Kapitel 3: Mein Weg zur ersten Gitarre
Der Weg zu meinem ersten Musikinstrument war alles andere als geradlinig. Es war eine Reise voller Enttäuschungen, kleinen Triumphen und einer unaufhaltsamen Leidenschaft, die mich schon als Kind nicht losließ. Wie bei der Liebe musste ich das eine Instrument finden, das wirklich zu mir passte - das eine, das mich wirklich berührte.
In der Grundschule sollte ich Blockflöte lernen. Wie die meisten Kinder bekam ich von meiner Mutter eine Blockflöte geschenkt, und ich war fest entschlossen, darauf Lieder wie "Hänschen klein" zu spielen. Doch es wollte einfach nicht funktionieren. Obwohl ich eine musikalische Ader hatte, blieb die Blockflöte für mich ein Fremdkörper. Ich versuchte es immer wieder, aber ohne Erfolg. Der Musikunterricht endete mit einer mittelmäßigen Note, und ich begann, an meiner Musikalität zu zweifeln. Vielleicht lag mir das Spielen von Instrumenten einfach nicht? Doch tief in mir wusste ich, dass das nicht stimmte.
Schon als kleiner Junge hatten Gitarren eine magische Anziehungskraft auf mich. Wann immer ich in einer Fernsehsendung wie "Disco" internationale Stars sah, klebte mein Blick an den Gitarristen. Diese Musiker mit ihren coolen Posen und den elektrischen Gitarren in den Händen waren für mich wie Helden. Es war nicht überraschend, dass ich bald den Wunsch verspürte, eine eigene Gitarre zu besitzen - auch wenn sie zunächst nur in meiner Fantasie existierte. Also bastelte ich mir eine Gitarre aus Pappe und einer Holzplatte, die die Form einer Fender Stratocaster hatte. Ich malte sie schwarz-rot an, befestigte ein Paketband als Gurt und stand dann vor dem Spiegel, stellte mir vor, ich sei einer der Gitarristen von Sweet, und ließ die imaginären Töne durch mein Zimmer schwingen. In diesen Momenten fühlte ich mich lebendig, als ob die Musik durch meine Adern floss.
Eines Tages, als ich etwa zwölf Jahre alt war, gingen wir wieder in unsere Lieblingspizzeria "La Luna". Diese kleine Pizzeria, nur ein paar Straßen von unserer Wohnung entfernt, war ein besonderer Ort für mich. Die dicken, braunen Holzpaneele an den Wänden, die Stuckverzierungen und die warmen Gerüche von frisch gebackener Pizza - das alles fühlte sich vertraut und sicher an. Doch es war nicht das Essen, das meine Aufmerksamkeit fesselte, sondern die blaue, stark ramponierte Western-Gitarre, die an der Wand hing. Sie hatte nur noch zwei Saiten, war zerkratzt und voller Dellen, aber für mich war sie ein Juwel. Jedes Mal, wenn wir dort aßen, bewunderte ich sie aus der Ferne.
Eines Abends fasste ich mir ein Herz. Mein Herz pochte, als ich den Chef der Pizzeria ansprach: "Könnte ich die Gitarre haben, die da an der Wand hängt?" Ich erwartete ein klares Nein, doch zu meiner Überraschung lächelte er. "Was willst du mit diesem kaputten Ding?" fragte er mit einem amüsierten Lächeln. Ich erklärte ihm, dass ich sie reparieren und darauf spielen wollte. Er lachte leise, bevor er sagte: "Wenn du sie wirklich haben willst, nimm sie mit. Wir renovieren bald, und sie hätte sowieso keinen Platz mehr hier."
Als ich mit der Gitarre nach Hause ging, fühlte ich mich, als hätte ich den Schatz meines Lebens gefunden. Diese alte, kaputte Gitarre bedeutete mir mehr, als es Worte ausdrücken können. Zu Hause setzte ich mich sofort auf mein Bett und versuchte, auf den beiden verbliebenen Saiten Töne zu erzeugen. Es klang furchtbar, wie das Knarren einer alten Tür, doch das war mir egal. Diese Gitarre war mein erstes Instrument, und in meinen Händen wurde sie lebendig. Tatsächlich schaffte ich es sogar, auf einer der Saiten "Smoke on the Water" zu spielen. Die wenigen Töne, die ich herausquetschen konnte, gaben mir ein Gefühl von Erfolg und Stolz.
Norbert, der Lebensgefährte meiner Mutter, bekam mein wachsendes Interesse an der Gitarre mit. Norbert war ein gutmütiger Mann, jünger als meine Mutter, und kümmerte sich immer liebevoll um mich. Wir verbrachten viel Zeit miteinander - er spielte Fußball mit mir, baute Lego und war immer für ein Abenteuer zu haben. Eines Tages klopfte er an meine Tür und sagte: "Matthias, zieh deine Schuhe an. Wir fahren ins Kaufhaus." Ich war neugierig und fragte, was wir dort machen würden, aber er grinste nur geheimnisvoll und sagte: "Lass dich überraschen."
Im Kaufhaus gingen wir direkt in die Musikabteilung. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl, als ich die Gitarren an den Wänden hängen sah - glänzende, perfekt gestimmte Instrumente, die darauf warteten, gespielt zu werden. Norbert sprach mit einer Verkäuferin und fragte sie, welche Gitarre sie für einen Anfänger empfehlen würde. Sie zeigte uns eine Konzertgitarre mit einem schmaleren Griffbrett, das für meine kleinen Hände ideal war. "Diese Gitarre wird dir das Greifen der Akkorde erleichtern," erklärte sie, und Norbert entschied sich sofort für den Kauf. Er fragte auch nach einem Buch oder einer Schallplatte, die einem das Gitarre spielen beibringen könnten. Die Verkäuferin verschwand kurz und kam mit einer Schallplatte zurück, die alles Nötige erklären sollte.
Zuhause konnte ich es kaum erwarten, die Schallplatte aufzulegen. Ich setzte die Nadel auf die Platte und lauschte den Anweisungen, die aus den Lautsprechern kamen. Die Stimme erklärte die Grundlagen des Gitarrenspielens, aber je länger ich zuhörte, desto klarer wurde mir, dass mir diese trockenen Erklärungen nicht halfen. Die Gitarre landete bald in der Ecke, und ich verlor das Interesse - zumindest für eine Weile. Doch Norbert gab nicht auf. Er sah, wie viel mir die Musik bedeutete, und schlug vor, dass ich Gitarrenunterricht nehmen sollte.
An der Berliner Volkshochschule, nur wenige Schritte von unserer Pizzeria entfernt, wurden Gitarrenstunden angeboten. Norbert begleitete mich dorthin, und nach einem Gespräch mit dem Berater meldeten wir mich für eine halbe Stunde Unterricht pro Woche an. Zwei Wochen später war es dann so weit - meine erste Gitarrenstunde.
Mein Lehrer, Roland, war ein entspannter Typ, ein bisschen wie ein moderner Hippie. Mit seinem lässigen Auftreten und seiner lockeren Art war er das genaue Gegenteil von dem strengen Bild, das ich von Musiklehrern hatte. Er fragte mich, ob ich schon Gitarre spielen könne, und als ich verneinte, begannen wir mit den Basics. Doch schnell stellte sich heraus, dass ich keine Freude am Notenlesen hatte. Es war wie eine fremde Sprache, die ich einfach nicht lernen wollte. Nach jeder Stunde gab er mir Hausaufgaben, Notenblätter mit klassischen Stücken, die ich üben sollte. Aber die Begeisterung, die ich am Anfang verspürt hatte, schwand, und ich konnte die Stücke nie so spielen, wie Roland es sich vorgestellt hatte.
Eines Tages fragte er mich direkt: "Woran liegt es, dass du nicht übst?" Ich erklärte ihm ehrlich, dass mir das Spielen nach Noten keinen Spaß machte und die klassischen Stücke einfach langweilig waren. Er lächelte verständnisvoll und fragte: "Kennst du die Beatles?" Natürlich kannte ich die Beatles! "Wie wäre es, wenn wir Beatles-Songs spielen?" schlug er vor. Das war genau das, was ich brauchte. Von diesem Moment an änderte sich alles. Wir spielten regelmäßig die Songs der Beatles, und plötzlich machte das Üben wieder Spaß. Ich kaufte mir sogar ein Beatles-Gitarrenbuch, und jede Woche lernten wir einen neuen Song daraus.
Durch die Beatles und ihre Musik lernte ich wirklich, Gitarre zu spielen. Meine Finger wurden geschickter, und ich konnte immer schwierigere Akkorde greifen. Nach eineinhalb Jahren Gitarrenunterricht war ich überzeugt, dass ich alleine weitermachen konnte. Norbert unterstützte mich weiterhin und schenkte mir meine erste E-Gitarre - eine weiße Stratocaster von einer No-Name-Firma. Für mich war sie perfekt. Auf dieser Gitarre übte ich, bis meine Finger fast bluteten, aber es war mir egal. Ich wollte besser werden, und das wurde ich auch.
Ohne Norbert hätte ich vielleicht niemals ein Instrument gelernt, und damit wäre mir eine der größten Leidenschaften meines Lebens verwehrt geblieben. Später kaufte er sogar meiner Mutter ein weißes Keyboard, damit sie wieder Klavier spielen konnte. Doch leider brachte sie mir das Klavierspielen nicht bei. Also setzte ich mich selbst ans Keyboard und brachte mir das Spielen bei, auch wenn es nicht die richtige Technik war. Trotzdem reichte es aus, dass ich bis heute alle meine Songs auf dem Klavier komponieren und einspielen kann. Von beiden Instrumenten, die ich spiele, ist die Gitarre meine große Liebe - und das verdanke ich dem Gitarrenunterricht, den ich durch Norberts Unterstützung erhalten habe.
Viele Jahre später entschied ich mich, Klavierunterricht zu nehmen, doch das Ergebnis war ernüchternd. Der Lehrer begann ebenfalls mit Noten und klassischen Stücken, die sich in meinen Ohren schrecklich anhörten. Es fühlte sich an, als hätte ich all mein Können verloren. Aber sobald...