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Burgdorf liegt nur fünf Kilometer von Kirchberg entfernt, und für den kräftigen Fritz war das auf dem Velo wirklich keine Weltreise. Aber mit dem Eintritt ins Gymnasium begann für ihn nicht nur in Sachen Schule eine neue Lebensphase. Er wurde für seine Familie und seine Umgebung zu einem Städter und ein wenig fremd. Sein erster Auszug aus dem Bauernhof geschah auf dem Velo.
An den Radweg zur Schule erinnert sich heute auch Fritz' damaliger Nachbar Ueli Stefan: «Wir fuhren immer gemeinsam nach Burgdorf ins Gymnasium. Ich sehe noch genau vor mir, wie Fritz jeweils gefahren ist. Ich hockte normal im Sattel und habe , aber er stand immer in den Pedalen. Ich glaube, der sass nie richtig ab. Er war sehr sportlich. Darum war er mir immer voraus, liess es dann gemütlich rollen, um mich aufschliessen zu lassen. Und das immer wieder - so fuhren wir zusammen nach Burdlef.»
Ueli Stefan erinnert sich auch, «dass wir beide miteinander in der Kirche von Kirchberg konfirmiert wurden, in der berühmten oben auf dem Berg. Weil wir Gymeler in Burgdorf waren, nahmen wir nicht am normalen kirchlichen Unterricht teil, sondern hatten Spezialunterricht beim Pfarrer im Pfarrhaus, wo dieser uns den Katechismus beibrachte. Ich erinnere mich noch genau, dass wir an der Konfirmation nach vorne gehen und niederknien mussten wie bei einer Hochzeit und dann vom Pfarrer den Segen bekamen. Die beiden Gymeler waren immer Spezialfälle.»
Wieder fühlt man sich an ein Widmer-Lied erinnert: , in dem der Pfarrer der hilfsbereiten Gemeinde vor den rauchenden Trümmern des Pfarrhauses für ihre Geschenke dankt, aber um seine leider unrettbar verloren gegangenen 500 Predigt-Manuskripte trauert, worauf ein Bauer trocken kommentiert: «Jää, gäuet däich wou, / So trocheni Ruschtig brönnt haut de tou.»
«Die Schule fiel mir weiterhin leicht», notierte Fritz Widmer später für seinen Enkel Cillian. «Am Gymnasium begann ich mit Latein, das ging dann sechs Jahre lang so, sechs Stunden pro Woche, neben all den anderen Fächern. Am liebsten hatte ich Singen und Geografie und später, als ich 15-jährig war, Englisch.»
Auch Italienisch lernte er am Gymnasium. Und wusste es praktisch zu nutzen. Seine Schwester Kathrin, die später einen Italiener heiratete, erinnert sich, wie Fritz einem auf dem Hof beschäftigten Italiener, der offenbar Analphabet war, die Briefe, die dieser erhielt, vorlas und dann auch für ihn die Antworten schrieb. «So wurde Gidi zum Brief-Dolmetscher. Das hat mich wahnsinnig beeindruckt und auch zu meiner Italienisch-Begeisterung beigetragen. Für mich war es klar, dass ich als zweite Fremdsprache Italienisch lernen würde. Es fiel mir dann auch sehr leicht. Ich denke schon, dass das mit meinen Erlebnissen als kleines Mädchen zu tun hatte.»
Auch das Fach Deutsch und die deutsche Literatur beschäftigten den begeisterten Leser immer stärker. Seine spätere Frau Christina, Enkelin von Hermann Hesse, weiss davon eine schöne Geschichte zu erzählen: «Fritz verehrte Hermann Hesse sehr. Er begann ihn zu lesen, als er etwa 17 Jahre alt war - und schrieb von da an viel bessere Aufsätze und interessierte sich für Literatur. Er war in einer eigenartigen Klasse, die sich nicht auf ein Ziel für die Maturreise einigen konnte. Also ging Fritz ganz allein auf seine Maturreise ins Tessin. In Lugano mietete er ein Velo, fuhr nach Montagnola und wollte Hermann Hesse besuchen. Aber als er am Gartentor das Schild sah, kehrte er um. Er hat sein Idol nie gesehen. Kurz bevor er mich dann kennenlernte, war mein Grossvater gestorben. Aber er hatte sehr viel Ähnlichkeit mit ihm.»
Christina Widmer-Hesse kennt auch den Grund für die Hesse-Begeisterung von Gymeler Fritz: Nach dem Krieg hatte Familie Widmer Ende der 1940er-Jahre ein deutsches Mädchen im Landdienst, das von Hesse schwärmte. und seien grossartige Romane, sagte sie. Und Fritz' Mutter, die so kulturell interessiert war und viel las, kaufte Hesse-Bücher, las sie auch, versammelte dann die Familie und verkündete: «Die Büecher verbrönne mer jetze. E settige Uhung!» - wegen der erotischen Szenen. «Als Fritz etwas älter war, wollte er wohl wissen, was seine Mutter so aufgebracht hatte», vermutet seine Witwe heute. «Aber er wurde eben so streng erzogen, dass er das heimlich tun musste.»
Die Bücher ihres Schwiegervaters waren auch für Christina Hesses Mutter ein rotes Tuch: «Sie verbot mir die Lektüre mit der Feststellung: Das durften wir vorher nicht wissen. So war das mit unserer Erziehung.»
Ernst Eggimann, Fritz Widmers späterer Emmentaler Dichterkollege, war übrigens nicht so schüchtern wie Fritz, berichtet Christina Widmer: «Eggimann wollte Hermann Hesse ebenfalls besuchen und beachtete das Schild nicht, sondern ging hinein, meldete sich an und rezitierte meinem Grossvater eine Seite Kleist. Wahrscheinlich wusste er einfach nicht, was er sonst hätte sagen sollen.»
Fritz Widmer erzählte seinem Enkel Cillian in seinem Brief, was er an der Schule gelernt und was er dort nicht gelernt hatte: «Manchmal denke ich, dass ich viele unnütze Dinge gelernt habe, nicht aber das, was ich wirklich brauchte. Gute Manieren beispielsweise oder meine Sachen in guter Ordnung zu halten, damit ich sie problemlos wiederfinden würde. Oder ein Musikinstrument zu spielen. Und vor allem: selbstständig zu werden, also nach meiner Meinung zu entscheiden und nicht so, wie es der Lauteste, Frechste und Stärkste der Klasse vorgab.» Und er schilderte, wie er es in einer Geografiestunde geschafft habe, sich einer Streikaufforderung des Klassenrüpels zu widersetzen, die er für blöd hielt. Von da an sei er nie mehr von jemandem abhängig gewesen.
«Als ich ein Instrument spielen lernen wollte, war es zu spät», schrieb Fritz Widmer 2007 an Cillian. «Erstens war mein Gedächtnis zu langsam geworden, und zweitens hatte ich mit vielen anderen Aktivitäten begonnen, etwa mit der Leichtathletik, mit Reisen und mit Unterrichten - zuerst als Stellvertreter, weil das der beste Weg war, um Geld zu verdienen. Das begann mir zu gefallen, und deshalb machte ich es schliesslich zu meinem Beruf.»
Er schrieb da über seine Zeit als Student, aber zuvor hatte er als Gymnasiast doch noch begonnen, ein Musikinstrument zu spielen, und zwar die Gitarre. Sein Bruder Walter erzählt, sie hätten einen Cousin im Nachbardorf Alchenflüh gehabt, den Ernst, der etwa zwei Jahre älter war als Fritz. «Der hatte eine Gitarre, und Fritz fragte ihn, ob er viel spiele. Er habe einmal damit begonnen, sagte Ernst, aber er spiele nicht so oft. Da fragte Fritz, ob er sie mal nach Hause nehmen dürfe - das war dann seine erste Gitarre, leihweise.»
Später kaufte er sich sein eigenes Instrument. «Er hat viel selbst ausprobiert auf der Gitarre. Ob er auch Stunden gehabt hat, weiss ich nicht, aber er hat es sich schon vor allem selbst beigebracht», erzählt Walter Widmer. Und Schwester Kathrin ergänzt, dass Fritz wohl auch von den Klavierstunden profitierte, die er als Kind hatte: «Wir hatten in Kirchberg eine Klavierlehrerin, das Fräulein Häfeli. Wir mochten sie allerdings nicht sehr. Ich hielt es ein Jahr lang aus und Fritz nur etwa drei Monate. Erst als er später in Bern studierte, nahm er wieder Klavierstunden.»
Dann begann Fritz damit, vor allem englischsprachige Lieder nachzusingen - oft mit seinem Bruder Hans. Ihre Schwester Kathrin freute sich besonders darüber: «Gidi brachte Häis einige englische Lieder bei, und dann sangen sie zusammen, auch als Erwachsene. Häis hat eine sehr gute Stimme. Wenn ich mich richtig erinnere, sangen sie an Weihnachten zusammen und an Familienfesten und Hochzeiten. Ich erinnere mich an das Lied . Und Gidi begleitete jeweils mit der Gitarre. Das war so schön!»
Bruder Hans meint allerdings, sie hätten das zu wenig gemacht. «Es war schade, dass das nicht häufiger war. Vom Alter her waren wir beide uns zwar am nächsten, aber als ich den Hof übernahm und er nach Bern ging, hatten wir nicht mehr so oft Kontakt.» Walter fügt an: «Ich kann mich gut erinnern, dass Onkel Walter aus Bütikofen euch an einer Hochzeit gehört hat und als ihr zu Hause eure Spirituals geübt habt. Da meinte er: Trumpf. Wenn ihr so weiterfahrt, seid ihr plötzlich auch berühmt!> Aber als Fritz nach Bern ging und mit Mani Matter und Ruedi Krebs zu singen begann, war das halt vorbei. Das war schade, die zwei hätten Erfolg gehabt.»
Aber die klassische Musik beeindruckte den Gymnasiasten Fritz ungleich mehr als die Boss-Buebe. Er entdeckte sie mit den beiden Stefan-Söhnen von gegenüber. Er erinnerte sich daran in einem Mail- und Briefverkehr mit Hans-Jürg Stefan im Februar 2007. Dieser schrieb Fritz, er sei «immer noch...
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