Straßen waren rutschig, und überall sah man dreckverkrustete Schneehaufen. Das Haus war leicht zu finden, ein großer alter Kasten, den man in acht Wohnungen aufgeteilt hatte. Alle Häuser in dieser Straße sahen genau gleich aus. Offensichtlich war das hier mal der protzige Teil der Stadt gewesen - vor etwa achtzig Billionen Jahren.
Ich saß in meinem Nova unter einer riesigen, alten, kahlen Platane, direkt neben der Auffahrt zum Haus von diesem Anderson. Bäume sind was Tolles. Mein Dad stand auf Bäume. Er verdiente sein Geld damit, Bäume zu pflanzen und zu schneiden. Manchmal hing er sechs Meter über der Erde und fuhrwerkte mit einer jaulenden Kettensäge herum, während überall abgestorbene und kranke Aste zu Boden prasselten. Ich liebte meinen Dad. Wenn ich euch spüren lassen könnte, wie es war, acht Jahre alt zu sein und ihm dabei zuzusehen, wie er in irgendeinem gewaltigen Ahorn hing, sich selbst etwas vorsang und mit den Ästen sprach, wenn ihr gehört hättet, wie er nach unten brüllte: »Jimmy, wenn du dreizehn bist und zu mir ziehst, dann werden wir 'ne Menge Spaß haben, mein Junge. Darauf kannst du deinen kleinen Arsch verwetten!« - wenn ihr nur für diesen Augenblick in meiner Haut gesteckt hättet, wüsstet ihr genau, wie es ist, ich zu sein. Als ich älter wurde, arbeitete ich in den Sommerferien immer beim Bodenpersonal mit und half beim Schneiden und Roden. Wenn es ums Landschaftsgärtnern ging, konnte mir keiner was vormachen. Diese Platane vor mir war knapp zweihundert Jahre alt, und solange nicht irgendein Blödmann auf die Idee kam, sie umzuhauen, würde sie auch noch lange nach meinem Tod hier an der Hawthorne Avenue stehen. Keine Ahnung warum, aber irgendwie war das ein gutes Gefühl.
Ich griff mir an die Nase, um zu prüfen, ob sie blutete. Vor vier Stunden hatte ich mir die letzte Line reingezogen, zusammen mit Tony, Eric und Ed. Ed hatte den Stoff besorgt. Zuerst wollte ich nicht mitmachen, aber dann hackten sie das Zeug klein, und ich hatte ja gerade mit Christy Schluss gemacht, und Peng - bevor ich richtig merkte, was los war, redete ich drei Stunden lang nur noch über die Knicks und Patrick Ewing und John Starks. Tony, Eric und Ed sind drei echte Schwachköpfe, aber ich hänge trotzdem die ganze Zeit mit ihnen rum. Der Gedanke, dass ich so bin wie sie, macht mich ziemlich fertig. »Lieber allein sein als sich wünschen, allein zu sein.« Das hat mein Dad immer gesagt, aber ich habe noch nie auf jemanden gehört. Ich sage das ganz ohne Stolz, denn eigentlich ist es gut und richtig, wenn man auf andere Leute hört.
Ich hatte überhaupt keine Lust, aus dem Auto zu steigen. Mein Lieutenant ist ein Flachwichser. Wenn ich nur an ihn denke, zittert mein ganzer Körper vor Wut.
Gerade mal halb neun morgens, und der ganze Tag war schon versaut. »DIE ARMY. SCHON VOR NEUN UHR ETWAS ERLEBEN .« War das nicht der Werbespruch im Fernsehen?
Ich hatte immer wieder mal daran gedacht, zum Militär zu gehen, aber erst der Film »Top Gun« hat mich endgültig überzeugt. Tom Cruise auf der Ninja, wie er mit der Blonden rummacht - absolute Spitze! Das war ich. Klingt idiotisch, und ich kapier's heute auch nicht mehr; aber als ich aus dem stockdunklen Kino kam und auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums stand, wo mir die brütend heiße Augustsonne auf die Birne knallte, hatte ich das Gefühl, der Film wäre ein Fingerzeig Gottes.
Natürlich hab ich's nie bis in irgendeine tuntige Elite- Pilotentruppe geschafft. Das bei weitem Aufregendste in meinem Leben waren die Drogen. Dabei hatte ich am Anfang noch Ziele. Ich wollte zu den Special Forces, den Fallschirmjägern oder vielleicht sogar zum FBI. Und jetzt lag mein Selbstvertrauen endgültig in Trümmern. Christy war der Grund für fast alle guten Dinge, die in meinem Leben passiert sind. Ich vermisste sie. Ich wünschte, ich wäre ihr nie begegnet. Ich wollte sterben, um das Unvermeidliche zu vermeiden - sie wieder zu enttäuschen.
»Du willst Schluss machen, oder?«, hatte Christy gefragt.
Sie arbeitete im Krankenhaus, und wir saßen im siebten Stock in der Cafeteria und machten Schluss. Beide in unseren Uniformen. Sie hatte ihre Krankenschwesterntracht an, einen blauen Rock und eine blaue Bluse, dazu ein Schildchen mit ihrem Namen darauf, das auf ihrer Brust festgesteckt war, und ich steckte in meiner üblichen grünen Bürouniform. Ihr langer, schlaksiger Körper wand sich unbeholfen in einem kleinen roten Plastikstuhl, ihre Haut wirkte fast durchsichtig, und ihre großen, besorgten grünen Augen waren hinter den ovalen Gläsern einer Schildpattbrille gefangen. Mein Gott, ich wollte ihr wirklich nicht wehtun.
»Sag schon, Jimmy, du willst Schluss machen, oder?«, fragte sie noch einmal.
»Ja«, antwortete ich.
»Du machst mich krank«, flüsterte sie. »Die Leute haben mir immer davon erzählt, was das für ein Gefühl ist, aber ich...
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