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»Oh Mann«, stöhnte Kommissar Tobias Schneider. »Die hatte sich das neue Jahr bestimmt auch anders vorgestellt.« Er blickte von der Frauenleiche auf und wandte sich an seinen Chef, Kriminalhauptkommissar Benjamin Rehder. »Ehrlich gesagt hätte ich auch nichts dagegen, wenn wir wenigstens den Januar mal ohne Leiche erlebt hätten.«
»Allerdings«, stimmte Rehder zu. »An so einen Anblick werde ich mich wohl nie gewöhnen.«
Die Frau lag auf dem ungemachten Bett der kleinen Wohnung im Lüneburger Stadtteil Schützenplatz. Um ihren Hals war ein buntes Tuch geschlungen, es war offensichtlich, dass sie erdrosselt worden war. Viel auffälliger war jedoch eine klaffende Wunde im Gesicht der Toten. Ein tiefer Schnitt verlief von der Schläfe bis zum Mundwinkel und entstellte die zuvor sicher nicht unattraktive Frau. Über die Leiche gebeugt stand die Gerichtsmedizinerin Dr. Frauke Bostel.
»Kannst du uns schon was zur Tatzeit sagen, Frauke?«, fragte Benjamin Rehder.
»Ich würde sagen, vergangene Nacht zwischen 23 und ein Uhr«, antwortete die Medizinerin, während sie sich gerade aufrichtete. »Wie ihr schon vermutet habt, ist sie erdrosselt worden. Die Wunde dürfte ihr erst nach dem Tod zugefügt worden sein, sonst müsste es stärker geblutet haben, aber das bekommt ihr detailliert in meinem Bericht.«
»Ist sie vergewaltigt worden?«, wollte Tobias wissen.
»Kann ich nicht endgültig sagen, aber die Vermutung liegt nahe«, erklärte Frauke Bostel. Kopfschüttelnd betrachtete sie den Körper der Frau. Die Jogginghose war bis zu den Knöcheln heruntergezogen, der Slip zerrissen. Unter dem Sweatshirt, das sie trug, lugte die spitzenbesäumte Kante eines Negligés hervor.
»Merkwürdige Kombination«, sagte sie. »Wisst ihr was über sie?«
»Nicht wirklich«, erklärte Benjamin Rehder. »Der Aussage der Nachbarin nach, die sie heute früh gefunden hat, heißt sie Tanja Groß und lebt allein in dieser Wohnung. Wir warten, bis die Spusi durch ist, dann sehen wir uns genauer um.«
»Okay, dann lasse ich die Leiche abholen und in die Gerichtsmedizin bringen. Alles Weitere .«
». später in deinem Bericht«, unterbrach Tobias sie grinsend.
»Exakt, Kollege«, lächelte Frauke zurück. »Spätestens morgen früh wissen wir mehr«, fügte sie hinzu und drehte sich Richtung Tür, um die Wohnung zu verlassen. Während sie ihr Handy aus der Tasche zog, sah sie sich um. »Wo ist eigentlich Katharina?«
»Die hat heute frei«, sagte Ben und verzog das Gesicht zu einem humorlosen Lächeln. »Es sei ihr gegönnt, dass ihr dieser Anblick erspart geblieben ist.«
Er winkte Frauke Bostel kurz zum Abschied und wandte sich Tobias zu, als einer der Kollegen von der Spurensicherung an ihn herantrat.
»Wir sind so weit fertig. Wenn ihr wollt, habt ihr jetzt freie Bahn.«
»Danke«, erwiderte Ben und sagte dann zu Tobi: »Ich würde vorschlagen, du .« Das Klingeln seines Handys unterbrach ihn. Auf dem Display sah er Katharinas Namen. Verwundert nahm er den Anruf an.
»Hi, Katharina, was gibt es? Alles so weit in Ordnung bei dir in München?« Er zuckte mit den Schultern, als Tobias ihn fragend ansah.
»Du bist was? Okay . Ja, Schützenplatz, richtig, eine Frauenleiche . Nein, das ist nicht . Katharina .« Der Hauptkommissar schüttelte den Kopf, konnte ein leichtes Schmunzeln jedoch nicht unterdrücken. »Ja, ich schicke dir gleich die genaue Adresse. Bis dann.«
»Was ist los?«, wollte Tobias wissen.
»Nichts, was wir von der Kollegin nicht gewohnt sind. Sie ist schon wieder in Lüneburg und der Meinung, sie müsse unbedingt herkommen und uns unterstützen, anstatt sich den geplanten freien Tag zu gönnen.«
Katharina fühlte sich schäbig, als sie die Haustür ihres Wohnhauses in der Münzstraße aufschloss. Bene hatte sich so viel Mühe für sie gegeben, doch sie hatte nichts Besseres zu tun, als seine Einladung zum Frühstück auszuschlagen und ihm zu sagen, dass sie lieber arbeiten gehen wollte.
»Aber du hast noch einen Tag Urlaub, und ich muss erst heute Abend hinter die Bar, lass uns doch die Zeit bis dahin gemeinsam genießen«, hatte Bene ihr verständnislos entgegnet und eine auffordernde Geste mit der Hand gemacht, sich an den Frühstückstisch zu setzen. Er hatte ihn gedeckt, während sie unter der Dusche stand, und noch bevor er seinen Satz beendet hatte, hatte sie gewusst, dass sie ihn enttäuschen würde.
Bereits gestern Abend wäre sie am liebsten allein gewesen, doch ihre eigene Wohnung war besetzt, wie sie es ironisch bezeichnete, und sich am eigenen Wohnort ein Hotelzimmer zu nehmen, hätte sie für mehr als überspannt gehalten. Darüber hinaus war Bene ihr Freund, und inzwischen war seine Wohnung ein bisschen zu ihrem zweiten Zuhause geworden. Das waren ihre Gedanken gewesen, als sie die Nachricht an ihn geschrieben hatte. Spätestens jedoch, als sie zwischen Hannover und Lüneburg im Metronom gesessen hatte, hatte sie es bereut, Bene gebeten zu haben, sie vom Bahnhof abzuholen. Aber da konnte sie es nicht mehr rückgängig machen. Dabei hätte sie einfach in den sauren Apfel beißen und in ihre eigene Wohnung gehen können. Ob besetzt oder nicht. Sie hätte einfach in ihr Schlafzimmer gehen, die Tür hinter sich schließen und den Kopf unter dem Kissen vergraben können. Sie wusste, warum sie diese Option nicht gewählt hatte, und schalt sich innerlich für ihr albernes Verhalten, aber nun war das Kind eh in den Brunnen gefallen. Als sie Bene am Bahnsteig hatte stehen sehen, hatte sie sich natürlich gefreut, wie immer, was jedoch an der Tatsache nichts änderte, dass sie lieber mit sich allein gewesen wäre. Ihr war es immer schon schwergefallen, sich zu verstellen, aber nachdem ihr bewusst geworden war, wie kühl ihre Begrüßung am Bahnhof ausgefallen war, hatte sie sich zusammengerissen und es sich eine Weile mit Bene auf dem Sofa gemütlich gemacht, das Gespräch allerdings so geschickt gelenkt, dass er von seinen Erlebnissen in den letzten beiden Tagen erzählt hatte. Als er sie schließlich nach ihrem Termin in München gefragt hatte, hatte sie Müdigkeit vorgetäuscht, und sie waren ins Bett gegangen. Heute Morgen unter der Dusche hatte sie ganz spontan entschieden, zur Arbeit zu gehen. Das würde sie am besten von den Gedanken an München und Maximilian ablenken. Zumindest hatte sie das zu diesem Zeitpunkt gedacht. So war sie nach dem Duschen zu Bene in die Küche gegangen und hatte ihm möglichst fröhlich verkündet, dass sie »einfach mal« im Kommissariat vorbeischauen wolle. Sein Blick hatte Bände gesprochen. Der Abschied an Benes Wohnungstür war entsprechend kühl ausgefallen, so wie die Begrüßung am Vorabend, nur diesmal war nicht sie es gewesen, die sich distanziert gegeben hatte.
Nun stand sie im Treppenhaus, das zu ihrer Wohnung führte, und war unschlüssig. Sollte sie wirklich nach oben gehen, wo ihr eine Begegnung mit ihrer Mutter bevorstehen würde? Und das nur, um ihren Koffer loszuwerden? Katharina schüttelte gedanklich den Kopf, machte auf dem Absatz kehrt und stand Sekunden später mitsamt ihrem Reisekoffer auf der Münzstraße, die in die inzwischen einigermaßen belebte Große Bäckerstraße führte, Lüneburgs Hauptader der Fußgängerzone. Schon eben, auf dem Weg von Bene zu ihrer Wohnung, hatte Katharina aus einer Laune heraus im Kommissariat angerufen, um sich anzukündigen, dort jedoch von der Zentrale erfahren, dass Tobi und Ben sich an einem Tatort befanden. Als sie das Wort »Tatort« gehört hatte, hatte ihr Herz angefangen zu klopfen, und es war ihr sofort besser gegangen. Ein Tatort verhieß Arbeit, und Arbeit bedeutete Ablenkung! Kurzerhand hatte sie Ben angerufen und ihn um den genauen Standort gebeten. Als ihr Handy jetzt den Ton für eine eingehende Nachricht von sich gab, hatte Katharina sich gerade eine Zigarette angesteckt und war langsam in Richtung Kommissariat gegangen. Dort wollte sie sich einen Dienstwagen organisieren, um in den Lüneburger Stadtteil Schützenplatz zu kommen. Katharina blieb kurz stehen und öffnete die Nachricht. Wie erwartet war sie von Ben, der ihr die genaue Tatortadresse gesandt hatte. Katharina stapfte weiter durch die Brühe unter ihren Füßen. Sie war froh, ausnahmsweise keine Turnschuhe, sondern wasserabweisende Chelsea-Boots zu tragen. Gestern Nacht hatte es geschneit, doch jetzt begann alles wegzutauen. Zu allem Übel setzte nun auch noch Regen ein. Na toll. Das passte ja bestens zu ihrer Stimmung! Noch war sie nah genug an ihrer Wohnung. Sie könnte ihren eigenen Wagen nehmen, dafür musste sie nur den Autoschlüssel aus ihrer Wohnung holen. So schnell, wie er gekommen war, so schnell verwarf Katharina diesen Gedanken. Sie hatte partout keine Lust auf eine Begegnung mit ihrer Mutter, die sicher nicht hinnehmen würde, dass sie nur den Schlüssel holte und direkt wieder zur Arbeit verschwand. Stattdessen würde sie sie mit Fragen löchern, und danach stand Katharina momentan gar nicht der Sinn. Seit rund neun Monaten wohnte Anne von Hagemann bei ihr. So lange war es tatsächlich inzwischen her, dass ihre Mutter sich von ihrem Vater getrennt hatte - wie die Zeit verflog! Ursprünglich als vorübergehende Lösung gedacht, fand Katharinas Mutter die Mutter-Tochter-Wohngemeinschaft allem Anschein nach recht angenehm - ganz im Gegensatz zu Katharina. Zwar hatte Anne von Hagemann immer mal verkündet, sich eine eigene Wohnung zu suchen, doch Katharina schien es, als hätte ihre Mutter es damit nicht gerade eilig. Eher im Gegenteil. Die Kommissarin hatte den Eindruck, dass ihre Mutter sich inzwischen nicht nur in der Rolle einer alleinstehenden...
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