Schweitzer Fachinformationen
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»Ich hoffe, der kleine Snack hat Ihnen allen zugesagt und für jeden war etwas Schmackhaftes dabei«, begrüßte Philipp Vahrenheide erneut seine Gäste.
»Ein deftiges Steak hätte ich schon vertragen«, grummelte Erich und klopfte auf seinen Bauch.
»Ich denke, heute Abend werden Sie auf Ihre Kosten kommen, Erich.« Dann wandte er sich Peakock zu. »Wir würden zunächst einmal gerne gemeinsam mit Ihnen ein Video über einen Survival-Bunker ansehen und sind auf Ihre Meinung gespannt.«
Peakock war ein wenig überrascht über den Vorschlag, ließ sich aber nichts anmerken. »Ich bin gespannt.«
Vahrenheide ließ eine Projektionswand aus einem Sideboard hochfahren, dann begann die Vorführung. Peakock bekam ein Werbevideo der amerikanischen Firma Underground Living Spaces zu sehen. Ausgangspunkt war eine stattliche Villa, die in etwa dem Wohnstandard der Anwesenden entsprach. Im Wesentlichen warb die Firma mit luxuriöser Ausstattung und stylish designten Wohn- und Aufenthaltsräumen sowie Freizeitangeboten. Die Sicherheits- und Versorgungskonzepte blieben sehr vage. Die gesamte Schutzanlage war direkt vom Wohnhaus über einen unterirdischen Zugang zu erreichen. Nach knapp fünf Minuten war die Vorführung beendet.
Peakock lehnte sich in seinem Stuhl zurück und holte tief Luft. »Meine Damen und Herren, ich vermute mal, dass Sie vor allem die geschmackvolle Ausstattung der Räume begeistert hat und Sie hoffen, dass Sie auch keine Abstriche Ihres Lebensstandards machen müssen.«
»Wenn wir schon viel Geld für einen Schutzraum ausgeben, dann soll es auch angemessen komfortabel sein«, sagte Chris.
»Allerdings sind die Freizeitangebote noch ausbaufähig.« Erich schnäuzte sich. »Kino und Pool sind ja in Ordnung, aber eine Squash-Halle und Tennisplätze gehören ebenfalls dazu.«
»Platz wäre ja da, schließlich scheint eine große Garage völlig überflüssig zu werden«, bemerkte Vahrenheide. »Was wollen wir mit Autos, die nicht bewegt werden können?«
»Hauptsache, es gibt einen professionellen Tischkicker.«
Belustigt blickte Chris Dorothea an. »Für Ihre Kinder?«
»Nein, für mich.«
Mit einem ungläubigen Blick unterbrach Bärbel das Gespräch. »Ich glaube, wenn ich mir Ferdinands Gesichtsausdruck anschaue, hält er uns, vorsichtig formuliert, für naiv, stimmt's?«
Peakock schüttelte behutsam den Kopf. »Die Ausstattung von Survival-Bunkern ist nicht das Problem. Aber Sie müssen bedenken, dass es bei einer Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes zunächst ums Überleben geht. Dem ist alles unterzuordnen. Dafür benötigt man nicht zwangsläufig eine Squash-Halle.«
»Da haben Sie recht«, sagte Vahrenheide, »doch wenn ich mich mehrere Jahre unter der Erde aufhalten muss, sind auch Soft Skills von Bedeutung.«
»Damit wären wir bei einem wichtigen Thema.« Peakock schenkte sich eine Cola ein. »Doch zunächst zurück zum Video. Es gaukelt vor, dass es möglich wäre, einen Survival-Bunker einfach hinter seinem Haus unter dem Garten anzulegen. In einem Schutzraum, wie er in dem Film gezeigt wurde, würde niemand einen Atomschlag oder ein Erdbeben, um nur zwei mögliche Katastrophen zu nennen, überstehen.«
Vahrenheide nickte. »Deshalb sitzen wir hier, um eine echte Lösung zu finden.«
»Sie haben im vorherigen Gespräch eine realistische Versorgungsstrategie angesprochen und etwas«, Erich suchte nach dem passenden Begriff, »von >mikrogesellschaftlichen Vorstellungen< gesagt. Dr. Ferdinand, können Sie uns das einmal näher erläutern?«
»Im Prinzip geht es darum, so etwas wie eine kleine Stadt im Untergrund zu planen. Die erste Frage, die sich stellt: Wer soll alles in dem Bunker wohnen?« Peakock schaute in die Runde.
»Unsere Familien«, sagte Vahrenheide sofort.
»Und die unserer Kinder«, ergänzte Dorothea.
Chris kaute auf einem Bleistift herum. Er schien nachzudenken. »Vielleicht auch die besten Freunde?«
»Dann auch mit Anhang.«
Bärbel stöhnte entgeistert auf. »Das nimmt ja kein Ende.«
»Das ist eine einfache Überschlagsrechnung.« Erich schaute auf die Zahlen, die er auf einen Zettel geschrieben hatte. »Wir selbst bringen jeweils zehn Leute ein, und wenn dann noch jeweils ein befreundetes Paar dazukommt, sind wir schon bei circa hundert Leuten.«
»Aber dabei bleibt es nicht«, sagte Peakock. »Sie brauchen ja auch Menschen, die die Infrastruktur Ihres Bunkers aufrechterhalten können.«
»Gut, sagen wir, hundertfünfzig.«
»Gehen wir mal von dieser Zahl aus und nehmen eine sinnvolle Verteilung der Altersstruktur und Geschlechterverteilung an.«
»Was wahrscheinlich nicht gegeben sein wird«, warf Vahrenheide ein. »Und es stellen sich auch noch andere Probleme. Ist es sinnvoll, den neunzigjährigen Großvater mit in den Bunker zu nehmen? Das todkranke Enkelkind? Die verhasste Schwiegermutter? Den drogenabhängigen Schwager?« Er rückte sich die Brille zurecht. »Schwere Entscheidungen.«
»Wir sollten die Freunde weglassen«, nuschelte Erich.
»Und warum?«, fragte Dorothea gereizt.
»Es ist doch am wichtigsten«, sagte Erich jetzt lauter, »dass wir die bestmöglichen Chancen für das Überleben in dem Bunker erhalten. Und dafür brauchen wir Experten. Keine Freunde.«
»Vielleicht sind die Freunde ja auch Experten.« Chris wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Um die Komplexität dieses Unterfangens zu bewerten, spielt das im Moment keine Rolle«, versuchte Peakock eine Debatte über die Auswahlkriterien abzuwenden. »Gehen wir mal von der Zahl Hundertfünfzig aus. Wenn diese Menschen, sagen wir, zehn Jahre in einem Bunker leben sollen, muss ihre Ernährung, medizinische Versorgung und Gesundheit gesichert sein -«
»Was macht das für einen Unterschied?«, fragte Dorothea mit spitzem Mund.
»Das eine meint die Behandlung bei Krankheiten«, fuhr Peakock fort. »Das andere deren Vermeidung, also die Frage, wie bleibt man gesund. Und ebenso entscheidend ist das soziale Leben.« Als Peakock einige fragende Blicke bemerkte, sah er sich genötigt, diesen Aspekt näher auszuführen. »Hundert Menschen haben mindestens hundert verschiedene Interessen und Bedürfnisse. Die Alten, die Jungen, die Frauen, die Männer -«
»Die Klugscheißer, die Nörgler -«
»Die Introvertierten und Extrovertierten«, setzten Chris und Bärbel die Aufzählung fort.
»Das könnten wir jetzt noch lange fortsetzen. Deutlich wird, dass Regeln für ein friedliches Miteinander aufgestellt werden müssen, um Streit in einem auf Jahre isolierten Raum zu verhindern. Und wer stellt die Regeln auf? Und wer sorgt dafür, dass sie eingehalten werden?« Peakock schaute in unschlüssige Gesichter. »So ein Mikrokosmos ist ein zerbrechliches System. Jeder Zwist, jede Parteienbildung schwächt das System. Das heißt, Sie brauchen eine Führungsebene, die alle nötigen Entscheidungen trifft, auch unangenehme.«
»Wie könnte das aussehen?« Bärbel wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Es gab Angang der 1990er Jahre mal ein Experiment in den USA, bei dem acht Menschen zwei Jahre lang unter einer von der Außenwelt isolierten Biosphäre, die eine Miniatur unserer Erde abbildete, verbrachten und sich selbst versorgten.
»Unter der Erde?«
»Nein, unter einer Glaskuppel, und das Projekt wurde von außen gemanagt. Jedenfalls hatten sie bei der Planung für ihre Ernährung falsch kalkuliert, und die Gruppenmitglieder nahmen im Tagesdurchschnitt zu wenige Kalorien zu sich. Sie verloren jeder binnen weniger Monate ungefähr zehn Kilo an Gewicht. Dann kamen einige Missernten dazu, und zum Schluss haben sie sich nur noch von Süßkartoffeln ernährt und mussten hungern. Das hat dazu geführt, dass einige der Gruppenmitglieder Nahrung hamsterten und durch eine Schleuse zur Außenwelt Proviant hereinschmuggelten. Daraufhin gab es Streit, und die Gruppe spaltete sich in zwei Lager. Obwohl das Management über die Situation informiert wurde, ließ sie alles weiterlaufen.«
Ferdinand Peakock schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank einen Schluck. »Ebenso, als der Sauerstoff knapp wurde und die Gruppenmitglieder nicht mehr klar denken konnten. Wieder zerstritten sie sich, und diesmal war auch das Management, das von außen das Experiment überwachte, unterschiedlicher Meinung, wie es mit der lebensbedrohlichen Situation in der Biosphäre umgehen sollte. Erst als auf Druck einiger Wissenschaftler Sauerstoff in die Biosphäre gepumpt wurde, entspannte sich die Lage wieder. In einem Survival-Bunker, wo alles von innen heraus geklärt und entschieden werden muss, wäre ein solch zögerliches Verhalten äußerst problematisch. Wahrscheinlich würde schon bei einer Nahrungsknappheit eine Revolte ausbrechen.«
»Ich würde sie anführen«, sagte Chris kämpferisch und klopfte auf seinen Bauch.
»Und ich knallhart niederschlagen.« Alle starrten auf Erich.
Vahrenheide erhob sich. »Es ist Zeit für eine Pause. Wir sollten die Zeit nutzen, um über die eben gehörten und angesprochenen Aspekte nachzudenken.«
»Sie begehen meinen Mord und ich den Ihren.«
Zilles Handy klingelte. Er schreckte hoch. Wer hatte zu ihm gesprochen? Da saß niemand in seinem Zugabteil. Wieder das Handyklingeln. Es war seins. Er musste es einen Moment suchen, fand es dann aber unter seiner Jacke, die auf dem Nebensitz lag. Es war Britta.
»In fünf Minuten soll dein Zug einfahren. Stehst du schon erwartungsvoll an der Tür?«
»Ich stehe seit Duisburg an der Tür, meine Liebste«, log Zille, ohne nachzudenken.
»In welchem Waggon sitzt...
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