Schweitzer Fachinformationen
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10.05 Uhr
Katharina sah in den Rückspiegel. Er stand noch immer am Parkplatz und winkte ihr hinterher. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie an die vergangenen Tage dachte. Bereits am Freitagnachmittag war sie in St. Peter-Ording angekommen und hatte ihr Zimmer im »Beach Motel« bezogen. Es war reines Glück gewesen, dass sie zu dieser Zeit überhaupt noch ein Zimmer in dem beliebten Urlaubsort an der Nordsee bekommen hatte, noch dazu in dem Hotel, das ihr bei der Onlinesuche als Erstes ins Auge gesprungen war. Nur fünf Minuten vor ihrem Anruf war eine Buchung in dem ansonsten voll besetzten Hotel storniert worden.
Katharina musste daran denken, wie es überhaupt zu ihrem Kurztrip gekommen war. Es war ein ziemlich spontaner Entschluss gewesen, und er war entstanden, als sie am Wochenende vor ihrer Reise bei Bene gewesen war. Nach einem köstlichen Essen, das er für sie beide zubereitet hatte, war er direkt auf den Punkt gekommen.
»Ich würde gern mit dir zusammenziehen«, waren seine ebenso liebevollen wie klaren Worte gewesen, die Katharina noch immer im Ohr klangen. Natürlich hatte sie sich im ersten Moment darüber gefreut, und es war ja auch nicht das erste Mal, dass dieses Thema auf den Tisch gekommen war. Doch zuvor waren es immer eher Andeutungen und Überlegungen für die Zukunft gewesen. Der konkrete Wunsch von Bene hatte sie an jenem Abend überfordert. Zwar war es bereits ein Dreivierteljahr her, dass ihre Mutter wieder bei ihr ausgezogen war und seitdem in einer süßen kleinen Zweizimmerwohnung im Lüneburger Hanseviertel wohnte, doch Katharina kam es vor, als sei es erst letzte Woche gewesen. Seitdem hatte sie ihre wiedergewonnene Freiheit mehr als genossen. Vor allem das Alleinsein, denn während der unfreiwilligen und über eineinhalb Jahre andauernden Tochter-Mutter-Wohngemeinschaft hatte sie sehr viel mehr Zeit bei Bene verbracht als in ihrer eigenen Wohnung. Das hatte sich seit Anne von Hagemanns Auszug wieder geändert. Katharina wusste, dass Bene darüber nicht unbedingt glücklich war, aber sie brauchte das einfach. Genauso wie das Gefühl, niemandem Rechenschaft darüber ablegen zu müssen, wohin sie ging oder wann sie nach Hause kam. Ein ums andere Mal fragte Katharina sich, ob sie ihre dahingehende Freiheit wirklich aufgeben wollte. Sie war sich da alles andere als sicher. Natürlich war es eine ganz andere Sache, mit seinem Freund zusammenzuwohnen, als die eigene Mutter bei sich zu beherbergen, doch in ihrer Unabhängigkeit, die der Kommissarin so immens wichtig war, würde sie auch dann eingeschränkt sein. So hatte sie Bene um ein bisschen Bedenkzeit gebeten. Begeistert war er nicht gewesen, doch er kannte Katharina inzwischen lange genug, und ihre Antwort hatte ihn nicht wirklich überrascht. Sie war ihm dankbar für sein Verständnis und schämte sich ein bisschen für ihre Unentschlossenheit, die ein anderer Mann vermutlich als Zeichen dafür gewertet hätte, dass ihre Liebe nicht ausreichend war. Als sie Bene dann jedoch mitgeteilt hatte, dass sie spontan ein paar Tage ans Meer fahren würde, um sich in Ruhe - und allein - Gedanken zu machen, hatte sie auch seine Geduld auf die Probe gestellt. Er hatte es zwar nicht gesagt, doch sein enttäuschter Blick hatte für sich gesprochen. Mit zwei dicken Büchern, luftigen Strandklamotten und der Entschlossenheit, für sich zu einem Ergebnis zu kommen, war sie dann an der Nordsee angekommen. Nun waren die Tage vorbei, und sie machte sich wieder auf den Rückweg nach Lüneburg und zu Bene - nur eine Entscheidung hatte sie noch immer nicht getroffen. Schuld daran war sie ganz allein, doch der Mann, der da hinten am Parkplatz stand und ihrem kleinen Sportwagen hinterher sah, war zumindest nicht ganz unbeteiligt.
Katharina hatte Ole bereits an ihrem ersten Tag am Meer getroffen. Sie hatte direkt nach ihrer Ankunft ihre Sachen nur kurz im Hotelzimmer verstaut, Shorts und ein ärmelloses Top übergestreift und war angesichts des schönen Wetters an den Strand gegangen. Nicht, um sich für Stunden in die Sonne zu legen, das war ihr zu langweilig und angesichts ihres eher blassen Teints obendrein nicht ratsam, sondern um einen ausgiebigen Spaziergang zu machen - sie liebte das Gefühl, wenn das Meerwasser ihre Füße umtanzte. Dabei, so hatte sie gehofft, würde sie den Kopf freibekommen, um sich darüber klar zu werden, was sie wollte. Weit war Katharina mit diesem Plan nicht gekommen. Sie war noch nicht einmal eine Stunde unterwegs gewesen, als ein paar Kitesurfer ihre Aufmerksamkeit erregt hatten. Die Kiter waren eindeutig keine Anfänger, das hatte Katharina sofort erkannt. So hatte sie sich bäuchlings in den Sand gelegt, um dem Treiben eine Weile zuzusehen. Sie bewunderte nicht zum ersten Mal das Können und die Eleganz von Menschen, die auf diese Weise mit der Kraft des Meeres spielten. Sie selbst hatte nie auf einem Brett gestanden. Als Kind hatte sie auf Drängen ihrer Eltern eine Segelschule besucht und war mit anderen Gleichaltrigen auf der Alster herum geschippert, aber wirklich Spaß hatte sie nicht daran gefunden. Irgendwann hatten ihre Eltern ein Einsehen gehabt und sie wieder abgemeldet. Inzwischen bereute sie, dass sie damals keinen längeren Atem gehabt hatte, und nahm sich immer wieder vor, ihre Segelkenntnisse von damals aufzufrischen. Über diese Gedanken musste Katharina am Strand offensichtlich eingeschlafen sein, denn als plötzlich ein paar dicke Wassertropfen auf ihren nackten Schultern gelandet waren, war sie erschrocken hochgefahren. Sie hatte nicht mitbekommen, dass die Kitesurfer inzwischen aus dem Wasser gekommen waren und bereits ihre Sachen zusammenpackten. Als sie dann hochgesehen hatte, die Augen gegen die Sonne mit einer Hand abgeschirmt, hatte sie direkt in ein grinsendes Gesicht gesehen, in dem ihr vor allem die graublauen Augen aufgefallen waren.
»Hi! Normalerweise schlafen die Leute nicht ein, wenn sie uns auf dem Wasser sehen«, hatte der Surfer, zu dem die graublauen Augen gehörten, lächelnd gesagt und sich dabei das nasse dunkle Haar aus der Stirn gestrichen. Ohne eine Antwort von Katharina abzuwarten, hatte er sich neben sie in den Sand fallen lassen. Katharina hatte nicht vermeiden können, dass ihr Blick über die muskulösen Arme glitt, die aus dem ärmellosen Neoprenanzug ragten und ebenso gebräunt waren wie das sympathische Gesicht des fremden Mannes.
Entspannt hatte sie ihn angelacht: »Das hat nicht an euch gelegen. Ich hab mich ja sogar extra hierher gelegt, um euch zuzusehen, aber offenbar hab ich ein paar freie Tage nötiger, als ich dachte.«
»Na, dann bin ich ja beruhigt. Ich bin übrigens Ole.«
»Katharina - hallo«, hatte sie geantwortet. Seine spontane und unkomplizierte Art hatte ihr sofort gefallen.
»Kitest du auch?«, hatte Ole gefragt.
»Ich? Um Gottes willen, nein. Das sehe ich mir lieber aus der Ferne an«, hatte Katharina erwidert.
»Warum? Unsportlich siehst du nicht gerade aus, und es macht echt Spaß, glaub mir.«
»Glaub ich dir sofort«, hatte Katharina bestätigt, »aber . ich denke, damit hätte ich früher anfangen sollen.« Fast hatte ihr auf der Zunge gelegen, dass sie sich dafür zu alt fand, doch das hatte sie dann doch nicht zugeben wollen.
»Dafür ist es nie zu spät!« Oles Augen hatten vor Begeisterung für seinen Sport geleuchtet. »Ich bringe es dir gern bei - da drüben ist unsere Surf- & Kiteschule.«
»Ach, daher weht der Wind«, hatte Katharina belustigt erwidert, »du versuchst, neue Kursteilnehmer zu gewinnen!«
Ole hatte eine gespielt beleidigte Miene aufgesetzt: »Wo denkst du hin? Das wäre höchstens ein . sagen wir mal, praktischer Nebeneffekt.«
Er hatte Katharina direkt in die Augen gesehen und erneut gegrinst. Wie alt mochte er sein?, hatte Katharina überlegt. Mindestens wohl zehn Jahre jünger als sie.
»Hast du Lust auf einen Kaffee?«, hatte Ole in ihre Überlegung hinein gefragt. »Oder lieber ein Bier, einen Prosecco oder Hugo?«
»Eigentlich wollte ich .« Katharina war nicht dazu gekommen, ihren Satz zu beenden, denn Ole war ihr ins Wort gefallen: »Ich denke, du hast Urlaub? Wo ist denn da die Spontaneität?«
Drei Stunden später hatte Katharina noch immer mit Ole in der gemütlichen Strandbar gesessen. Sie hatten über Gott und die Welt geredet, auffallend viel gelacht und dabei komplett die Zeit vergessen. Als Katharina sich dann endlich aufgemacht hatte, um anstelle des Strandspaziergangs wenigstens noch ein wenig durch den Ort zu bummeln, hatte sie Ole das Versprechen gegeben, ihn am nächsten Vormittag an der Surfschule zu treffen.
»Ich hab eine Idee, das wird dir garantiert gefallen. Es geht auch nicht aufs Wasser, versprochen!«, hatte er erklärt, und Katharina hatte keinen Moment gezögert zuzusagen.
13.03 Uhr
Hauptkommissar Benjamin Rehder tigerte in seinem Büro auf und ab. Wo blieb Katharina bloß? Als sie sich letzte Woche kurzfristig Urlaub genommen hatte, hatte nichts dagegen gesprochen, und er hatte ihn gern bewilligt, doch jetzt brauchte er seine beste Ermittlerin hier in Lüneburg. Katharina war für ein paar Tage an die See gefahren und hatte sich bis heute Mittag freigenommen. Sie hatte gesagt, sie würde dann um halb eins wieder hier sein. Jetzt war es schon nach 13 Uhr, und was ihn zusätzlich fuchste, war die Tatsache, dass er sie auf ihrem Handy nicht erreichen konnte. Es sprang ständig nur die Mailbox an, auf die er innerhalb der letzten halben Stunde bereits dreimal gesprochen hatte. Jetzt drückte Ben ein weiteres Mal auf Wiederwahl an dem Telefon in seiner Hand und führte es an sein Ohr. Genau in diesem Moment sah er durch die...
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