Schweitzer Fachinformationen
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Hazel
In Silver Springs war es nie ruhig. Selbst mitten in der Nacht, wenn die Kinder und Betreuer in den niedlichen Blockhütten schliefen, war das Feriencamp am Ufer des Silver Lake erfüllt von den Klängen der Natur. Grillen zirpten im Schilf, Frösche quakten, und hoch oben in den Bäumen gurrte irgendwo ein Käuzchen. Trotzdem hielt ich den Atem an, während wir durch das finstere Dickicht schlichen, und zuckte zusammen, sobald unter der Sohle meines rechten Chucks ein trockener Zweig knackte.
»Psst.« Die warme Hand, die meine Finger sanft umschloss, drückte zu und sofort rauschte mein Puls noch weiter in die Höhe. Es war seine Berührung, die diese Reaktion in mir auslöste, nicht die Angst davor, erwischt zu werden.
Auch Neo fürchtete sich nicht. Er blieb stehen, schaute über seine Schulter zu mir zurück und grinste. Ich konnte im Licht des aufgehenden Mondes nicht viel von ihm erkennen. Aber ich wusste, dass sich gerade zwei Grübchen tief in seine Wangen bohrten und seine silbergrauen Augen vor Übermut funkelten.
»Alles okay?«, raunte er mir zu.
»Ja.« Ich presste die Lippen zusammen, um nicht zu lachen, legte meine Hand auf seinen flachen Bauch und gab ihm einen Schubs. Seine Muskeln, die ich den ganzen Tag über heimlich bewundert hatte, damit niemand merkte, wie verrückt ich nach ihm war, spannten sich an, und meine Handflächen wurden feucht vor Nervosität. Ich konnte es kaum erwarten, ihn endlich wieder zu spüren.
Neo ging weiter und zog mich sachte durch das Gestrüpp, während er die Zweige beiseiteschob, die uns im Weg waren. Nach ein paar weiteren atemlosen Schritten gelangten wir zu dem Maschendrahtzaun, der das Feriencamp umschloss.
Meine Eltern, denen Silver Springs gehörte, würden mich umbringen, wenn sie wüssten, dass wir an einer Stelle den Zaunpfahl gelockert hatten, um uns nachts aus dem Camp zu stehlen. Aber zum Glück hatten sie keine Ahnung davon.
Genauso wenig hatten sie bisher mitgekriegt, dass ich mich bis über beide Ohren in einen Campteilnehmer verliebt hatte. Schließlich gab es immer irgendeine Krise, die bewältigt werden musste. Da konnte man unmöglich seine sechzehnjährige Tochter im Auge behalten.
Früher hatte mein älterer Bruder Reed diesen Job übernommen, aber der hatte vor ein paar Wochen seinen Schulabschluss gemacht und tingelte gerade mit ein paar Freunden durchs Land, weshalb uns glücklicherweise niemand im Weg stand.
Neo ließ meine Hand los, packte den Zaunpfahl und hob ihn aus der Verankerung, woraufhin ein schmaler Spalt entstand. Ich schlüpfte als Erste hindurch, bevor er mir folgte. Da er wesentlich größer und breiter war als ich, kostete es ihn etwas mehr Mühe, sich durch den Spalt zu zwängen. Anschließend schob er den Zaunpfahl zurück und schaute auf mich hinab.
Mein Magen flatterte.
Selbst nach all den Wochen, die Neo bereits im Camp war, konnte ich immer noch nicht so richtig glauben, dass dieser wahnsinnig coole Typ meine Gefühle tatsächlich erwiderte. Aber so war es.
Uns beiden hatte ein kurzer Blick gereicht, und es war, als wäre ein Blitz direkt in unsere Seelen gekracht. Er hatte nicht nur meine, sondern auch Neos Welt komplett erschüttert, und obwohl wir beide wussten, dass wir nur eine begrenzte Zeit zusammen hatten, waren wir beide machtlos gewesen. Wir hatten es gerade mal drei Tage ausgehalten, bevor wir der Anziehung nicht länger widerstehen konnten.
»Wollen wir weiter?«, fragte Neo leise, und seine warme Stimme ließ meinen Nacken prickeln.
Anstelle einer Antwort sprang ich in seine Arme.
Neo fing mich auf, als hätte er meine Bewegung vorausgeahnt, und hob mich ein Stück höher, damit ich meine Beine um seine schlanke Hüfte legen konnte. Sobald ich mit ihm auf Augenhöhe war, presste ich meine Lippen auf seine.
Ein raues Stöhnen entwich seiner Kehle, bevor er begierig unseren Kuss vertiefte. Seine Zunge tauchte in meinen Mund und umspielte meine.
Ich hatte bisher noch nicht viele Jungen geküsst. Aber keiner hatte mich je so geküsst wie Neo. Es war, als würde er seine ganze Seele in unsere Küsse legen. Sie schmeckten nach Sommer und Sehnsucht und Glück. Ich konnte nicht genug davon bekommen.
Meine Fingerspitzen tanzten über die dunkelblonden Stoppeln auf seinem Kopf, woraufhin er erschauerte.
Neo war Leistungsschwimmer und hatte einen Großteil seines Lebens im Salt Lake City Sport Complex verbracht. Entsprechend gut ausgeprägt waren seine Muskeln. Es kostete ihn keinerlei Anstrengung, mich festzuhalten. Das einzige Problem war, dass ich ihn in dieser Position nicht ausziehen konnte. Dabei wollte ich ihn ganz dringend Haut an Haut spüren. Ich tupfte ihm einen Kuss auf die Lippen, ehe ich mich zurückzog und ihn zufrieden anschaute. »Jetzt können wir weiter.«
Sein verschleierter Blick klärte sich etwas. Dann stapfte er einfach los.
Kichernd wackelte ich mit den Beinen. »Lass mich runter. Ich kann selbst laufen.«
»Vergiss es, Baby.« Neo verstärkte seinen Griff. »Ich freue mich seit dem Aufwachen auf diesen Moment. Ich werde dich erst wieder loslassen, wenn ich es unbedingt muss.«
Seufzend schlang ich die Arme um seinen Nacken. »Ich habe dich auch vermisst.«
»Erklär mir noch mal, warum wir niemandem sagen können, dass wir zusammen sind«, verlangte er, während er in gemächlichem Tempo weiterging.
Ich zog eine Braue hoch. »Weil meine Eltern dich hochkant aus dem Camp schmeißen würden, wenn sie wüssten, dass du ihrer Prinzessin die Unschuld geraubt hast.«
Normalerweise reichte die Anspielung auf Sex aus, um Neos Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung zu lenken, aber heute funktionierte es nicht.
»Das ist total lächerlich«, brummte er und blieb stehen, weil wir angekommen waren. »Wir sind beide alt genug.«
»Trotzdem will ich es lieber nicht riskieren.« Ich hauchte ihm einen weiteren Kuss auf den Mundwinkel, bevor ich an ihm hinabrutschte. »Uns bleibt sowieso schon so wenig Zeit.« Kummer zog meinen Brustkorb zusammen.
Ein Schatten huschte über Neos Gesicht, doch dann schüttelte er entschieden den Kopf. »Wir denken nicht an das Ende des Sommers, schon vergessen?«
Ja, das hatten wir uns versprochen. Aber manchmal konnte ich einfach nicht anders. »Ich werde es hassen, wenn wir uns nicht mehr jeden Tag sehen.«
»Ich genauso.« Neo legte seine großen Hände an meine Wangen, bog meinen Kopf zurück und fing meinen Blick ein. Nichts als Liebe schimmerte in seinen sturmgrauen Augen. »Aber wir werden telefonieren und uns schreiben und Wege finden, uns so oft wie möglich zu treffen. Salt Lake City ist ja nicht am Ende der Welt.«
Das vielleicht nicht, trotzdem lag Neos Heimatstadt fast sechshundert Meilen von Silver Springs entfernt. Ich hatte Angst vor der Distanz. Und vor der Zukunft.
Neo seufzte. »Guck nicht so traurig, Baby. Das bricht mir das Herz.«
Ich zwang meine Mundwinkel in die Höhe, aber ich wusste, dass mir nur eine groteske Grimasse gelang.
»Einfach wunderschön«, stellte Neo todernst fest, woraufhin ich doch lachen musste.
Seine Augen blitzten auf, ehe er einen Schritt zurücktrat und seinen Rucksack abnahm. Er zog eine Picknickdecke heraus und breitete sie auf einem schmalen Wiesenstück aus. Es lag zwischen zwei größeren Felsbrocken direkt am Seeufer, und wegen des Gebüschs, durch das wir gekommen waren, war der gesamte Bereich vor neugierigen Augen geschützt. Man konnte ihn nur vom See aus einsehen.
Neo hatte mich hier gleich an seinem ersten Tag im Camp entdeckt, als er trainiert hatte. Er war zu mir geschwommen, hatte sich neben mich gesetzt, und wir hatten geredet. Und obwohl wir im Grunde nichts Besonderes getan hatten, war dies einer der schönsten Nachmittage meines Lebens gewesen.
Eigentlich war der Platz hier immer mein Zufluchtsort gewesen, wenn es mir im Camp zu trubelig wurde. Aber nun gehörte er uns beiden.
Wir ließen uns zusammen auf der Decke nieder, und Neo zog mich mit einem wohligen Seufzen in die Arme. Sofort legte sich die Beklommenheit, die ich eben noch empfunden hatte, und wurde durch ein Gefühl von Frieden ersetzt.
Gedankenversunken wickelte Neo sich eine meiner braunen Locken um die Fingerspitzen und schaute zu dem klaren Nachthimmel empor. »Ich will, dass du in der ersten Reihe sitzt, wenn ich bei den Olympischen Spielen antrete.«
Aus dem Mund eines anderen Jungen hätten diese Worte wie eine verrückte Träumerei geklungen. Aber nicht bei Neo. Er hatte schon etliche landesweite Wettbewerbe gewonnen und unzählige Streckenrekorde aufgestellt. Deshalb hegte ich keinen Zweifel daran, dass er es eines Tages bis zu den Olympischen Spielen schaffen würde. Ich lächelte. »Und wirst du auch gewinnen?«
»Definitiv.« Seine Hand wanderte hinab zu meinem Hintern. »Wenn es so weit ist, könntest du einen Siegestanz für mich aufführen. Vielleicht in einem der durchsichtigen Röckchen, in denen du immer tanzt.«
Ich schnaubte belustigt. »Ich tanze nicht immer in durchsichtigen Röckchen.«
»Aber ziemlich oft«, wandte er grinsend ein und zwickte mich in den Po.
Mit einem Quieken schoss ich hoch und krabbelte auf ihn, bis ich der Länge nach auf ihm lag. Ich konnte sein Herz spüren, das in schnellem Takt gegen meine Brust donnerte.
»Ich hätte dir diese Fotos niemals zeigen sollen«, sagte ich, obwohl ich es in Wahrheit keine Sekunde bereute. Dazu hatte ich mich viel zu sehr an seiner Bewunderung erfreut, als er festgestellt hatte, dass uns nicht nur diese wahnsinnige...
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