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Im Gegensatz zum monotheistischen Narrativ, das in der Islam- und Religionsforschung zu einer Art Standarderzählung über eine 'monotheistische Existenz' Allahs vor dem Paleo-Islam geworden ist, legt das Buch anhand einer ausführlichen religionshistorischen Untersuchung dar, dass das vormu?ammadanische Appellativum 'Allah' keine kultische Gottheit darstellte und keine monotheistische Tendenz aufwies. Vielmehr fungierte der Name als eine Art Signifikant ohne Signifikat, der keine kultischen Spuren hinterließ. Die Studie rekonstruiert und untersucht die Herausbildung des kultischen Allahs als einen langen synkretistischen Prozess der Verschiebung und Rekonfiguration der spätantiken polytheistischen und paganen Gegebenheiten. Der Schwerpunkt liegt auf zwei zentralen Voraussetzungen, die zur Genese Allahs beitrugen: dem Kultus und den Synkretisierungsprozessen mit den in der Spätantike weit verbreiteten Götterepitheta und Götternamen.Die Genese Allahs erweist sich somit als Teil eines historisch bedingten Transformationsraums, in dem sich religiöse Semantiken rekonfigurieren und in neue Bezugssysteme eintreten.
Hammoud Hamoud, Freie Universität Berlin.
Eine Religion lebt nur, indem sie sich bewegt. Gerardus van der Leeuw1
Wir beginnen mit einem spätantiken, in der Forschung bekannten Beitrag, dem sich Glen W. Bowersock in seinem Buch Hellenism in Late Antiquity (1990) widmete: Etwa Anfang der 540er-Jahre u. Z. erhielt der monophysitische Bischof Johannes von Ephesos (gest. 589) einen heiligen Auftrag von dem byzantinischen Kaiser Justinian I. (reg. 527?-?565), der als der 'zweite Konstantin' bezeichnet (wegen seines christlichen Enthusiasmus),2 oder mit 'Stalin' verglichen wird3 (wegen seiner Gewalt und Unterdrückungsmethoden). Der heilige Auftrag war, sich den Paganen in Kleinasien zu widmen und sie zum Christentum zu bekehren. Das Missionsunternehmen des Johannes, zu dem die Entdeckung, Bekehrung und Bestrafung der Paganen gehörte,4 wurde von ihm in seiner auf Syrisch verfassten Kirchengeschichte beschrieben, von der aber nur der dritte Teil erhalten ist - er wurde im Jahr 1843 wiederentdeckt.5 In diesem behandelt Johannes wichtige Ereignisse vor und kurz nach der Geburt Muh?ammads (etwa 570, den islamischen Quellen zufolge). Johannes von Ephesos gilt damit als einer der wichtigsten zeitgenössischen Schriftsteller, der über die arabischen, mit den Byzantinern verbündeten Ghassaniden schrieb, die im südlichen Syrien lebten. Es ist ein lebendiges Zeugnis des religiösen Kontextes in Kleinasien und im Nahen Osten und eine zuverlässige Quelle, die uns von einer weit verbreiteten paganen hellenistischen Kultur erzählt, aus deren historischer Tiefe Muh?ammad hervorging.
Hier wird ein Kontext sichtbar, der über die geläufigen Konstatierungen des Sieges des Monotheismus, zumal des christlichen und dann islamischen, hinausgeht. Im folgenden Kapitel wird die Existenz paganer Einstellungen in der Spätantike sowie ihre semantischen Verschiebungen und Synkretismen mit den an sie anschließenden monotheistischen Ansichten thematisiert. Genauer gesagt geht es um die Frage der Kontinuität paganer Praktiken, die grundsätzlich im Widerspruch zur ahistorischen, im triumphalen Narrativ eingebetteten Begrifflichkeit des Monotheismus stehen. Zunächst wird der Versuch unternommen, bestimmte Eckpunkte der Problematik dieses Narrativs darzustellen, sowohl im Christentum als auch im Islam. Hinsichtlich des letztgenannten wird die Frage der Gahiliya dargelegt, die in der Forschung mit dem Paganismus, mit Ignoranz (oder Unwissenheit) verbunden oder als eine 'barbarische' vorislamische Zeit betrachtet wird, der der monotheistische, 'zivilisatorische' Islam gegenübersteht. Es ist so, als hätte das Offenbarungsmoment von Mu?ammad den Paganismus abgelöst oder als hätte der Monotheismus vor dem Islam gemäß einem ausgedachten spätantiken 'abrahamitischen Erbe' alle anderen paganen Religionsformen auf der arabischen Halbinsel beseitigt und als habe es in dieser Phase keinen Polytheismus gegeben. Diese herrschende Meinung, die zugleich auch in das christliche spätantike Arsenal bestimmter christlicher Monotheisten gehörte, wird einer kritischen Reflexion unterzogen. Begriffe wie 'Christianisierung', 'Konversion', 'Islamisierung' und 'Gahiliya' sind nicht einfache Indikatoren, sondern stehen für ein monotheistisches Konstrukt, das historisch der Realität der zahlreichen unterschiedlichen Rituale und Gottesvorstellungen in der Spätantike entgegensteht. Im Zusammenhang mit der Erörterung der Frage der Kontinuität werden zunächst grundlegende Erläuterungen zum Begriff Synkretismus eingeführt.6
Es wird herausgestellt, dass, je mehr sich der betreffende Gesamtgegenstand innerhalb der spätantiken religiösen Dogmen und Praktiken in seine Teilfunktionen zerlegen lässt, desto zweckmäßiger ist es, dass die Religionswissenschaft statt von einer periodischen 'Konversion' in der Spätantike von einer Synkretisierung ausgeht. Jene, so wird später ausführlich dargelegt, ist als historischer, uneinheitlicher Prozess zu verstehen, der eine kontinuierliche Assimilierung, Internalisierung des Paganismus und Anpassung an die monotheistischen und politischen Ansichten darstellt. Daher erscheint es treffender, im Zusammenhang mit der Spätantike von einem synkretisierenden Prozess anstatt von einer 'Konversion' zu sprechen.
Bevor eine kurze Reflexion über den spätantiken triumphalen Monotheismus im Islam und Christentum vorgenommen wird, gilt es zunächst, auf spätantike Zusammenhänge und bestimmte kontextgebundene und begriffliche Anhaltspunkte hinzuweisen. Zunächst einmal ist es wichtig zu betonen, dass die Verschiebung der mit der Religion verbundenen imperialen Politik, insbesondere nach der Anerkennung des Christentums als Staatsreligion, wie noch erläutert wird, zu den prägenden Merkmalen der Spätantike gehört. Diese Verschiebung konnte im Rahmen einer hellenistischen Kultur stattfinden, die durch das Römische Reich unterstützt wurde, insbesondere als sich dessen Schwerpunkt nach Osten verlagerte und schließlich im frühen arabischen Kalifat seine Fortsetzung fand.
Wenn der Hellenismus mit Alexander dem Großen einen Wendepunkt in der Verbreitung der griechischen Kultur und der Mobilisierung der antiken Götterwelt darstellte, durchgehend von einer Orientalisierung begleitet, wurde dieser Hellenismus in einem kulturellen Kontinuum und in allen imperialen Territorien zur spätantiken Kultursprache, wie Aziz al-Azmeh betonte, von Sizilien bis zum Euphrat, und von einer imperialen 'Romanity' unterschrieben.7 Erst im Laufe des vierten Jahrhunderts wuchs ein Bewusstsein nicht nur für die monotheistischen Religionen des Judentums und Christentums, sondern auch für einen 'Hellenismus',8 der immer wieder mit dem Paganismus verknüpft wurde. Von daher wäre es sinnvoll, die Dimensionen des Hellenismus zu erweitern, und zwar "beyond the age usually designated as Hellenistic [.]."9 Es ist jedoch auch wichtig anzumerken, dass der Hellenismus nicht ausschließlich auf die paganen Religionen beschränkt war. Vielmehr kann er als eine Tradition der Spätantike par excellence betrachtet werden, ja sogar als ihre herausragende kulturelle Koine, die verschiedene Völker miteinander verband. Die Althistorikerin Polymnia Athanassiadi beschreibt in ihrem Sammelband Mutations of Hellenism in Late Antiquity (2016) diese Koine als "a real koine, alive and used at various social and intellectual levels from southern Arabia to the Black Sea coast and from Carthage to Harran."10
Hellenismus (ursprünglich ein griechisches Wort für griechische Kultur, Hellênismos) repräsentierte die Sprache, das Denken, die Mythologie und Bilder, die ein flexibles Medium sowohl des kulturellen als auch des religiösen Ausdrucks darstellten.11 Diese hellenistische, auf keinen bestimmten Zeitraum beschränkte Kultur, die hier auch als kulturelle und religiöse Plattform, als Akkulturations- und kultureller Integrations- und Synkretismusprozess verstanden werden kann, hinterließ zentrale Prägungen im Nahen Osten, auch nach dem Aufstieg des Palro-Islam.12 Man kann diese gemeinsame Sprache an den eignen zentralen arabischen Göttern ablesen, die mit den griechischen Göttern synkretisiert waren (al-?Uzza mit Aphrodite; Urania oder Alla¯t mit Athena).13 Auch die Verbreitung der hellenistischen Götternamen in Syrien, Phönizien und in Palästina (wie "Zeus, Hera, Apollo, Artemis, Dionysos und Tyche"14) war dem Hellenismus zu verdanken. Der Hellenismus mit dessen "imperial association, Romanity" war das Medium, durch das lokale Kulte einem aggiornamento unterworfen wurden.15
Die Christen der Spätantike titulierten auch die Paganen als Hellenen, die sich mit dem paganen Götterkult verbinden ließen.16 Wie noch beim Begriff der Idolatrie zu zeigen ist, wurde auch das christliche Konzept der Paganen von der jüdischen Tradition beeinflusst. Der Historiker Maijastina Kahlos erwähnt, dass die griechischsprachigen Juden in der späteren hellenistischen Zeit die Hellenen als 'Ungläubige', als 'idolatrisch' bezeichneten.17 Die Christen hätten außerdem die Begriffe ethne, ethnikos und ethnikoi im Sinne der Paganen übernommen.18 Solche griechischen Begriffe wurden dann als lateinische Übersetzungen 'gentiles', 'gentes' und 'nationes' adoptiert, mit denen auch die Juden als das 'andere'...
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