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Der Mann stand im Schatten und bereitete sich auf den Mord vor. Er zog den Mantel fester um seine Schultern und dehnte seine vom langen regungslosen Stehen steif gewordenen Muskeln. In der kalten Luft der Herbstnacht bildeten sich dichte Atemwolken vor seinen Lippen. Es war nicht gerade angenehm, hier zu warten, aber er würde durchhalten. Sein Entschluss stand fest.
Schon längere Zeit hatte er einen Verdacht gehegt, doch jetzt kannte er die ganze Wahrheit. Er war ihnen bis hierher gefolgt und hatte beobachtet, wie sie gemeinsam im Stall verschwunden waren.
Leises Frauenlachen wehte aus dem Stall zu ihm herüber. Er biss die Zähne zusammen. Seine Hand umschloss den Griff seines Sachsmessers, der aus einem Geweih gefertigt war. Die Berührung der Waffe verlieh ihm Ruhe und Gewissheit, auch wenn er das Messer am heutigen Abend nicht benutzen würde. Nein. Es würde keinen Kampf geben, kein Klirren der Klingen. Keine ehrenvolle Schlacht. Keine Heldentaten, von denen die Sänger später künden könnten und die im flackernden Licht der Feuer in den Metsälen von den Barden verbreitet würden. Hier gab es kein Licht. Der Tod würde heimlich kommen, von Finsternis umhüllt.
Was er zu tun hatte, war klar. Dennoch durfte niemand je erfahren, was in dieser Nacht hier geschehen würde. Sollte er entdeckt werden, dann hatte er sein Leben verwirkt.
Irgendwo auf der westlichen, dem Festland zugewandten Seite der Festung bellte ein Hund, dann war es wieder still. Vom Osten her war das ferne Rauschen der Brandung zu hören, die tief unter ihm gegen die Klippen schlug.
Auf dem Palisadengang in einiger Entfernung war gerade eben noch die Silhouette eines Wachsoldaten zu sehen gewesen, jetzt schob sich eine Wolke vor den Mond. Das alles sehende Auge Wodens, des Vaters sämtlicher Götter, war geschlossen. In einer solchen Nacht schliefen die Götter und gaben den Menschen so die Gelegenheit, das eigene Schicksal zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ein bedeutender Mann wie er konnte sich dann nehmen, was ihm von Rechts wegen zustand. Schon seine Mutter hatte ihm einst prophezeit, dass er ein Mann werden würde, der Könige entthronen und Königreiche zum Einsturz bringen würde, und für bedeutende Männer galten die Gesetze der gewöhnlichen nicht.
An diesem Gedanken hielt er sich fest, während er sich bereit machte, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Als er schauderte, redete er sich ein, dass das nur an der Kälte lag, bevor er sich noch ein wenig tiefer in den Schatten zurückzog.
Aus dem Gebäude drang nun ein anderes Geräusch zu ihm, das rhythmische Keuchen und Stöhnen zweier Liebender. In den kehligen Lauten erkannte er Eldas Stimme wieder.
Wie konnte sie nur so wankelmütig sein? Er hatte ihr doch alles geboten. Bei Woden, er hätte sie zu seiner Frau gemacht! Allein der Gedanke, dass sie ihn verschmäht hatte, nur um diesem jungen Emporkömmling die Beine zu öffnen . Die Wut angesichts ihrer Zurückweisung stieg bitter wie Galle in ihm auf.
Ausgerechnet er! Octa! Der Mann, mit dem Elda es dort im Stall trieb. Octa hatte alles, was ein Krieger sich nur wünschen konnte. Einen großzügigen Lehnsherrn, der sich ihm gegenüber wohlwollend gab. Octa besaß Land und ein kleines Vermögen. Und natürlich das Schwert. Das Schwert, das ihm niemals hätte gehören dürfen. Es trug den Namen Hrunting und war ein Geschenk ihres gemeinsamen Herrn, König Edwin. Dieser hatte es dem Mann überreicht, der ihm, so glaubte er, in der Schlacht das Leben gerettet hatte. Doch er hatte es dem Falschen geschenkt. Die Schlacht war chaotisch gewesen. Der Schildwall war auseinandergebrochen und der König von Feinden umzingelt worden. Lange wirkte es so, als wäre alles verloren, bis einer der Krieger des Königs, einer seiner Recken, die Männer um sich geschart und damit der Schlacht die entscheidende Wendung gegeben hatte.
Im Anschluss hatte Octa aus Edwins Händen die Waffe erhalten. Hrunting. Ein Schwert, das eines Königs würdig war. Die Klinge geschmiedet aus ineinander verschlungenen Eisenstäben. Das Metall glänzte wie kabbeliges Wasser oder die schlüpfrige Haut einer Schlange. Das Heft war mit wunderschönen Knochenintarsien und aufwendigen Schnitzereien verziert. Jeder, der dieses Schwert einmal gesehen hatte, begehrte es.
Doch der Mann, der im Schatten lauerte, wusste, dass es eigentlich ihm gehören sollte. Er hatte den Anführer der Feinde niedergestreckt. Er war es gewesen, der bei dem Angriff, der ihnen den Sieg gebracht hatte, die Männer angeführt hatte.
Er war es, den das Schicksal zu Großem berufen hatte.
Ungläubig hatte er mit angesehen, wie das sagenumwobene Schwert seinem Rivalen übergeben worden war. Es war, als wäre der König verhext. Seit Octa in Bernicia aufgetaucht war, schien es, als würde ihm einfach alles gelingen, als könnte er nicht den geringsten Fehler machen.
Seine Empörung über Eldas Verhalten war nichts im Vergleich zu dem Zorn, den er empfand, wenn er an den Aufstieg seines Feindes dachte.
Er berührte den Hammer Thunors, der als Amulett an einem Lederband um seinen Hals hing. Der Priester des sanften neuen Gottes, dieses Christus, predigte Vergebung, doch die alten Götter verlangten keine Vergebung. Stattdessen forderten sie Vergeltung. Schnell und grausam. Und nun würde es nicht mehr lange dauern, bis sie ihren blutigen Tribut erhalten würden.
Langsam öffnete sich die Stalltür, und das Objekt seines Hasses trat heraus. Der Beobachter hielt den Atem an. Das Licht der Sterne ließ Octas goldenes Haar schimmern wie poliertes Eisen. Breitschultrig und groß war er, seine Bewegungen mühelos elegant. Er wirkte wie die Heldengestalt aus einer Legende. Der Mann, der in der Dunkelheit lauerte, wurde von Hass und Eifersucht überwältigt.
Als der blonde Riese zwischen zwei Lagerhäusern verschwand, wo vollkommene Dunkelheit herrschte, schlich ihm die schemenhafte Gestalt hinterher. Unter seinem Mantel trug der Verfolger nichts weiter als einen Kittel und eine Kniehose, um sich möglichst lautlos zu bewegen. In der Hand hielt er einen dicken Eichenknüppel.
Er näherte sich Octa von hinten. Hier konnten sie weder vom Palisadengang noch vom Weg zwischen den Gebäuden aus gesehen werden. Er hob den Knüppel und machte den letzten Schritt. Sein Opfer wurde zwar von seinem Instinkt gewarnt, verharrte plötzlich und drehte sich um, doch seine Ahnung kam zu spät.
Eigentlich hatte Octa hier nicht das Geringste zu befürchten. Die dicken Mauern der Festung garantierten Sicherheit. Noch trug er Eldas wärmende Leidenschaft im Leib und im Herzen, und die Erinnerung an die gerade erlebten Wonnen machte ihn träge. Alles zusammen war der Grund, weshalb Octas Drehung zu langsam geriet. Er nahm die dunkle Gestalt, die sich aus der Dunkelheit auf ihn stürzte, kaum wahr. Mit einem widerwärtigen dumpfen Aufprall kollidierte der Knüppel mit seiner Schläfe. Octa schlug wild um sich und taumelte rückwärts. Er wollte Hrunting aus der Scheide ziehen, war aber zu benommen, und seine Hand verweigerte ihm den Dienst.
Der dunkle Schatten landete den nächsten schmerzhaften Kopftreffer. Octa wehrte sich tapfer, doch er konnte nur noch verschwommen sehen. Er wusste immer noch nicht, was hier eigentlich geschah, aber ihm war klar, dass er in Gefahr schwebte und sein Körper ihm nicht gehorchen wollte. Als der nächste Schlag seinen Schädel erschütterte, blitzten Lichter vor seinem inneren Auge auf. Er stöhnte laut und sank auf ein Knie.
Octa machte Anstalten, wieder aufzustehen, um seinem Gegner aufrecht gegenüberzutreten. Er mühte sich sehr, doch dann prasselte eine ganze Serie von Schlägen auf sein Gesicht und seine Schultern ein, und er brach zusammen, war nicht mehr in der Lage, sich zu verteidigen.
Bald schon lag er regungslos da, sein Gesicht nur noch eine einzige feucht glänzende dunkle Masse.
Sein Angreifer keuchte angestrengt mit offenem Mund und lauschte. Sollte jemand etwas von diesem Kampf mitbekommen haben, wäre er so gut wie tot. Er wartete, bis sich sein Atem wieder beruhigte. Doch niemand kam herbeigerannt. Niemand schlug Alarm.
Hastig zog er Hrunting aus der mit Wolle gefütterten Scheide. Einen Augenblick lang drehte er das Schwert in diese und jene Richtung, bewunderte seine Ausgewogenheit, spürte voller Freude sein Gewicht. Es war wahrhaftig ein Meisterwerk. Eine bedeutende Waffe für einen bedeutenden Mann. Er hätte die Klinge gerne noch länger betrachtet, musste sich aber beeilen und sich seine bewundernden Blicke für später aufheben. Zwischen allerhand Unrat und dem Unkraut, das am Fuß eines Schuppens wucherte, entdeckte er ein Versteck.
Nachdem er Hrunting zu seiner Zufriedenheit dort vor neugierigen Blicken verborgen hatte, wandte er sich seinem leblosen Gegenspieler zu. Octa war von stattlicher Gestalt und alles andere als ein Leichtgewicht, genau wie er. Es würde nicht einfach werden, aber irgendwie würde er ihn schon hochheben. Er bückte sich und packte Octas Handgelenk. Die Hand baumelte kraftlos hin und her, als wollte sie ihm zuwinken. Er schauderte und versuchte, sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass der Geist des Mannes längst das Weite gesucht haben musste. Zunächst hievte er den Leichnam in eine sitzende Position, um ihn sich dann, mithilfe seines eigenen Körpergewichts und schierer Kraft, auf die Schultern zu wuchten. Schließlich stemmte er sich in die Senkrechte. Bei allen Göttern, der Hurensohn war schwer!
Er hatte den Weg, den er jetzt nehmen musste, genau geplant. Vorausgesetzt, die Schwestern des Schicksals, die die Fäden seines Lebens spannen, waren ihm gnädig gestimmt, konnte er ungesehen bis...
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