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Wahied Wahdat-Hagh
Der Iran ist gegenwärtig eine "Republik" ohne einen republikanischen Geist. Die Revolution von 1979 entpuppte sich als eine katastrophale Wende in eine neue Form der Diktatur, die anachronistische Gesetze mit modernen Mitteln verewigen will. Mit einer rückwärtsgewandten religiösen Ideologie und kraft moderner Technik wird ein Gewaltsystem aufrechterhalten, das eine neue Form der totalitären Diktatur darstellt.
Die iranische Verfassungsdiktatur zielt auf die Errichtung islamischer Herrschaft ab. Zwar warten schiitische Muslime auf den zwölften Imam, und solange sollte nach der reinen Lehre keine islamische Herrschaft errichtet werden. Aber Ayatollah Khomeini, der islamische Revolutionär, der die Welt in die Zeit des Propheten Mohammads zurückschrauben wollte, setzte die Idee der absoluten Herrschaft des Klerus um.
Die Revolution gegen die Modernisierungsdiktatur der Pahlavi-Dynastie endete in einer Katastrophe. Sie diente den islamischen Fanatikern als Motor, um die Geschichte zurückzudrehen. Während die demokratischen und kommunistischen Organisationen noch von ihren jeweiligen Zielen träumten und sich gegenseitig befehdeten, bereitete der khomeinistische Teil innerhalb der Kaste des schiitischen Klerus bereits die totale Machtübernahme vor. Da die neue Führungsriege keine wirkliche Klasse darstellt, ist es angebracht von einer Staatskaste zu sprechen. Die scheinbar gespaltene und pluralistische Staatsführung verfügte schon immer über einen ideologischen Konsens: die Erhaltung und Stärkung der Macht des Welayate Faqih - der Herrschaft der Rechtsgelehrten.
Bei der Machtübernahme des neuen Staatsklerus war die Rolle des Revolutionsrates entscheidend. Dieser wurde schon in Neauphle-le-Chateau, dem vorübergehenden Aufenthaltsort Khomeinis in der Nähe von Paris, gebildet. In diesem Nukleus der neuen islamischen Macht waren bekannte Politiker wie Rafsanjani, Banisadr, der später in die Opposition ging, und Ali Khamenei vertreten. Der Revolutionsrat übernahm in der Stunde der Islamischen Republik die Rolle einer verfassungsgebenden Versammlung. Nach und nach ernannte der Revolutionsrat auserwählte Personen in die islamischen Organe und in Regierungsämter, vom Militärapparat und Kultureinrichtungen bis zu den Universitäten. Revolutionsgerichte und Revolutionsgarden forcierten die Machtübernahme.
Der Revolutionsrat spielte bei der Reislamisierung des Iran im Sinne des Ayatollah Khomeini eine entscheidende Rolle. In einer Erklärung nannte der Revolutionsrat als seine Aufgabe die "Säuberung aller Institutionen und Ministerien von verdorbenen und abhängigen Elementen um eine zur Revolution passende Bürokratie"1 zu schaffen. Die "Räder des Staates" sollten von "jungen, frommen, an die Revolution glaubenden Kräften" bewegt werden. Nach der Wahl des islamistischen Parlaments (Majless) im Mai 1980 und der Wahl des neuen Ministerpräsidenten Ali Rajai im September 1980 nahm der Einfluss des Revolutionsrates ab. Der klerikale Machtnukleus hatte sich durchgesetzt und verhindert, dass eine verfassungsgebende Versammlung (Majless Moassessan) gegründet wird. Zwar wurden verschiedene säkulare Verfassungsentwürfe ausgearbeitet, diese wurden aber alle islamisiert. Der Plan zur Realisierung des neuen totalitären Staates wurde in der Verfassung festgelegt. Nach und nach wurden alle nicht-islamistischen gesellschaftspolitischen und politischen Instanzen verfolgt und verboten. Fortan fungierte bis zu ihrer Auflösung Ende der 1980er Jahre die Islamisch Republikanische Partei (IRP) als eine politische Dachorganisation für alle khomeinitreuen Organisationen.2
Der von einigen Experten angenommene Dualismus, der im politischen System des islamischen Gottesstaates existieren soll, ist eine Fiktion. Die Volkssouveränität ist aufgehoben. Eine Gewaltenteilung existiert nicht. Die Trennung zwischen der Legislative, Exekutive und Judikative ist eine Fiktion. Majless, der "islamische Versammlungsrat", der gemeinhin als Parlament bezeichnet wird, gilt offiziell als Legislative, der Wächterrat aber auch. Die sogenannten islamischen Parlamentswahlen sind diktierte Wahlen. Der Wächterrat definiert, wer als Volkvertreter gelten darf. Alle nicht absolut der Linie des "Führers" folgenden Kräfte werden ausgeschlossen. Immer wieder werden selbst Reformislamisten, die auf die Linie des Imam Khomeini schwören, ausgeschlossen, weil sie eine andere Strategie zur Stabilisierung der Diktatur verfolgen. Die Diktatur organisiert Pseudowahlen, um die eigenen totalitären Institutionen zu stärken.
Die Wahlen sind eine Fiktion. Die Bevölkerung wählt vom Wächterrat "qualifizierte", also diktierte Kandidaten. Unabhängige Parteien und Gewerkschaften sind verboten. Dafür gibt es hunderte Organisationen und Gruppen, die sich willkürlich Partei nennen. Diese haben jedoch nichts mit Parteien im Sinne einer parlamentarischen und rechtsstaatlichen Demokratie zu tun.
Totalitäre Organe lassen eine Reformierung des Staates vermittelt über den islamischen Versammlungsrat nicht zu. Dies hat das Scheitern der reformislamistischen Bewegung im Iran bewiesen, die nicht der Demokratisierung, sondern ganz im Gegenteil der Stabilisierung der Diktatur diente.3
Die moslemischen Ideologen und Demagogen an der Macht propagieren, dass das Modell der "islamischen Republik" der einzige Weg zur wahren Demokratie sei. Selbstverständlich gelten die Sharia und Feqh, die islamische Gesetzgebung, als die einzige von Gott legitimierte Grundlage einer "wahren Demokratie". Islamische Gesellschaften können sich aber nur dann in einem rechtsstaatlichen Sinne demokratisieren, wenn sie sich vom islamischen Gesetz als Staatsgesetz verabschieden. Der theokratische Anspruch, im 21. Jahrhundert die Staatsmacht zu definieren, kann nur mit totalitären Mitteln durchgesetzt werden. Ohne die Anwendung totalitärer Gewalt kann eine Islamisierung der Gesellschaft nicht erfolgen.
Seit 28 Jahren verficht die iranische Diktatur einen totalitären Anspruch, der gesellschaftlich aber nur bedingt durchgesetzt werden konnte. Der erste islamische Revolutionsführer des Iran propagierte eine technologische Moderne, aber kulturell und politisch die Gegenmoderne. Der Khomeinismus ist der Versuch, die islamische Herrschaft heute wieder wie zu Zeiten der Herrschaft des Propheten Mohammads zu errichten. Insofern ist der Khomeinismus oder der islamistische Herrschaftsanspruch der Versuch, den Islam wiederzubeleben. Wenn die Gesellschaft aber Werte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte gerochen hat, dann ist der "Fromme" gezwungen, das Gesetz des Schwertes in Form der repressiven Gewaltausübung einer Diktatur durchzusetzen.
Folgende Elemente sind für einen islamisch legitimierten Totalitarismus wie im Iran charakteristisch: Führerprinzip, totalitäre Organe, Antisemitismus im Sinne eines eliminatorischen Antizionismus, Massenbewegung und -mobilisierung, Ideologie und Propaganda, Geheimpolizei und Terror, Anti-Baha'ismus, geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen, (k)ein Parteiensystem.4
An der Spitze des Gottesstaates steht der Stellvertreter Gottes auf Erden, der charismatische Revolutionsführer. Im Iran gibt es keine Souveränität des Volkes, denn die Umma ist das Volk Gottes und hat seinem Vertreter zu gehorchen. Dieser Vertreter ist ein Machtmonopolist. Nach der Verfassung ist er der Oberbefehlshaber der Streitkräfte [Art.110/4], entscheidet über den Einsatz der Streitkräfte [Art.110/5], wählt oder entlässt die Mitglieder des Wächterrates [Art.110/6a], ernennt den obersten Richter [Art.110/6b] und den Direktor des Medienrates des Landes [Art.110/6c]. Er ist befugt, den Generalstabschef [Art.110/6d], den Oberkommandierenden des Korps der islamischen Revolutionswächter [Art.110/6e] und den Oberkommandierenden der Armee und der Polizei [Art.110/6f] zu berufen und abzusetzen. Er steht über Judikative, Legislative und Exekutive [Art.110/7], interveniert, wenn der Schlichtungsrat Konflikte nicht lösen kann [Art. 110/8], unterzeichnet die Ernennungsurkunde des Präsidenten nach seiner Wahl oder setzt ihn ab [Art. 110/9 und 10].5
In der Islamischen Republik Iran nimmt der charismatische Führer eine Sonderstellung ein. Er ist Staatsoberhaupt und beansprucht auch die oberste religiöse Instanz zu sein. Er versteht sich ideologisch als in der Tradition des Propheten und der zwölf schiitischen Imame stehend. Der Inbegriff der so konstituierten und abgesicherten "charismatischen Autorität" ist der verstorbene Revolutionsführer Khomeini.6 Der gegenwärtig herrschende Revolutionsführer Khamenei besitzt zwar nicht die Integrationskraft Khomeinis, bildet aber gemeinsam mit den totalitären Institutionen des Wächterrates, des Expertenrates, der Versammlung zur Erkennung der Systeminteressen und dem Obersten Rat der...
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