Schweitzer Fachinformationen
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Kriminalhauptkommissar Konrad Simonsen genoss seine Ferien. Er saß oben im Panoramazimmer des Sommerhäuschens, rauchte seine vierte Zigarette zu seiner vierten Tasse Kaffee, während er durch das überdimensionale Fenster auf die heraneilenden Stratuswolken schaute und an nichts dachte.
Die athletische junge Frau, die nach ihrer morgendlichen Joggingrunde ins Zimmer kam, hatte Schuhe und Strümpfe ausgezogen, so dass er sie nicht hörte und entsprechend erschrak, als sie ihn ansprach. Außerdem war er es gewohnt, allein zu sein.
»Puh, Papa, du könntest wenigstens ein bisschen lüften.«
Die heftige Äußerung bezog sich auf den Qualm der Zigaretten, der schwer im Raum hing. Sie riss die Terrassentür auf, und eine steife Meeresbrise wehte ins Zimmer und spielte wild mit ihren blonden Locken, bis sie das Gefühl hatte, dass der schlimmste Gestank verflogen war, und sie die Tür wieder schloss. Danach ließ sie sich ihm gegenüber auf den Sessel fallen, ohne sich darum zu kümmern, dass dabei die Zeitung, die aus dem Bund ihrer Jogginghose ragte, vollkommen zerknitterte.
Er sagte: »Guten Morgen, bist du bis nach Blokhus gelaufen? Das ist ganz schön weit!«
»Na ja, Morgen, es ist bald Mittag, du Langschläfer. Ja, ich war bis Blokhus, aber so weit ist das auch wieder nicht.«
Er zeigte neugierig auf die Zeitung.
»Ist die für mich?«
Sie antwortete ihm in einem ironischen Tonfall, klang aber dennoch freundlich: »Und danke, liebe Tochter, dass du Kaffee gekocht hast.«
»Und danke, liebe Anna Mia, dass du Kaffee für mich gekocht hast.«
Sie zog die Zeitung aus dem Hosenbund, erblickte dann aber den Aschenbecher, und ihr harter Blick verriet ihm, was jetzt kommen würde. Mit anklagender Miene deutete sie auf die Kippen, und plötzlich war auch ihr Bornholmer Dialekt wieder da.
»Vier Zigaretten vor dem Frühstück?«
»Also, ich habe schließlich Ferien, da ist doch alles ein bisschen anders als normal.«
Diese Lüge hätte er sich sparen können.
»Du rauchst viel zu viel, du trinkst zu viel, du isst ungesund, und dich übergewichtig zu nennen ist bald nur noch eine höfliche Untertreibung.«
Halbherzig versuchte er, sich zu verteidigen:
»Auf der Arbeit rauche ich fast gar nicht mehr und abends nur ganz wenig, dann darf ich in den Ferien die Zügel doch wohl ein bisschen schleifen lassen.«
»Tja, sieht man mal davon ab, dass du lügst, klingt das beinahe vernünftig.«
Er wusste nicht, was er sagen sollte, und blickte auf die Zeitung, die ihm plötzlich unerreichbar erschien. Der Ernst in ihrer Stimme nahm noch zu:
»Du weißt ganz genau, dass du mir fünfzehn Jahre schuldest, Papa?«
Die Zahl brannte ihm auf der Seele, und das wohlbekannte Gefühl, ein schlechter Vater zu sein, meldete sich sofort wieder. Es hatte sich jetzt drei Jahre still verhalten. Seit diesem friedlichen Maiabend, an dem sie plötzlich auf seiner Türschwelle gestanden und ihm erklärt hatte, dass sie eine Woche in Kopenhagen und es doch am praktischsten sei, wenn sie bei ihm wohne. Außerdem könne sie so Geld sparen. Aus ihrem Munde hatte das damals wie das Natürlichste der Welt geklungen. Und dann war sie in seine Wohnung marschiert und in sein Leben - ein unbekanntes, sechzehnjähriges Mädchen, süß, temperamentvoll und höchst lebendig . seine Tochter.
Er hatte kaum eine andere Wahl, als den Rückzug anzutreten und auf Gnade zu hoffen, aber die Worte wollten einfach nicht über seine Lippen. Er hatte keine Lust, sich zu entschuldigen, das kam ihm dumm vor, und ihr Buße und Besserung zu geloben und ein gesünderes Leben in Aussicht zu stellen war leichter gesagt als getan. Außerdem war er von Natur aus zurückhaltend, wenn es darum ging, andere in seine Gefühle einzuweihen. Er versuchte sich an ein paar halbherzigen Versprechen, bis sie plötzlich den Ernst über Bord warf und das Thema wechselte.
»Lass uns ein anderes Mal darauf zurückkommen, Papa. Sag mir lieber, ob du dich inzwischen an das Ambiente hier gewöhnt hast? Das ist doch wirklich ein mondänes Ferienhaus, das Nathalie hier hochgezogen hat.«
Auch dieses Thema war brandheiß, wenngleich nicht so persönlich, und wüsste er es nicht besser, hätte er sie verdächtigt, es absichtlich jetzt anzusprechen, da er in der Defensive war. Aber so war sie nicht. Nur er sah in jedem Gespräch ein strategisches Spiel mit Siegern und Verlierern - eine schlechte Angewohnheit, die er etwas zu leicht als Berufskrankheit abtat, als eine Folge zu vieler Verhöre. Er versuchte, sich nicht provozieren zu lassen.
»Ja, es ist schön hier.«
»Und warum bist du dann vorgestern, als wir hierher gekommen sind, so ausgerastet?«
»Weil die Comtesse meine Untergebene ist, das Ganze hat mich einfach umgehauen.«
»Aber du wusstest doch, dass es ihres ist?«
»Ja, mein liebes Mädchen, das war mir klar, aber ich hatte doch keine Ahnung, was für eine noble Bude die hier hat. Noch die exklusivsten Ferienhausvermieter würden sich nach diesem Luxusding die Finger lecken, und das mit Dollarzeichen in den Augen. Dass wir dieses Haus für einen Appel und ein Ei gemietet haben, ist unethisch und bestimmt auch irgendwie illegal.«
»Sie ist reich, na und? Und das liebe Mädchen kannst du dir an den Hut stecken!«
»Außerdem quillt der Kühlschrank vor Essen nur so über, wir könnten hier überwintern.«
»Wir wollen aber nicht überwintern, sondern bloß vierzehn Tage hierbleiben, im Übrigen brauchst du ja nichts zu essen. Es schadet dir bestimmt nicht, ein bisschen von deinen Reserven zu leben.«
»Kein Essen, kein Trinken, keine Zigaretten. Was kommt als Nächstes?«
Sie überhörte ihn und stichelte weiter:
»Wusstest du, dass die italienischen Terrakottafliesen auf der Terrasse handgemalt sind und dass der Marmor im Eingangsbereich Ølandsbrud heißt?«
»Woher weißt du denn das?«
»Von Nathalie natürlich.«
Niemand sonst nannte die Comtesse Nathalie, und in seinen Ohren klang das höchst merkwürdig. Nathalie von Rosen war zwar ihr Geburtsname, aber jeder nannte sie nur Comtesse, sie selbst eingeschlossen.
»Bist du früher schon mal hier gewesen?«
»Ja, klar.«
»Das wird ja immer schlimmer.«
»Dann flippst du gleich bestimmt total aus, denn ich habe noch ein Geschenk für dich.«
»Ein Geschenk? Von wem?«
»Von Nathalie, aber ich dachte, dass ich damit lieber ein paar Tage warte.«
Sein verwirrter Gesichtsausdruck war keineswegs gespielt.
»Also, Papa, manchmal bist du einfach zu kompliziert. So schwer ist das doch nicht zu verstehen. Wenn du mich fragst, mag sie dich sehr gern, und wenn du nur ein wenig auf dich achten und fünfzehn bis zwanzig Kilo abnehmen würdest, wärst du vermutlich eine richtig gute Partie.«
Das schnelle Klatschen nackter Füße auf dem pommerschen Kiefernboden erfüllte den Raum, und sie war weg, bevor er ihren absurden Gedanken auch nur kommentieren konnte.
Das Geschenk der Comtesse war genial. Wie ein neugieriger Papagei saß Anna Mia auf der Lehne seines Sessels und verpasste keine Sekunde, als er es auspackte. Aron Nimzowitsch, Mein System, die Originalausgabe aus dem Jahr 1925, mit einer Widmung des Meisters persönlich - ein kostbarer Schatz, der ihn für einen Augenblick beinahe in Ekstase versetzte. Anna Mia gelang es, einen Blick über seine Schulter zu werfen.
»Was meint sie mit >Danke für die Hilfe<?«
Er drehte die Karte um, aber zu spät.
»Sag mal, hast du keine Erziehung genossen? Man liest doch keine Post von anderen Leuten!«
»Ich schon. Womit hast du ihr geholfen?«
»Das geht dich nichts an!«
Sie blieben einen Moment schweigend sitzen. Sie auf seiner Armlehne, er im Sessel.
»Wie gut kennt ihr beiden euch eigentlich?«
»Wer? Nathalie und ich?« Ihre gespielte Gleichgültigkeit war fast mit den Händen zu greifen.
»Ja, natürlich!«
Womit sie wieder am gleichen Punkt angelangt waren.
Wenig später wurde sie redseliger: »Ich kenne Nathalie nicht sonderlich gut, und wir haben nichts hinter deinem Rücken unternommen. Auf jeden Fall nicht viel, und dass ich schon mal hier war, ist einem absoluten Zufall zu verdanken. Wir haben uns im Sommer in Skagen zufällig getroffen, und sie hat mich zum Lunch eingeladen. Außerdem weiß ich doch, wann du ihr geholfen hast. Das war während ihrer Scheidung, nicht wahr?«
Er schwieg.
»Wir haben uns ein wenig ausgetauscht.« Sie streichelte ihm zärtlich über die hohe Stirn bis zum Haaransatz. »Ich glaube, dass du dir dein Buch redlich verdient hast, Papa. Also tu mir ein für alle Mal den Gefallen und rede nicht mehr über den Preis, okay. Nathalie würde nie auf die Idee kommen, irgendwelche Gegenleistungen für ihre Geschenke zu verlangen. So ist sie nicht, und das weißt du ganz genau.«
»Nein, das würde sie nie tun. Aber es geht ums Prinzip.«
»Vielleicht sind manche deiner Prinzipien einfach fehl am Platz.«
Sie stand auf und trat ans Fenster, während er vorsichtig, fast andächtig eine Seite im Buch umblätterte.
»Ich nehme ein Bad. In der Zwischenzeit kannst du dir ja überlegen, was wir heute mit dem Tag anfangen sollen.«
»Ja, ja, ist in Ordnung.«
Er war so in sein Schachbuch versunken, dass sie ihn zweimal rufen musste, bevor er sie hörte, sich aufrichtete und zu ihr sah, und er bemerkte dabei nicht einmal, dass die Stimmung schon wieder umgeschlagen war.
»Ist dein Handy eingeschaltet?«
»Nein, wir hatten doch abgemacht, dass wir hier ganz für uns sein wollten, weißt du nicht mehr? Warum fragst...
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