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Nach dem schicksalhaften Verkehrsunfall, der Fridas Leben für immer verändern sollte, bekommt sie ein kleines schwarzes Notizbuch geschenkt, das sie fortan begleitet. In ihm schreibt sie ihre Erlebnisse auf, ihre Rückschläge, Leidenschaften und Bekenntnisse. Doch in diesem Notizbuch steckt noch mehr: Ein Geheimnis, das Frida nicht für immer bewahren kann ...Die unbändige Lebenslust einer einzigartigen Frau, ihre eindrucksvolle künstlerische Kreativität, das Gefühlschaos einer leidenschaftlichen Ehe und die Farbenpracht Mexikos - Das geheime Buch der Frida Kahlo ist ein packender Roman über das spannungsvolle Leben der berühmten Künstlerin und über ein Buch, das ein ungeahntes Geheimnis birgt.
Diese Julinacht war nicht wie so viele andere. Der Regen hatte sich in einer Ecke zusammengekauert und dem schwarzen Schleier eines ungetrübten Sternenhimmels ohne schmutzige Wolken, die sich tränenreich über den Einwohnern der Stadt entladen hätten, den Vortritt gelassen. Nur ein leiser Wind pfiff wie ein spielendes Kind zwischen den Bäumen im Garten eines prächtigen blauen Hauses, das in der warmen Sommernacht schlummerte.
In ebendieser ruhigen Nacht hallte in allen Winkeln des Dorfes Coyoacán ein gleichmäßiges Klopfen wider. Es kam von den klappernden Hufen eines Pferdes, das über das Pflaster trabte. An jeder Straßenecke warfen die Häuser mit ihren hohen Ziegeldächern das Echo seiner Hufschläge zurück, um den Bewohnern die Ankunft eines merkwürdigen Besuchers anzukündigen.
Von Neugier erfasst, denn Mexiko war mittlerweile eine moderne Stadt, die archaische Fabeln und Dorflegenden weit hinter sich gelassen hatte, unterbrachen die Einwohner von Coyoacán ihr Abendessen, um durch einen Torspalt zu blinzeln. Draußen entdeckten sie den rätselhaften Reitersmann, dem ein Luftzug »wie von Geistern und Toten« folgte. Ein Hund warf sich dem geheimnisvollen Reiter mit wütendem Gebell entgegen, das schöne weiße Ross aber ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, und schon gar nicht der Mann, der auf ihm saß: ein finsterer Geselle, über dessen braunem Rock sich zwei prall gefüllte Patronengurte kreuzten. Ein Sombrero, so groß wie eine Kirchenkuppel, saß ihm tief in der Stirn und verdunkelte sein Gesicht. Nur zwei glänzende, durchdringende Augen ließen sich zwischen den Schatten seiner Züge erahnen und ein voller Schnurrbart, der ihm zu beiden Seiten über die Wangen hinausragte. Als er vorbeigeritten kam, verschlossen die Alten ihre Türen doppelt, schoben Riegel und hängten Ketten davor, so tief saß ihre Furcht in Erinnerung an die Revolution, als Besucher wie dieser Verwüstung und Zerstörung ins Dorf getragen hatten.
An der Ecke der Calle Londres, vor einem Haus, dessen indigoblaue Fassade von seiner Besonderheit kündete, brachte der Reiter sein Pferd zum Stehen. Die großen Fenster neben der Tür sahen aus wie riesige Augenlider. Das Pferd wurde nervös, beruhigte sich aber, als der Reiter absaß und ihm liebevoll den Hals tätschelte. Nachdem er Hut und Patronengurte zurechtgerückt hatte, ging er entschlossenen Schrittes zum Tor und zog an der Glockenschnur. Augenblicklich erhellte ein elektrisches Licht den Eingang des großen Hauses und scheuchte einen Schwarm Insekten auf, die rings um die Lichtquelle ihr Ungestüm in die Nacht summten. Als Chucho, der unentbehrliche Dienstbote eines jeden ehrwürdigen Hauses, seinen Kopf zum Tor herausstreckte, blickte der Besucher ihm fest in die Augen und trat einen Schritt vor. Zitternd und nicht ohne sich mehrmals zu bekreuzigen, bat der Wächter ihn herein und betete hastig einige Ave-Marias. Wortlos und mit großen Schritten durchmaß der Besucher die Diele und gelangte in einen wunderschönen, mit kunstvoll gezimmerten Holzmöbeln, exotischen Pflanzen und Skulpturen prähispanischer Gottheiten ausgestatteten Raum. Das Haus war voller Kontraste. Erinnerungen an Schmerz und Freude, vergangene Träume und gegenwärtige Triumphe lebten hier beisammen. Jedes Ding erzählte von der Privatwelt seiner Besitzerin, die ihren Besucher in ihrem Zimmer erwartete.
Zwanglos wie jemand, der sich auskennt, lief der Ankömmling durch alle Räume. Auf seinem Weg begegnete er einer riesigen Judaspuppe mit Bäckerschnauzbart, die, statt ihrer Verbrennung am baldigen Auferstehungssonntag entgegenzusehen, seiner Besitzerin für irgendein Gemälde Modell stehen musste. Er kam vorbei an Totenköpfen aus Zuckerguss, die ihm mit ewig glücksversüßter Miene zulächelten, ließ die aztekischen Grabfiguren hinter sich sowie die Büchersammlung mit Werken von revolutionärem Gedankengut. Er durchquerte das Wohnzimmer, das Künstler beherbergt hatte, die ein Land, und politische Führer, die die Welt verändert hatten, hielt nirgends inne, weder um sich die Familienfotos der früheren Hausbewohner anzuschauen noch die farbenfrohen Gemälde, die ihm entgegensprangen wie ein von einem dunstigen Mezcal berauschter Regenbogen, bis er das holzvertäfelte Esszimmer erreichte, das sich zurücksehnte nach unbeschwertem Gelächter und lärmenden Freundesrunden.
Das Blaue Haus war ein Ort, an dem Freunde und Bekannte gern empfangen wurden, und der Reiter ein alter Bekannter der Hausherrin, weshalb die Köchin Eulalia bei seinem Anblick in die prachtvoll geflieste Küche eilte, um eine Kleinigkeit zu essen und Getränke vorzubereiten. Von all den Räumen des Hauses war die Küche das pulsierende Herz, das ein lebloses Gebäude in ein lebendiges Wesen verwandelte. Mehr als nur Wohnstatt bedeutete das Blaue Haus seiner Herrin Heiligtum, Zuflucht und Altar. Das Blaue Haus war Frida. Dort bewahrte sie die Erinnerungen an ihr Leben auf. Es war ein Ort, an dem Porträts von Lenin, Stalin und Mao Tse Tung selbstverständlich neben ländlichen Altarbildern der Jungfrau von Guadalupe hingen. Fridas gusseisernes Bett flankierten eine riesige Sammlung Porzellanpuppen, die mehrere Kriege überlebt hatten, unschuldige karmesinrote Holzautos, kubistische Ohrringe mit handförmigem Gehänge und silberne Votivgaben zur Preisung der Gunst eines Heiligen. Alles sprach von den vergessenen Wünschen jener Frau, die zu einem Leben im Bett verdammt war: Frida, die heilige Schutzpatronin der Melancholie, die Frau der Leidenschaft, die Malerin der Agonie, die ans Bett gefesselt blieb, den Blick auf ihre Spiegel gerichtet, die schweigend darum wetteiferten, wer der als Tehuana oder Zapotekin oder als Vertreterin aller mexikanischen Kulturen gekleideten Künstlerin das schönste Bild zurückwarf. Am unbarmherzigsten von allen war ein an ihrem Betthimmel angebrachter Spiegel, der sie beharrlich mit dem Thema ihres Gesamtwerkes konfrontierte: mit sich selbst.
Als der Fremde das Schlafzimmer betrat, blickte Frida ihm mit schmerzgezeichnetem Gesicht geradewegs in die Augen. Sie wirkte mager, abgezehrt und müde, viel älter als das halbe Jahrhundert, das hinter ihr lag. Der Blick aus ihren kaffeebraunen Augen kam aus weiter Ferne, verschleiert durch die starken Schmerzmittel, die sie sich spritzte, und den Tequila, in dem sie ihre enttäuschte Liebe ertränkte. Diese Augen, fast verglühte Kohlen, die einst feurig gelodert hatten, wenn Frida von Kunst, Politik und Liebe gesprochen hatte, waren jetzt fern, traurig und vor allem müde. Bewegen konnte sie sich kaum, ein orthopädisches Korsett beschränkte ihre Freiheit und hielt sie gefangen. Nur ihr eines Bein regte sich, unruhig, auf der Suche nach dem anderen, das man ihr vor wenigen Monaten amputiert hatte. Frida betrachtete ihren Besucher und erinnerte sich an ihre früheren Begegnungen, von denen jede an ein Unglück gekoppelt war. Sehnlichst hatte sie auf dieses Wiedersehen gewartet, und als ein starker Duft nach Feldern und feuchter Erde ihr Zimmer füllte, wusste sie, dass der Bote endlich ihrem Ruf gefolgt war.
Der Bote blieb neben ihr stehen und tat nichts weiter, als seinen leuchtenden Blick auf ihren schwachen, gebrochenen Körper zu richten. Sie grüßten einander nicht, denn alten Bekannten erlässt man unnötige Höflichkeitsbezeigungen. Frida hob nur den Kopf, als fragte sie, wie es denn dort, wo er herkam, so gehe, und er antwortete mit einer flüchtigen Berührung seines breitkrempigen Hutes, was bedeutete: alles in bester Ordnung. Nun rief Frida ärgerlich nach Eulalia und wies sie an, sich um den Besucher zu kümmern. Ihr Ruf klang harsch, derb. Ihr verspielter, ausgelassener Humor aus früheren Tagen war mit dem amputierten Bein begraben worden, mit den Operationen und den Qualen ihrer Krankheiten zugrunde gegangen. Gallig war jetzt ihr Umgangston.
Die Dienstbotin erschien, ein hübsch gedecktes, blumengeschmücktes Tablett in Händen, darauf ein mit Vögeln besticktes Deckchen, auf dem weiße Rosenblätter das Wort »Ella« formten: »Sie«. Auf einem Tischchen neben dem Bett stellte sie die für den Besucher bestimmte Stärkung ab: eine Flasche Tequila und einen kleinen Imbiss. Nervös, da von der Anwesenheit des Mannes beunruhigt, servierte Eulalia den Schnaps in Kristallgläsern vom gleichen Blau wie das Haus und goss jedem eine Portion Sangrita ein. Daneben stellte sie den frisch zubereiteten Obstsalat sowie einen gebackenen Panela-Käse und mehrere Zitronenviertel. Noch bevor das säuerliche, zwischen den Gesichtern hin- und herpendelnde Lächeln erstarb, war Eulalia wieder verschwunden.
Die Gegenwart des Fremden um diese nächtliche Stunde trieb Eulalia unvermeidliche Schauer über die Haut. Noch jedes Mal hatte sie dem Rest der Dienerschaft versichert, sie habe seinen Körper niemals Schatten werfen sehen. Genau wie Chucho betete deshalb auch sie eilig die nötigen Ave-Marias und Vaterunser, um den bösen Blick und die Grabesstimmung zu vertreiben.
Frida ergriff das Tequilaglas. In der für sie typischen Geste zog sie die zusammengewachsenen Augenbrauen hoch und setzte das Glas an die Lippen; teils um den wellenweise ihren Körper durchlaufenden Schmerz zu lindern, teils um ihrem Gast Gesellschaft zu leisten. Der Bote tat es ihr gleich, jedoch ohne die Sangrita zu kosten. Bedauerlicherweise verschmähte er auch die Häppchen, die nach einem Rezept zubereitet worden waren, das Diegos erste Ehefrau Lupe der Malerin beigebracht hatte. Frida goss sich ein zweites Glas ein. Es war nicht das erste an diesem Tag, aber es sollte das letzte ihres Lebens sein. Der Alkohol rann durch ihre Kehle und weckte ihren schläfrigen Geist.
»Ich habe dich gerufen, damit du meiner Gevatterin eine...
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