Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
1
Margot
Ich habe die Torte nicht geworfen.
Und jetzt mal im Ernst, ich finde, darauf sollten sich alle konzentrieren: auf meine außergewöhnliche Zurückhaltung. Auf die geradezu buddhistische Selbstkontrolle und majestätische Disziplin, die mich die preisgekrönte »Cheery-Cherry-Delight«-Torte haben ansehen und mich dagegen entscheiden lassen. (Nur damit ihr es wisst, es lag einzig und allein an dem Hemd, das er trug. So wütend ich auch war, brachte ich es nicht über mich, ein schneeweißes, frisch gestärktes Hemd von Brooks Brothers mit Button-down-Kragen derart zu entweihen. Ich bin schließlich kein Monster.)
Nicht dass es einem besonders empfehlenswerten Verhalten entspräche, ein Tablett voller Scones - mit zugegeben miserabler Treffsicherheit - nach dem Exfreund zu werfen. Das verstehe ich vollkommen. Und jeder, der mich kennt, würde bestätigen, dass es mir absolut nicht ähnlich sieht, so etwas zu tun. Ich, Margot Thurber Lewiston, bin stolz darauf, meine Emotionen unter Kontrolle zu haben -, und zwar vorbildlich -, selbst unter Druck einen würdevollen Auftritt hinzulegen, ruhig zu bleiben und stets das Gesicht zu wahren. Ich verliere so gut wie nie die Fassung, und erst recht nicht in einem Raum voller reicher Sponsoren für die Senatoren-Wahlkampagne meines Vaters.
In meinem ganzen Leben bin ich noch nie auch nur auf die Idee gekommen, mit Essen zu werfen - oder auch mit anderen Dingen, vor allem nicht in anderer Leute Häuser. Ich habe überhaupt wenig Übung im Werfen, was vermutlich der Grund dafür ist, dass ich meine Schwierigkeiten hatte, das Ziel zu treffen (ich habe mich wegen des beschmutzten Tischtuchs tausendmal bei Mrs Biltmore entschuldigt - und auch wegen der Belleek-Vase).
Ich bin gut erzogen, auf die gute altmodische, traditionelle Art und Weise. In meiner Familie werden Bescheidenheit, Höflichkeit und vor allem Diskretion hochgehalten.
Egal, was passiert, wir machen keine Szene.
Laut meiner Mutter, Margaret Whitney Thurber Lewiston (auch bekannt als Muffy), spricht nichts so deutlich für Geschmacklosigkeit - oder noch schlimmer für Neureiche -, als jemandem eine Szene zu machen.
Sie meint, ich hätte es geschafft, mich derart geschmacklos aufzuführen, dass die Leute noch die nächsten Jahre darüber sprechen würden.
Womit sie wahrscheinlich recht hat.
Aber ich kann es erklären.
? ? ?
Es begann mit einer dieser Textnachrichten, die niemand dienstagnachts von einem Exfreund bekommen möchte. Auch nicht in irgendeiner anderen Nacht.
Tripp: Ich muss dich unbedingt sehen. Stehe vor der Tür.
Ich: Es ist schon spät. Können wir nicht morgen reden?
Tripp: Nein, jetzt. Bitte. Ich brauche dich.
Stirnrunzelnd starrte ich mein Handy an und fragte mich, was er wollte. Wir hatten die Beziehung vor gut einem Jahr beendet, und auch wenn wir seitdem ein freundschaftliches, leicht verkrampftes Verhältnis aufrechterhielten, hatten wir seit der Trennung kein persönliches Gespräch mehr geführt. Während ich darüber nachdachte, wie ich ihm seinen Wunsch möglichst höflich abschlagen könnte, schrieb er erneut.
Tripp: Bitte, Gogo. Es ist wichtig.
Ich spürte, wie ich beim Lesen meines Spitznamens weich wurde. Nicht weil ich ihn so gern mochte, sondern weil er mich an bessere Zeiten erinnerte. Tripp und ich kannten uns schon sehr lange, unsere Familien waren miteinander befreundet, und früher hatte ich gedacht, wir würden den Rest unseres Lebens miteinander verbringen. Die Erinnerung daran stimmte mich gnädig.
Ich: Okay. Gib mir eine Minute.
Die Minute benutzte ich dazu, meinen Pferdeschwanz zu lösen, einen BH unter das College-T-Shirt zu ziehen, das ich nachts zum Schlafen trug, und in eine pinke Seiden-Schlafanzughose zu schlüpfen. Ein heftiger Sommerregen trommelte auf das Dach meines Stadthauses, also eilte ich die Treppe hinab zur Eingangstür, um Tripp zu erlösen. Doch natürlich war er völlig trocken.
»Hey«, sagte ich verlegen und wich vor seinem tropfenden Regenschirm zurück, als er in den Hausflur trat. Schwülheiße Luft drang von draußen herein, und ich schloss schnell die Tür hinter ihm und schaltete das Licht an.
»Hey.« Er stellte den Schirm in den dafür vorgesehenen Ständer neben der Tür und fuhr sich mit den Fingern durch das ordentlich geschnittene dunkelblonde Haar. Er trug ein rosafarbenes Hemd mit hochgerollten Ärmeln, das er in ein Paar weiße Shorts mit aufgestickten grünen Walen gesteckt hatte. Er besaß auch entsprechende lange Hosen in verschiedenen Farben mit kleinen Walfischen darauf. Mein Blick verharrte einen Moment lang auf den vertrauten Segelschuhen. Ohne Socken.
»Danke, dass du mich reinlässt«, sagte er.
»Was ist los?« Ich drehte meine langen Haare zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Können wir uns hinsetzen? Ich muss mit dir reden.« Mir schlug eine Whiskeyfahne entgegen, und als ich sein Gesicht genauer betrachtete, bemerkte ich, dass seine Augen blutunterlaufen waren.
»Können wir nicht hier reden?«
Er wand sich unbehaglich. »Hör zu, ich weiß, dass die Sache mit uns nicht so gut gelaufen ist.«
»Das ist ein Jahr her. Ich bin darüber hinweg, Tripp.« Es stimmte. Fast. Manchmal verspürte ich noch einen Anflug von Traurigkeit, wenn ich an die drei Jahre dachte, die wir zusammen gewesen waren, und an meine Hoffnungen, inzwischen verlobt oder gar verheiratet zu sein. Doch meine Therapeutin hatte mich halbwegs davon überzeugt, dass sich meine Enttäuschung weniger um den Verlust von Tripp selbst drehte. Vielmehr ging es um diesen Wunsch, diesen Traum von einem Leben, das ich mir mit ihm vorgestellt hatte. Um ehrlich zu sein, war ich mir immer noch nicht ganz sicher, was der Unterschied war.
»Aber was, wenn ich es nicht bin?«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie bitte?«
»Was, wenn ich nicht darüber hinweg bin, über die Sache mit uns?«
»Wie meinst du das? Red keinen Unsinn, Tripp. Du warst doch viel früher über unsere Trennung hinweg als ich. Du warst es, der mich nicht heiraten wollte. Ich war bereit.«
»Das habe ich nie gesagt. Es lag nicht an dir.« Sein breites Kinn schob sich nach vorn. »Ich habe nur gesagt, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich heiraten will.«
»Nun ja, ich war mir sicher. Und ich hatte nicht vor, ewig darauf zu warten, dass du dich endlich entscheidest. Und jetzt habe ich die Sache hinter mir gelassen, Tripp. Und du doch auch. Das Leben geht weiter.«
Mein Liebesleben war allerdings nicht so wirklich weitergegangen. Seit der Trennung hatte ich keine nennenswerten Dates mehr gehabt. Tripp dagegen wurde in der Stadt immer wieder mit irgendwelchen Studentinnen gesehen. Seit Kurzem traf er sich mit einer, die meine Freunde Margot 2.0 nannten, da sie quasi eine jüngere, blondere, großbusigere Version von mir war. (Laut Muffy tat das alles nichts zur Sache, da sie eine Neureiche war, was bedeutete, dass sie in den Augen von Tripps Eltern, Mimi und Deuce, völlig ungeeignet war.)
»Was ist mit deiner Freundin? Weiß sie, dass du hier bist?«
»Amber?« Er runzelte die Stirn. »Nein. Sie denkt, ich wäre bei meinem Vater, was ich auch war. Er .« Das Stirnrunzeln verstärkte sich, und er schluckte schwer.
»Er was?« Mit einem Mal bekam ich Angst. Deuce war schon über siebzig, und sein hoher Blutdruck in Kombination mit seiner Vorliebe für fette Steaks und harte Drinks machten die Sache nicht besser. Er hatte Ende vergangenen Jahres seinen dritten Herzinfarkt gehabt. »Geht es deinem Vater gut?«
»Ja, es geht ihm gut. Aber .« Er verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen, und seine feuchten Schuhe quietschten auf dem Holzboden. Ich hatte Tripp noch nie so nervös und angespannt erlebt. Sonst war er immer Mr Selbstbewusst, besonders nach ein paar Gläsern Scotch - teuer, versteht sich -, nur so strotzend vor der Arroganz des gut aussehenden, reichen, gebildeten weißen Mannes.
»Spuck es aus, Tripp«, forderte ich ihn auf und unterdrückte ein Gähnen. »Sonst können wir auch morgen darüber reden. Ich bin müde, und ich muss morgen früh arbeiten. Ich rufe dir ein Taxi, wenn du nicht mehr nach Hause fahren kannst, denn ehrlich gesagt riechst du ein bisschen so, als hättest du .«
»Heirate mich, Margot!« Er warf sich abrupt vor mir auf die Knie. »Ich will heiraten. Dich heiraten.«
»Was?« Mein Herz begann wie wild zu klopfen. Meinte er das ernst?
»Heirate mich. Bitte. Es tut mir alles so furchtbar leid.« Er schlang die Arme um meine Beine und drückte das Gesicht an meinen Bauch.
Ich rüttelte an seiner Schulter. »Um Himmels willen, Tripp. Du bist betrunken. Steh auf!«
»Ich bin nicht betrunken. Ich weiß genau, was ich sage. Ich muss dich heiraten.«
Ich erstarrte, versuchte nicht länger, mich von ihm zu befreien, und starrte auf seinen Haarschopf hinab. »Wie meinst du das, du musst mich heiraten?«
Nun erstarrte er für einen Moment, erholte sich jedoch schnell wieder. »Ich muss dich heiraten, weil mir klar geworden ist, dass du die Einzige für mich bist. Wir sind perfekt füreinander. Du warst immer die Richtige, Margot. Immer.«
Okay, er bot einen ziemlich erbärmlichen Anblick - die...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.