Einleitung

Dieses Buch kann Dein Leben verändern. Klingt nach einem großen Versprechen, es ist aber tatsächlich so. Deshalb lege es jetzt nicht aus der Hand, bis Du das erste Kapitel fertig gelesen hast. Das dauert nur ein paar Minuten, doch in diesen Minuten wirst Du etwas Entscheidendes lernen.

Lass uns doch direkt loslegen, mit einer einfachen Gedankenreise: Stell Dir vor, Du würdest am Meer sitzen und hättest ein paar Minuten Zeit, um über Dein Leben nachzudenken. Der Wind weht Dir durch das Haar, ein paar Möwen kreischen im Flug und Dein Blick gleitet über die Oberfläche des Ozeans.

Am besten schaltest Du jetzt Dein Handy in den Flugmodus, denn mit ein bisschen weniger Ablenkungen kannst Du gleich klarer und freier denken. Diesen Flugmodus, von unserem Handy genau wie von uns selbst, schalten wir im Alltag viel zu selten ein. Das kennt jeder von uns aus eigener Erfahrung, auch ich. Vier Kinder, beruflich oft unterwegs, verantwortlich für viele Mitarbeiter und aktiv auf Social Media. Mein Kopf ist oft also ganz schön voll. Kommt Dir das irgendwie bekannt vor? Das ganze Thema, um das es in diesem Buch gehen soll, betrifft mich selbst und ich vermute, es betrifft Dich auch: Es geht um unseren Fokus. Darum, was Fokus eigentlich ist. Warum wir ihn so oft in unserem Leben verlieren. Und, noch wichtiger: Wie wir ihn gewinnen. Wie wir in unseren inneren und existenziellen Flugmodus schalten. Kurz: Wie wir uns fokussieren können auf das, was wirklich zählt in unserem Leben.

Apropos Flugmodus: Mein Handy ist aus, versprochen. Darf ich mich also neben Dich ans Meer setzen? Langsam rollen die Wellen heran, eine nach der anderen. Alles wirkt so ruhig hier. Eine perfekte Szene, um ein bisschen durchzuatmen. Wenn Du erlaubst, stelle ich Dir ein paar Fragen. Manchmal tut es einfach gut, sich selbst zu reflektieren; ein innerer Check, was gut läuft und wo gerade der Schuh drückt. Stell Dir vor, wir kommen darüber ganz locker ins Gespräch. Lass uns über Dich reden und darüber, wo Du gerade stehst.

Vielleicht ist gerade viel los in Deinem Leben. Eigentlich hast Du gar nicht genug Zeit, ein Buch zu lesen. Andererseits hast Du irgendwie das Gefühl, ein wenig mehr Fokus im Leben würde helfen. Im Grunde möchte jeder von uns ein Leben führen, auf das man im Rückblick stolz sein kann. Du auch? Du möchtest Deine Ziele erreichen und dabei nicht im Burn-out landen? Dann ist dieses Buch für Dich. Denn das ist tatsächlich möglich. Vielleicht nicht auf Anhieb, doch Du kannst das lernen. In den folgenden vier Kapiteln erfährst Du, wie Du in Deine Kraft kommst (Aktivierung), wie Du Sachen langfristig durchziehen kannst (Muskelaufbau), wie Du entspannst und nicht vom Stress getrieben bist (Runterkommen) und wie Du ein wöchentliches Muster wiederholst, durch das Du aus dem Vollen schöpfst und hochgradig effektiv lebst (Lebensrhythmus). Hört sich gut an? Dann legen wir los! Bereit für einen kleinen Test?

Es gibt eine Geschichte über den Erfinder des Schachs, die Du vielleicht schon kennst, sie spielt in Indien und vor langer Zeit: Der Legende nach war der König von dem neuen Spiel so begeistert, dass er dem Erfinder ein großes Geschenk machen wollte. Was wünsche er sich, Ländereien oder ein prachtvolles Haus? Sein Wunsch sei viel einfacher, so der Erfinder; er wünsche sich lediglich Reis. Nur Reis? Wie bescheiden, dachte der König. Doch solle auf das erste Feld des Schachbretts ein Reiskorn gelegt werden, auf das zweite zwei, auf das dritte vier, auf das vierte acht und immer so weiter, präzisierte der Erfinder. Der König war erstaunt über ein so uneitles Ansinnen und stimmte gerne zu. Über die Anzahl der Reiskörner hatte er auch nicht weiter nachgedacht.

Doch nun zu Dir und zu unserem Test. Das Schachbrett hat 64 Felder. Wie viele Reiskörner bekommt der Bauer, wenn sich die Zahl mit jedem Feld verdoppelt? Überlege kurz und gib dann eine Schätzung ab. Erst dann darfst Du umblättern.

Bist Du bereit? Hier die Auflösung:

18.446.744.073.709.551.615

Das ist die Zahl. In Worten: 18 Trillionen, 446 Billiarden, 744 Billionen, 73 Milliarden, 709 Millionen, 551 Tausend, 615 Reiskörner. Das ist wahrscheinlich etwas mehr, als Du auf Anhieb geschätzt hast. Eine unvorstellbare Menge. Der Erfinder des Schachspiels hätte also ziemlich lang mehr als genug kohlenhydratreiche Beilage zu seinem täglichen Curry gehabt. Um diese Zahl in ein Verhältnis zu setzen: Ein Kilo Reis besteht aus etwa 40.000 Körnern, in einem 25-Kilogramm-Sack Reis sind etwa eine Million Reiskörner. Nun kannst Du ausrechnen, wie viele Säcke in den 18 Trillionen sind, doch in diesem Buch geht es nicht über Mathematik (der Verfasser war in der Schule unfassbar schlecht darin). Es geht um Dein Leben.

Die Pointe der Geschichte ist für mich nämlich nicht die astronomische Summe, die am Ende steht, sondern das, was zuvor geschieht. Das schier Unglaubliche ereignet sich erst nach und nach. Von Feld zu Feld verdoppelt sich die Anzahl. Das Ergebnis auf den Feldern 62, 63 und 64 ist atemberaubend. Doch das eigentliche Geheimnis findet sich schon auf den ersten Feldern. Hätte die Geschichte nicht mit einem, zwei, vier und acht Körnern begonnen, hätte niemand diese ersten Körner gelegt, dann wäre nichts Besonderes passiert.

Was aber, fragst Du Dich vielleicht gerade, haben Schach, ein schlauer Erfinder und Trillionen von Reiskörnern mit mir zu tun? Nun, wenn Du dieses Buch liest, dann wahrscheinlich, weil Du Dich auch nach mehr sehnst. Weil Du ahnst, dass es in Deinem Leben noch Luft nach oben gibt. Doch an diesem Punkt begegnest Du der entscheidenden Falle: Entmutigung. In einem späteren Kapitel geht es genau darum. Du blickst auf den schier unüberblickbaren Berg Deiner Ideale und fühlst Dich nur noch elender. Als wären sie die Reissäcke aus unserem Beispiel, nur, dass Du nicht weißt, wie Du sie heranschleppen sollst.

Um von unserem Beispiel die Linie zu Deinem Alltag zu ziehen: Vielleicht fallen Dir jetzt auch die drei Rechnungen ein, die Du noch nicht bezahlt hast, Dein unaufgeräumter Schreibtisch, die 42 Kilo Übergewicht und die Monate, die vergangen sind, seitdem Du das letzte Mal Sport gemacht hast. Bitte lass Dir versichern: Dir noch mehr Stress zu machen, ist das Letzte, was dieses Buch will. Es geht nicht darum, dass Du innerhalb kürzester Zeit alle Baustellen in Deinem Leben angehst. Vielleicht wirst Du das auch nie ganz schaffen. Besonders, wenn Du mit ADHS, einer Sucht, einer schweren Krankheit oder Problemen im Bereich der mentalen Gesundheit zu tun hast, kann es sein, dass selbst ganz kleine Schritte für Dich extrem anstrengend sind. Dann zolle ich Dir umso mehr Respekt, dass Du dieses Buch überhaupt liest! Auch, wenn Du gerade durch eine Phase gehst, in der es Dir emotional sehr schlecht geht, können sich die einfachsten Alltagstätigkeiten wie kaum zu bewältigende Lasten anfühlen. Bitte mach Dich in diesem Fall nicht fertig, sondern lies einfach weiter. Es geht tatsächlich um ganz kleine erste Schritte.

Doch hier kommt wieder die Geschichte mit den Reiskörnern ins Spiel: Es geht darum, das erste Korn auf das Spielfeld zu setzen. Dann das zweite. Dann werden es vier, dann werden es acht. Die Geschwindigkeit der Entwicklung nimmt nicht zu. Es ist immer nur eine weitere Verdopplung. Doch es gibt einfach mehr zu verdoppeln. Und genau das ist das Geheimnis eines fokussierten Lebens: Es wird nicht immer schwieriger, sondern Du lernst einen stetigen Mechanismus, der sich selbst verstärkt. Ja, das trifft auch für Dich zu, wenn Struktur und Selbstdisziplin nicht gerade Deine stärksten Eigenschaften sind. Und das, was am Anfang steht und was uns hilft, unsere Reiskörner auf das Spielfeld des Lebens zu setzen, ist: Fokussierung, ist Fokus.

Mir persönlich ist dieses Thema ein großes Anliegen, weil ich seit vielen Jahren mit jungen Menschen arbeite. Mir begegnet immer wieder etwas, das mich total erschreckt. Ich sehe es öfter bei jungen Männern und nenne es »Potenzial-Verrottungs-Syndrom«. Jemand mit 20 sitzt vor mir. Musikalisch begabt, wach im Geist und klar im Hirn, kreativ und sympathisch. Er erzählt mir, dass er keine Ausbildung machen möchte, sondern »erst einmal leben«. Die Musik würde ihn schon irgendwann berühmt machen. Ob, so frage ich dann sachte nach, er tatsächlich so sicher sei, dass die ganze Welt nur auf seine Musik warten würde? Ob vielleicht zumindest eine professionelle musikalische Ausbildung sinnvoll wäre? Nein, das würde sich schon irgendwie durch das Internet ergeben. Nach einem Jahr treffe ich ihn wieder, er sei ein bisschen gereist, wohne jetzt bei einem Freund und überlege, nebenher ein bisschen zu jobben. Ein Jahr später sieht es noch nicht viel anders aus .

Eine solche Anekdote klingt vielleicht lustig, wenn es um einen 20-Jährigen geht. Etwas bedenklicher ist es, wenn der Kandidat 30 oder 40 ist. Natürlich dann in der Regel schon mit irgendeinem Job und auch einem irgendwie funktionierenden Leben. Aber genau dieses Irgendwie ist der springende Punkt, denn oft ist es ein Leben ohne Drive, ohne klare Richtung, eher statisch und ohne Entwicklung. Und das, obwohl wirkliche Begabung, wirkliches Potenzial vorhanden ist. Potenzial allerdings, das verrottet.

Klingt es dafür wenigstens entspannt? Vielleicht. Ist es aber in der Realität nicht. Vielleicht stellst Du Dir vor, in den Tag hineinzuleben, sei ein einziger realisierter Lebens­traum. Doch das trifft nur auf den Urlaub zu. Zwei Wochen lang am Strand chillen und schon vormittags Caipirinha: Das kann schon einmal lustig sein. Doch stell Dir vor, Du solltest zwei Jahre so verbringen? Spätestens nach einem Monat wäre Dir todlangweilig und es ginge Dir auch emotional nicht gut. Denn das...