Schweitzer Fachinformationen
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«Arne braucht Urlaub. Er muss über vieles nachdenken.» Jördis strich sich eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr und fügte hinzu: «Dürfen wir dich zum Abendessen einladen, Sylvi? Es gibt nichts Besonderes, nur Butterbrot und so . aber ich würde mich freuen. Wir haben nicht so oft Besuch.»
Sie lächelte mich schüchtern an. Es war ein ganz reizendes Lächeln, das von Herzen kam. Auch wenn ich den Rest des Abends eigentlich lieber allein verbracht hätte, konnte ich unmöglich nein sagen, das hätte sie gekränkt. «Ich nehme gerne an, vielen Dank. Das ist total lieb.»
Jördis strahlte. «Bis gleich dann. Du kannst zur Terrassentür reinkommen.»
Ida sagte nichts, aber ihr Gesicht sprach Bände: Auf meine Gegenwart konnte sie ganz hervorragend verzichten. Immerhin war sie wohlerzogen genug, um damit nicht laut herauszuplatzen.
«Wunderbar», sagte ich zu Jördis. «Ich räume nur schnell mein Gepäck in den Wagen, dann bin ich da.»
Ich hatte die Bildergalerie bei SweetHolidayHomes so oft durchgeklickt, dass der Wagen mir ganz vertraut war. Trotzdem hatte ich Herzklopfen vor Aufregung, als ich zum ersten Mal eintrat. Das Raumangebot war deutlich bescheidener als in meiner Wohnung, das hatte ich gewusst. Trotzdem musste ich mich an diese Abmessungen erst mal gewöhnen. Alles war sauber und aufgeräumt, und es roch ein wenig nach Lavendel. Als ich einen Schrank im Schlafabteil öffnete, entdeckte ich einen mit Blüten gefüllten Duftbeutel aus Baumwolle, auf dem der Schriftzug Arne eingestickt war. Soweit ich es bisher überblicken konnte, war das Säckchen der einzige persönliche Gegenstand im Wagen. Sonst deutete nichts auf den Besitzer hin - es gab keine Bilder oder Fotos, Bücher oder Dekorationen. Entweder war Arne extrem minimalistisch, oder er hatte alles Private woanders untergebracht.
Auf dem Tisch im Küchenbereich stand eine Flasche Rotwein, die einen handgeschriebenen Brief beschwerte:
Liebe Sylvi,
nun bist du gut angekommen in Angelsby, und ich hoffe, du hast eine tolle Zeit an der Förde. Hier gibt es viel Schönes und Interessantes zu entdecken. Wenn du ein paar Tipps brauchst, ruf mich gerne an oder schick eine WhatsApp. Meine Nichte Jördis hilft dir auch gerne weiter, ihre Handynummer findest du weiter unten, genau wie den WLAN-Schlüssel. Du kannst auch einfach am Haus klingeln. Wir hier im Norden sind sehr unkompliziert.
Mir ist noch eingefallen, dass wir gar nicht über die Waschmaschine geredet haben. Also, die Waschmaschine steht bei Jördis in der Küche, und du kannst sie selbstverständlich nutzen.
Lass dir den Rotwein schmecken. Ich selbst trinke lieber Bier, aber Hauke von Haukes Hofladen hat irgendwann mal beim Stammtisch erzählt, dass die Frauen in der Hauptstadt am liebsten einen guten Roten trinken.
Herzliche Grüße
Arne
Die Anspannung eines langen, anstrengenden Tages entlud sich in einem Lachanfall. Hauke, der Hauptstadtfrauenversteher, hatte Arne also bei der Auswahl des Gastgeschenkes beraten. Irgendwie niedlich, obwohl Hauke bei mir nicht richtiglag: Ich trank am liebsten einen guten Weißen.
Nachdem ich mein Gepäck aus dem Auto geholt hatte, machte ich mich in dem winzigen Bad ein bisschen frisch. Im Spiegel schaute mir ein blasses, müdes Gesicht entgegen. Meine Wut auf Arne war verflogen. Die leise nagende Sorge, dass er in seiner Schusseligkeit irgendetwas in meinem Leben anrichten könnte, nicht. Aber einen guten Vorschlag hatte ich ihm auch zu verdanken: Ich würde in Ruhe ausschlafen und dann entscheiden, ob ich den Tausch abbrechen und zurück nach Berlin fahren wollte.
«Genauso machen wir das!», sagte ich und schenkte meinem Spiegelbild ein Lächeln. Erstaunlich, wie viel sympathischer und jünger ich aussah, als die Mundwinkel nicht mehr griesgrämig herunterhingen.
Mit den Gummibärchen und der Schokolade bewaffnet, die ich an der Tankstelle gekauft hatte, ging ich zum Haus. Inzwischen war es kurz nach acht. Die Dunkelheit würde erst kurz vor halb zehn hereinbrechen, aber die Sonne stand schon tiefer und tauchte den Abend in ein weiches Licht. Vögel zwitscherten in den Bäumen, und ein Kaninchen hoppelte über die Wiese. Von den Ziegen war nichts zu sehen und, Gott sei Dank, auch nichts zu hören. Sie mussten sich in ihren Stall zurückgezogen haben. Schnüffelnd sog ich die Luft durch meine Nase ein. Zu riechen waren die Viecher immer noch. Nicht penetrant, aber wahrnehmbar. Daran würde sich nichts ändern, so viel war klar.
Auf halbem Weg blieb ich stehen und drehte mich zu «meinem» Zirkuswagen um. Mit dem Haus im Rücken und im richtigen Winkel - also mit dem Ziegengehege außer Sicht - war die Idylle, von der ich geträumt hatte, immer noch perfekt. Und ich war immer noch in den Zirkuswagen verliebt.
Mit einem tiefen Seufzer ging ich weiter.
Vor der offenen Terrassentür wartete schon das Empfangskomitee: Baldur lag malerisch hingegossen auf den Steinfliesen und klopfte mit dem Schwanz auf den Boden, als ich näher kam. Auf dem Gartentisch saß die schwarze Katze und putzte sich. Von den beiden anderen war nichts zu sehen.
Kein Weg führte an Baldur vorbei. Da er keine Anstalten machte aufzustehen, blieb mir nichts anderes übrig, als über ihn hinwegzusteigen. Ich verließ mich dabei blind auf Jördis' Beschreibung seines Charakters: Einen gutmütigeren und sanfteren Hund gibt es nicht, hatte sie gesagt. Tatsächlich zuckte Baldur während meiner Aktion nicht mal mit einem Schlappohr.
«Hallo?», rief ich, als ich über die Schwelle getreten war. «Jemand da?»
«Komm nur rein, Sylvi», rief Jördis zurück.
Ein großer Wohn-Ess-Raum mit offener Küche empfing mich. Mit hellen Möbeln im Landhausstil eingerichtet, wirkte er freundlich und einladend. Die Familie saß am Esstisch. Jördis hatte Mattis auf dem Schoß und gab ihm ein Fläschchen.
«Ich hab euch eine Kleinigkeit mitgebracht», sagte ich und legte die Schokolade und die Gummibärchen auf den Tisch.
«Danke schön!», sagte Jördis. «Ida liebt Gummibärchen. Und ich Schoki.»
«Lakritze mag ich lieber», kam es mürrisch von Ida.
«Setz dich doch, Sylvi. Und greif zu. Guten Appetit!»
Hmm, dachte ich, als ich Platz nahm. Der Tisch war für drei gedeckt. Wo wohl der Vater von Ida und Mattis steckte? Vielleicht arbeitete er im Schichtdienst? Oder war auf Geschäftsreise?
Zum Abendessen gab es ein Vollkornbrot, das, wie Jördis erklärte, Maria vom Kleinen Gästehaus gebacken hatte.
«Da läuft mir ja das Wasser im Mund zusammen», sagte ich entzückt, während ich eine Scheibe Käse auf meine dick gebutterte Schnitte legte. Selbstgebackenes Brot - das war eine kleine Sünde wert. Klein war sie, weil es sich ja um ein Brot aus gesundem Vollkornmehl handelte. Dadurch wurden die nicht vegane Butter und der Käse beinahe neutralisiert. Und es gab auch noch Hagebuttentee, der ja bekanntlich von Vitaminen und wertvollen Mineralstoffen nur so wimmelt.
Lächelnd sah Jördis zu, wie ich in meine Stulle biss. «Köstlich!», sagte ich mit vollem Mund.
«Ich kenne niemanden, der so genial bäckt wie Maria. Sie war die beste Freundin meiner verstorbenen Tante Bea . Arnes Frau. Bea starb, kurz nachdem wir hierhergezogen waren.»
Bei ihren Worten lief mir ein Schauer über den Rücken. In gewisser Weise war ich vor der Leere geflüchtet, die der Tod in meinem Leben hinterlassen hatte. Kaum hier angekommen, begegnete er mir schon wieder. «Ach, wie furchtbar», sagte ich leise. «Mein aufrichtiges Beileid. Was für eine schwere Zeit für Familie und Freunde.»
«Ja. Besonders für Arne. Er hat sich während ihrer Krankheit rührend um Bea gekümmert und war auch bei ihr im Hospiz, als sie starb. Maria hat uns sehr unterstützt damals, und sie hilft uns auch jetzt. Ida kann immer zu ihr gehen, wenn sie aus dem Hort kommt und ich noch nicht zu Hause bin. Ich habe gerade erst in Teilzeit als Physiotherapeutin in der Geburtsstube in Flensburg angefangen. Das ist eine Hebammen- und Frauengesundheitspraxis. Für Mattis habe ich Gott sei Dank einen Krippenplatz gefunden. Wie die Zeit vergeht . jetzt ist es schon ein Jahr her, seit wir umgezogen sind.»
«. seit wir LEIDER umgezogen sind», schaltete sich Ida ein.
Jördis seufzte. «Du weißt genau, wie gut wir es in Angelsby haben. Ich bin Arne total dankbar, dass wir für kleines Geld in seinem Haus wohnen dürfen.»
«Trotzdem. Ich wünschte, alles wäre so wie früher . als ich jünger war.» Ida biss sich auf die Unterlippe, und für einen Moment sah es aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen.
Mitleid regte sich in mir. Die Kleine hatte also Heimweh. Das erklärte vieles.
«Das geht mir manchmal auch so», sagte Jördis. «Aber was passiert ist, ist passiert. Wie es war, kann es nie mehr werden.»
«Jaja. Ich weiß. Das sagst du immer. Kann ich jetzt in mein Zimmer gehen? Ich bin müde.»
Ida war schon aufgestanden und strebte zur Tür.
«Aber du hast ja fast gar nichts gegessen!», rief Jördis ihr nach.
«Ich bin satt. Es gab doch Kuchen bei Maria. Gute Nacht!»
Schon war sie verschwunden.
«Gute Nacht!», riefen Jördis und ich ihr nach.
Behutsam stellte Jördis das leere Fläschchen auf den Tisch. Unsere Augen trafen sich. Jördis holte tief Luft und sagte: «Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich Paul nie geheiratet.»
«Paul? Ist das der Vater von Ida und Mattis?», fragte ich vorsichtig.
Jördis nickte. «Und der...
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