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Die in Tirol gesprochenen Dialekte sind mit einer Ausnahme - in der Region Außerfern werden neben Tirolerisch auch, in einigen Gemeinden sogar ausschließlich schwäbisch-alemannische Dialekte gesprochen - dem Bairischen zuzuordnen, einer oberdeutschen Dialektgruppe.
Den einen Tiroler Dialekt gibt es nicht und daher auch keine einheitliche Aussprache. Echte Tiroler werden Ihnen sogar weismachen wollen, dass de då entn, also die dort drüben, die im Nachbardorf, einen vollkommen anderen Dialekt sprechen als sie selbst. Und manchmal haben sie gar nicht so Unrecht damit. Ohne zu sehr in die Tiefe gehen zu wollen, möchte ich Ihnen im Folgenden einen Eindruck von der Vielfalt der Tiroler Dialektwelt vermitteln.
Nehmen wir das Wort gehen: Rund um Innsbruck wird meist gian gesagt, in anderen Teilen Tirols allerdings auch gean, gen, ge oder gea. Lassen Sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen! Auch wenn das Schriftbild große Unterschiede vermuten lässt, liegen die Varianten in der Praxis nah beieinander. Diese Formen sind gegenseitig verständlich und häufig kommt es auch zu Vermischungen.
Die Vielfalt innerhalb der Dialektstruktur des Tirolerischen ist vor allem der Topografie geschuldet, die von hohen Bergen und tiefen Tälern gekennzeichnet ist. Lassen sich heutzutage nahezu alle Punkte der Region schnell und einfach mit dem Auto oder einem anderen Verkehrsmittel erreichen, konnten vor gar nicht langer Zeit die Wege nur zu Fuß zurückgelegt werden. Dabei bildeten die Berge eine Art natürliche Grenze und es wollte jedes Mal gut überlegt sein, bevor man sich aufmachte, um auf beschwerliche Weise über den 3.000 Meter hohen Gipfel ins Nachbartal zu wandern.
Der Kontakt zu Menschen in angrenzenden Regionen war also seit jeher eingeschränkt und so entwickelten sich in den Tälern und teilweise sogar in den unterschiedlichen Abschnitten eines Tals verschiedene Ausprägungen des hiesigen Dialekts.
In diesem Buch stelle ich hauptsächlich meinen eigenen Dialekt vor, eine gemäßigte Variante, die in der Nähe von Innsbruck gesprochen wird und überall in Tirol verständlich sein sollte. Man könnte sie fast als Durchschnittstirolerisch bezeichnen. Seien Sie aber nicht überrascht, wenn Ihnen in Tirol Wörter und Aussprachevarianten begegnen, die in diesem Buch nicht vorkommen. Die Vielfalt ist enorm. Es kann daher nicht mein Anspruch sein, die feinen Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen und ihren dialektalen Besonderheiten herauszuarbeiten, vielmehr möchte ich Ihnen einen allgemeinen Überblick vermitteln.
Wie so oft entsprechen die politischen Grenzen nicht den sprachlichen und so wird in Tirol nicht nur (südbairisches) Tirolerisch gesprochen und Tirolerisch nicht nur in Tirol. Die politischen Grenzen werden Sie vielleicht aus Sommer- und Winterurlauben kennen. Das österreichische Bundesland Tirol gliedert sich in zwei Teile. Nordtirol erstreckt sich vom Arlbergtunnel im Westen bis nach Kitzbühel im Osten. Osttirol wird im Norden von Großvenediger und Großglockner, im Südosten von den Gailtaler Alpen und im Westen von Italien begrenzt. Von Nordtirol aus erreicht man Osttirol nur über das Bundesland Salzburg oder Italien - vielleicht ein Grund dafür, dass es manchmal etwas stiefmütterlich behandelt wird. Aber: Auch Osttirol gehört zum Bundesland Tirol.
Und war da nicht auch noch Südtirol? - Auch wenn der Name es vermuten lässt: Südtirol gehört seit 1919 nicht mehr zu Tirol bzw. Österreich. Im berühmten Lied "Dem Land Tirol die Treue" (man spricht dabei auch gern von der inoffiziellen Landeshymne Tirols) heißt es: "[.] von dir gerissen wurde Südtirol" ? eine Sichtweise, die bis heute polemische Diskussionen auslösen kann. Einerseits wird von nationalistischen österreichischen Politikern die doppelte Staatsbürgerschaft für Südtiroler gefordert, andererseits kann man es bei Zeltfesten erleben, dass auf die zitierte Strophe hin die angeheiterten Gäste ein lautes "Gott sei Dank!" erschallen lassen. Fakt ist, dass Südtirol 1919 im Vertrag von Saint-Germain Italien zugesprochen wurde. Dennoch wird dort auch heute noch Deutsch gesprochen, ja sogar Tirolerisch. Die Unterschiede sind für das geschulte Ohr allerdings leicht zu erkennen und ein Südtiroler wird von einem Nordtiroler schnell als solcher identifiziert werden - und umgekehrt genauso. Das Südtirolerische könnte in seiner Vielfalt einen eigenständigen Dialektband füllen und wird in diesem Büchlein nicht behandelt. Aber vielleicht lässt sich mit einem Augenzwinkern behaupten, dass Tirolerisch in zwei Staaten gesprochen wird und es sich somit fast schon um einen internationalen Dialekt handelt.
Eine geografische Besonderheit Tirols ist die Region Außerfern, also die Region rund um die Stadt Reutte. Wer schon einmal das Vergnügen hatte, im Kolonnenverkehr über den Fernpass in Richtung Füssen zu kriechen (in die Gegenrichtung ist es nicht besser), hat das Außerfern bereits in aller Langsamkeit genießen dürfen. Die Lage des Außerfern, vom übrigen Nordtirol durch Gebirgsketten getrennt, hat unter anderem zur Folge, dass es für die Außerferner zum Einkaufen eher ins deutsche Füssen und Garmisch-Partenkirchen als nach Innsbruck geht. Und wenn sie doch mal die Landeshauptstadt besuchen und dabei die Autokolonnen am Fernpass vermeiden möchten, sind sie gezwungen, den Zug über München oder eine zweistündige Busfahrt mit Umstieg in Kauf nehmen. Es überrascht daher wenig, dass in diesem nördlichsten Teil Tirols neben Tirolerisch auch schwäbisch-alemannische Dialekte gesprochen werden, die den Dialekten in Vorarlberg und dem Allgäu ähnlich sind.
In Nordtirol verlaufen übrigens zwei inoffizielle Grenzen. Zum einen wird zwischen dem Oberland und dem Unterland und damit den Oberlandlern und den Unterlandlern unterschieden. Da diese Grenze in Nord-Süd-Richtung verläuft und sich die Landeshauptstadt Innsbruck etwa in der Mitte der lang gezogenen Region Tirol befindet, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Gebiet westlich der Stadt um das Oberland, bei dem Gebiet östlich der Stadt um das Unterland handelt. Aber zeigen Sie sich als Insider: Die wirkliche Grenze zwischen Ober- und Unterland ist die Melach, ein kleiner Fluss, der im Ort Kematen ca. fünfzehn Kilometer westlich von Innsbruck in den Inn fließt. Selbstverständlich werden mit den Ober- und den Unterlandlern verschiedene Wesenszüge verbunden. So ist der Oberlandler als eher schroff und verschlossen bekannt, während man den Unterlandlern Weltoffenheit nachsagt - gemessen an Tiroler Standards, versteht sich. Eine alte Weisheit für junge Männer besagt: "Bevor du von einer Oberlandlerin einen Kuss bekommst, bekommst du von einer Unterlandlerin ein Kind."
Die zweite Grenze ist eine Dialektgrenze, denn Tirolerisch ist nicht Tirolerisch. Die Dialekte, die westlich der Flussmündung der Ziller gesprochen werden, gehören zu den südbairischen Dialekten und alle, die östlich davon gesprochen werden, zu den mittelbairischen. Letztere ähneln somit den in Ober- und Niederbayern überwiegend verbreiteten Varietäten. Den Unterschied zwischen den Kufsteinern und den Landeckern hören Muttersprachler deutlich.
Das Tirolerische hat nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Alltagskommunikation. Im Unterschied zu anderen deutschsprachigen Gebieten galt der Dialekt in Tirol nie als Sprache der Unterschicht. Das ist eventuell darauf zurückzuführen, dass sich mangels Großstadt - auch wenn so manchem hier schon Innsbruck zu groß ist - keine großstädtische bürgerliche Kultur entwickeln konnte, die das Bedürfnis gehabt hätte, sich mittels einer gehobenen Sprache abzugrenzen.
Die Tiroler tragen und sprechen ihren Dialekt mit Stolz. Getreu dem Spruch Bisch a Tiroler, bisch a Mensch sollen unsere Gesprächspartner ruhig wissen, dass ein echter Mensch vor ihnen steht. Vor allem im Kontakt mit Gästen aus Deutschland wird kaum Standarddeutsch gesprochen. Es kann höchstens sein, dass, wenn Sie Glück haben, der Dialekt für Sie besonders langsam und deutlich gesprochen wird. Anders ist es sicherlich in der Tourismusbranche, wo man um die gute Laune seiner Gäste ganz besonders bemüht ist.
Dem Durchschnittstiroler fällt es hörbar schwer, sich mündlich im Standarddeutschen auszudrücken. An den Schulen wird...
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