Schweitzer Fachinformationen
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Man stelle sich einen sechzehnjährigen Jungen vor, der jeden Tag durch eine Schule geht, in der er zwar körperlich anwesend ist, aber geistig durch das Raster fällt. Zu Hause herrscht Sprachlosigkeit, online findet er plötzlich Resonanz - jemand spricht ihn an, hört zu, nennt ihn »Bruder«. Was ihm sein Umfeld nicht geben konnte - Orientierung, Wert, Bedeutung -, bekommt er in radikalisierten Foren in greller, überzeichneter Form zurück. Der Weg vom Gefühl der Unsichtbarkeit zum Gefühl der Mission ist erschreckend kurz. Aus einem einsamen Jugendlichen wird ein potenzieller Täter, nicht weil er »böse« ist, sondern weil ihm niemand rechtzeitig die Hand gereicht hat, bevor andere es taten - mit Parolen, Feindbildern und falscher Geborgenheit.
Und dann explodiert etwas - vielleicht eine Bombe, vielleicht nur ein Leben, das entgleist. Zurück bleiben fassungslose Eltern, entsetzte Lehrer, ratlose Nachbarn, die sagen: »Man hätte es nie gedacht.« Doch die Zeichen waren da - nicht laut, nicht grell, sondern leise: Rückzug, Verhärtung, ein verlorener Blick, ein plötzlicher Sinn fürs Absolute. In der Radikalisierung eines Teenagers spiegelt sich auch das Versagen der Welt, die ihn nicht gehalten hat. Der Moment der Gewalt ist nicht der Anfang, sondern das bittere Ende einer Geschichte, die viel früher begonnen hat - mit einem Kind, das dazugehören wollte und schließlich dort aufgenommen wurde, wo es niemand erwartet hätte: im Schatten einer zerstörerischen Ideologie.[1] Teenager-Terrorismus ist kein Akt der Bosheit, er ist die Rache des Übersehenen. Ein Kind, das zu lange im Schatten stand, beginnt selbst, Schatten zu werfen.
Die Radikalisierung junger Menschen ist wie der Weg durch ein Labyrinth - kein geradliniger Pfad, sondern ein System aus Irrwegen, Sackgassen und geheimen Durchgängen, und oft nur einem Ausgang.[2]
Der Eingang ist meist unscheinbar, für Außenstehende kaum sichtbar. Der Jugendliche betritt das Labyrinth nicht mit einem Entschluss zur Gewalt, sondern mit einer Suche: nach Zugehörigkeit, Bedeutung, Gerechtigkeit, Identität. Es beginnt alles mit dem Gefühl, nicht dazuzugehören, unsichtbar zu sein, von Leere, Einsamkeit, Unverstandenheit. Soziale Exklusion, Diskriminierung, familiäre Instabilität oder schulisches Scheitern weisen den Weg.
In den digitalen Gängen des Labyrinths begegnet er neuen Stimmen - Foren, Videos, Chatgruppen. Dort wird er plötzlich gesehen, gehört, benannt. Die Stimmen geben ihm einfache Antworten, klare Schuldige und ein Gefühl von Macht. Die Orientierung ist noch diffus, aber das Versprechen: verlockend.
Je tiefer er vordringt, desto enger werden die Gänge. Zweifel werden als Schwäche markiert, Andersdenkende als Feinde. Die eigene Identität wird radikalisiert, vereinfacht, verdichtet. Es gibt kaum mehr ein Zurück - nur noch den Weg nach vorn, in die Dunkelheit.
Am Ende des Labyrinths steht kein Licht, sondern der vermeintliche Ausweg - ein Akt der Gewalt, eine symbolische Tat gegen die Gesellschaft, die ihn nie aufgenommen hat. Der Terrorakt ist die Entladung eines existenziellen Staus, eine zerstörerische Antwort auf eine Welt, die ihn nie gefragt hat, wie es ihm geht.
Nicht alle bleiben im Labyrinth gefangen. Es gibt geheime Durchgänge zurück: Begegnung, Vertrauen, alternative Zugehörigkeiten. Der Ausstieg ist schwer, aber möglich, wenn jemand die Hand reicht, Orientierung gibt und einen Kompass durch das Dickicht bietet.
In einer Zeit, in der Radikalisierung nicht mehr in dunklen Kellern, sondern in hellen Kinderzimmern beginnt, entlarvt dieses Buch ein verdrängtes Phänomen: den Terror aus der Mitte der Jugend. Ihre Welt ist eine, die gleichzeitig von grenzenlosen Möglichkeiten und der quälenden Angst vor dem Scheitern geprägt ist. Was sie auszeichnet, ist die Fähigkeit, alles zu hinterfragen, das Bestehende zu zerlegen und sich durch eine Flut aus Informationen und Eindrücken zu bewegen - ohne immer zu wissen, welcher Weg der richtige ist. Ihre Herausforderung besteht nicht nur in der Anpassung an die gesellschaftlichen Normen, sondern darin, ihre eigene Stimme zu finden, die sich zwischen der Flut der Erwartungen von außen und dem Drang nach Selbstverwirklichung behaupten muss. Inmitten dieser Suche ist der Teenager nicht nur von Neugier und Idealismus getrieben, sondern auch von der tiefen Sehnsucht, zu verstehen, wo er in dieser Welt seinen Platz hat - und womöglich auch, wie er die Welt verändern kann. Es ist diese Mischung aus grenzenlosem Potenzial und der ungestümen Kraft, die einen Teenager zu dem macht, der, wie kein anderer, die Welt auf den Kopf stellen kann.
Teenager-Terrorismus gedeiht dort, wo junge Menschen sich dauerhaft als Außenseiter erleben - entwurzelt, übersehen, ohne Stimme. Soziale Exklusion ist kein abstrakter Zustand, sondern ein stilles Gift:[3] Sie wirkt schleichend, indem sie Teilhabe verweigert, Anerkennung entzieht und Zukunftszuversicht dämpft. Wer über Jahre hinweg spürt, dass er nicht dazugehört, dass seine Geschichte in den Erzählungen der Gesellschaft keinen Platz hat, ist empfänglich für andere Narrative - jene, die klare Feindbilder zeichnen, Zugehörigkeit versprechen und den Schmerz der Ausgrenzung in Wut verwandeln.
Radikale Ideologien geben jenen Jugendlichen ein Zuhause, die sich von der offenen Gesellschaft verraten fühlen. Sie sind Türöffner für ein gefährliches Gefühl: Bedeutung. Plötzlich zählt man, wird gesehen, bekommt einen Auftrag - nicht selten mit mörderischer Konsequenz. Wie ein Navigationssystem, das den Jugendlichen auf einen gefährlichen, verschlungenen Weg führt, wählt er die Ideologie, ohne die dunklen, gefährlichen Abgründe zu erkennen, in die sie ihn ziehen wird. Eine Gesellschaft, die dem Terror entgegentreten will, muss deshalb mehr tun, als zu schützen und zu bestrafen - sie muss zuhören, einladen und Räume schaffen, in denen kein junger Mensch sich fragen muss, ob sein Leben einen Platz in ihr hat.
Dass ein Buch über Teenager-Terrorismus aktuell notwendiger denn je ist, zeigt ein Fallbeispiel: Die Bundesanwaltschaft hat im Mai 2025 fünf rechtsextreme Deutsche festnehmen lassen. Vier von ihnen wirft sie die Mitgliedschaft in der Vereinigung »Letzte Verteidigungswelle« vor, die die Bundesanwaltschaft des Rechtsterrorismus bezichtigt. Einer der Festgenommenen soll die Vereinigung unterstützt haben. Alle fünf sind zwischen vierzehn und achtzehn Jahre alt, »wobei sie alle als Jugendliche mit Verantwortungsreife handelten«, heißt es weiter in der Erklärung des Generalbundesanwalts. Die Polizei begann zudem mit Durchsuchungen in dreizehn Objekten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Hessen, Sachsen und Thüringen.
Die »Letzte Verteidigungswelle« soll spätestens seit Mitte April 2024 existieren und sich »als letzte Instanz zur Verteidigung der >Deutschen Nation<« verstehen, wie es von der Bundesanwaltschaft heißt. Ihr werden mehrere konkrete Terrortaten zur Last gelegt. So sollen zwei der Festgenommenen am 23. Oktober 2024 ein Feuer in einem Kulturhaus in Altdöbern in Südbrandenburg gelegt haben, wobei ein Sachschaden in Höhe von ungefähr 500000#x2005;Euro entstanden sei. Nur durch Zufall seien keine Menschen verletzt worden. Am 5. Januar 2025 sollen zwei weitere Personen im thüringischen Schmölln das Fenster einer Asylbewerberunterkunft eingeschlagen und versucht haben, das Gebäude zu entflammen. Dies sei allerdings gescheitert. Die Täter hätten u.a. die Schriftzüge »Ausländer raus« und »NS-Gebiet« an das Gebäude geschmiert, außerdem Hakenkreuze und Sigrunen. Vorausgegangen sind dieser Entdeckung Undercover-Recherchen eines Teams des Magazins Der Stern und von RTL.[4]
Der führende Terrorismusforscher Peter R. Neumann hielt im September 2024 fest, ungefähr zwei Drittel der Terrorverdächtigen, die in den letzten zehn Monaten verhaftet wurden, seien Teenager unter neunzehn Jahren gewesen.[5] Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) in Österreich warnte unlängst davor, dass sich an Schulhöfen bereits Zehnjährige radikalisieren.[6] Die Strafverfolgungsbehörde der Europäischen Union, Europol, zeigte sich in ihrem Bericht von 2024 besorgt über die gezielte Ansprache von jungen Menschen durch Terroristen.[7] Im Global Terrorism Index 2025 ist die Radikalisierung Jugendlicher ebenfalls ein Kernpunkt.[8]
Und ein Buch über Teenager-Terrorismus ist heute relevanter denn je, weil sich die Mechanismen der Radikalisierung fundamental verändert haben und traditionelle Sicherheitsstrategien oft nicht ausreichen, um diese neue Bedrohung zu verstehen und zu bekämpfen. Während früher terroristische Netzwerke klaren Hierarchien folgten, erleben wir heute eine digitale, dezentralisierte und individualisierte Form des Extremismus, die besonders Jugendliche anspricht. Soziale Medien,...
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