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1 Ist Gott ein Hirngespinst?
Beginnen wir nun damit, uns mit der ersten Grundfrage vonseiten der Religionskritik zu befassen: Ist Gott ein Hirngespinst? Ich möchte dieser Frage mit zwei Ansätzen begegnen. Der erste Ansatz beschäftigt sich damit, inwieweit der Glaube an Gott überhaupt Sinn ergibt oder nicht. Denn wenn über die Existenz eines Gottes diskutiert werden soll, dann gebietet es die Vernunft zu erklären, wie wir Gläubigen überhaupt zu der Annahme kommen, dass es einen Gott gibt. Wir können Gott schwerlich einfach voraussetzen, er muss gedanklich irgendwo herkommen. Und sollte er uns begegnen wollen, dann brauchen wir die Fähigkeit, ihn auch als solchen zu erkennen. Gibt es also im Menschen etwas wie eine vorhandene Fähigkeit zur Gotteserkenntnis, mit deren Hilfe der Mensch Gott auf die Spur kommt? Oder sucht Gott den Menschen und es braucht gar keine vorherige Erkenntnis? Härle formuliert es ähnlich, wenn er schreibt:
Erkenntnistheoretisch stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll möglich ist, nach Gott zu fragen und zu suchen, wenn dabei nicht bereits eine (und sei es nur rudimentär) Gotteserkenntnis vorausgesetzt wird. Wie sollte ein Mensch Gott erkennen, wenn er nicht schon wüsste, wonach er sucht?1
Wie auch immer es sich genau verhält, es steht fest: Entweder findet der Mensch Gott und kann das sinnvoll erklären, oder Gott findet den Menschen und daher lassen sich sinnvolle Gedanken formen. Sollte sich aber herausstellen, dass keiner dieser beiden Wege einen Sinn ergibt, müssen wir über Gott erst gar nicht mehr reden. Um das herauszufinden, empfinde ich die Gedanken der Religionskritik durchaus hilfreich. Deshalb scheint es mir für den Anfang wichtig, ihre Kritik nicht sofort als Angriff zu werten, sondern sich zum Schärfen der eigenen Gedanken nutzbar zu machen.
Der erste Ansatz, den ich anführe, befasst sich also mit der Frage, unter welchen Bedingungen es überhaupt Sinn ergibt, an einen Gott zu glauben, und wann es einfach abwegig erscheint. Der zweite Ansatz würdigt die in der Kirchengeschichte getätigten Versuche, der Vielzahl an Glaubens- bzw. Religionskritikern mit Überlegungen entgegenzutreten, welche als sogenannte "Gottesbeweise" in die Kirchengeschichte eingingen.2 Beginnen wir aber zunächst mit der Frage nach dem Sinn des Glaubens an sich.
1.1 Wann ergibt der Glaube an Gott Sinn und wann nicht?
Die Frage nach dem Sinn des Glaubens an einen Gott trifft meiner Ansicht nach den Nerv unserer Zeit. In vielen Diskussionen mit andersdenkenden oder andersgläubigen Menschen habe ich festgestellt, dass die Sinnfrage so gut wie jeden auf die eine oder andere Weise bewegt. Geht es darum, im Leben eine Entscheidung zu treffen, spielt die Frage, wie sinnvoll etwas ist, oft eine ganz wichtige Rolle (z. B. Wozu soll ich ein zweites Auto kaufen?). Was jedoch die Gottesfrage betrifft, stelle ich oft fest, dass sich die wenigsten Menschen Gedanken über die Sinnhaftigkeit des Glaubens machen. "Ich bin damit groß geworden!" "Ich wurde christlich (oder religiös, muslimisch usw.) erzogen!" "Irgendwie gehört der Glaube an Gott zum Leben dazu!" "Irgendwas oder irgendjemand muss es ja wohl geben!"
Solche und noch viele weitere Aussagen lassen erahnen, dass Menschen den Glauben an einen Gott mit in ihrem Leben so nebenbei dazugehörend integriert haben, ohne tiefer darüber nachgedacht zu haben. Wenn ich nachfrage, ob sie mir näher erläutern können, auf was ihr Glaube gegründet ist (z. B. nicht einfach nur auf einer religiösen Erziehung, sondern auf weiterführenden, durchdachten Überzeugungen, die für die Existenz eines Gottes sprechen), dann bleibt in der Regel ein großes Fragezeichen. Doch warum sollte Glauben an einen Gott - wenn auch nur nebenbei - überhaupt einen Sinn ergeben, wenn ich noch nicht einmal geklärt habe, ob die Grundlagen dafür überhaupt gegeben sind.
Persönlich halte ich die Frage "Ergibt Glaube überhaupt Sinn, und wenn ja, weshalb?" inzwischen für einen klugen Einstieg in Gespräche über Gott. Jedenfalls habe ich mit interessierten Menschen dahingehend gute Erfahrungen gemacht. Ich erinnere mich noch an eine ausführliche Diskussion mit einer aufgeklärten Muslimin, die als akademische Mitarbeiterin tätig ist, und einem wissenschaftlich interessierten jungen Moslem. Diese beiden Gespräche waren deshalb besonders interessant, weil wir einerseits anhand der Sinnfrage Grundsatzfragen zur Existenz Gottes im Allgemeinen diskutierten und insbesondere über die unterschiedlichen Religionen nachdachten.
Die folgenden Darlegungen geben die Zusammenfassung dieser beiden ausführlichen Gespräche und meiner Antworten wieder. Ich will versuchen, hiermit aufzuzeigen, wann Glaube Sinn ergibt und wann nicht und wo letztlich eine Antwort gefunden werden kann. Denn über den Sinn oder Unsinn von Glauben entscheidet Gott, nicht der Mensch. Dabei werden wir auch feststellen, an welcher Stelle die Religionskritik m. E. letztlich Recht hat, an welchen Punkten sie im Irrtum ist und wie man dies unterscheiden kann.
1.1.1 Wie entsteht religiöser Glaube?
Der Schlüssel zu einer Antwort im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit des Glaubens an einen Gott liegt zunächst in der Frage nach dem Glauben selbst verborgen. Ich kann m. E. nur dann wirklich einen Sinn erkennen, wenn ich verstanden habe, woher religiöser Glaube kommt und wie Religion überhaupt entsteht bzw. entstanden ist. Nur so kann ich auch den Anfragen der Religionskritik auf Augenhöhe begegnen.
Es gibt in der Menschheitsgeschichte wohl kaum eine Gesellschaft bzw. Kultur, in der Menschen nicht eine Gottesvorstellung oder gar ein religiöses System für sich entwickelt hätten. Religion ist ein zentraler Bestandteil aller menschlichen Kulturen.3 Duffield spricht geradezu von einer "unheilbaren Religiosität".4 Es vergeht kaum ein Tag, an dem in den Nachrichten nicht das Thema "Religion" in irgendeiner Weise auftauchen würde. Religion ist beinahe omnipräsent und für die meisten Menschen auf der Erde lebensrelevant. Sie beschäftigt nicht nur Theologen, Soziologen oder Philosophen. Religiosität als Fähigkeit des Menschen ist inzwischen auch zum Forschungsfeld von Biologen, Neurologen und Psychologen geworden. Der Soziobiologe Edward O. Wilson spricht interessanterweise sogar von einer Anlage für einen religiösen Glauben im Menschen und mutmaßt, dieser sei möglicherweise ein unauslöschlicher Teil menschlicher Natur.5 Ich komme später noch einmal auf diesen Gedanken zurück. Wie aber entsteht nun Religion? Hierzu seien zunächst zwei säkulare Ansätze vorgestellt.
? Projektionsthese
In der Theologie wird diese Frage vor dem Hintergrund der sogenannten "funktionalen Religionskritik"6 diskutiert. Ziel einer solchen Kritik ist es, zu fragen, inwieweit einer Religion genetische Motive oder funktionale Gründe (Wozu dient der Glaube?) zugrunde liegen. Zu den bekanntesten Religionskritikern dieser Richtung gehören Feuerbach, Marx, Nietzsche sowie Freud. Der Einfachheit halber fasse ich ihre jeweilige Theorie zur Entstehung von Religion kurz zusammen:
Sehnsucht nach Liebe, moralischer Güte und Verständnis (Feuerbach)
soziales Leid und die Suche nach Gerechtigkeit (Marx)
Schwachheit und mangelnde Selbstbestimmung (Nietzsche)
seelische Entlastung (Freud)
Wenn die o. g. Religionskritiker auch teilweise unterschiedliche Motivationen nennen, sind sie sich doch alle in einer Sache einig: Gott ist letztlich eine Projektion menschlicher Wünsche und Ideale - die Hoffnung auf Erfüllung existenzieller Bedürfnisse. Wir werden gleich erkennen, dass die vorgetragenen Argumente auch aus biblischer Sicht durchaus ihre Berechtigung haben.
? Evolutionsforschung
In der laufenden Evolutionsforschung werden Überlegungen angestellt, inwieweit Religion zum Überleben des sogenannten Homo sapiens beiträgt. Der Kölner Zoologe Professor Wolfgang Walkowiak nennt zwei plausible Gründe für die Entstehung von Religion zur Sicherung der Existenz des Menschen. Dadurch,
dass der Homo Sapiens die Fähigkeit gewonnen hat, sehr weit in die Zukunft zu planen, erkennt er, dass sein Leben endlich ist, und das macht fürchterliche Ängste. Und wenn ich eine Möglichkeit finde, die Natur, die Physik zu überwinden durch Metaphysik, kann das sehr hilfreich sein, die eigene Lebensperspektive sehr viel positiver zu sehen. Der zweite Punkt dabei ist der gesellschaftliche Aspekt. Religion, basierend auf diesen spirituellen Erfahrungen, hat etwas Bindendes. Es hat für die soziale Gemeinschaft große Vorteile, durch Riten, durch das Glauben an ein und dasselbe höhere Wesen den Zusammenhalt in einer Gesellschaft zu fördern.7
Diesen Aussagen Walkowiaks zufolge können wir kurzum "Angst im Hinblick auf Endlichkeit" und "Sehnsucht nach Zusammenhalt" als Gründe zur Entstehung von Religion festhalten.
? Biblische Perspektive: geistlich-emotionale Veranlagung
Nach Darlegung von Argumenten für die Entstehung von Religion, die sich im säkularen Bereich finden, versuche ich jetzt biblische Gründe zu nennen. Es geht also darum, zu fragen, inwieweit es biblische Aussagen gibt, aus denen man in Bezug auf die Frage nach der Entstehung von Religion Schlussfolgerungen ziehen kann. Wie wir gleich sehen werden, meine ich aus der Schrift erkennen zu können, dass die Fähigkeit zur...
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