Schweitzer Fachinformationen
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2 Victoria
Was für ein erster Eindruck, Victoria! Nachdem ich Chloe abgesetzt habe, denke ich auf dem Weg zu Christopher Bennetts Büro über mein Missgeschick nach. Ich werde mich beweisen müssen. Seine Schwestern mögen mich empfohlen haben, aber das heißt noch nicht, dass ich den Auftrag automatisch kriege. Ich werde ihn vorher von meinen Fähigkeiten überzeugen müssen.
Kaum habe ich sein Büro betreten, entspanne ich mich ein wenig, da Christopher mich freundlich anlächelt. Ich sehe ihm in die Augen, um herauszufinden, ob es ein reines Höflichkeitslächeln ist, doch die Wärme in seinem Blick verrät mir, dass er es ernst meint. Christopher Bennett ist verdammt nett anzusehen. Er hat ein attraktives Gesicht mit perfekt gepflegtem Dreitagebart und breite Schultern, ist ein Meter achtzig groß und muskulös - ein Mann, der einen Raum mit seiner Anwesenheit dominieren kann, ohne es darauf anzulegen.
Als ich vor seinen Schreibtisch trete, kann ich nicht anders, als sein Hemd anzustarren. Was für ein Chaos habe ich nur angerichtet?
Er ertappt mich dabei, wie ich den Fleck mustere, und sein Lächeln wird breiter. Er deutet auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. »Setzen Sie sich doch.«
Genau das tue ich, dann schlage ich die Beine übereinander und überlege verzweifelt, wie wir noch mal von vorn anfangen können.
»Hat mit Chloe alles geklappt?«, fragt Christopher.
»Ja.«
»Wie viele Geschwister haben Sie? Pippa hat es mir wahrscheinlich erzählt, aber ich habe es vergessen.«
Gewöhnlich rede ich mit Kunden nicht über mein Privatleben, aber Christophers Interesse wirkt ehrlich.
»Drei. Chloe, Lucas - er ist neun - und Sienna. Sie ist siebzehn.«
Christopher nickt nachdenklich. »Das klingt nach einem vollen Haus.«
»Richtig.« Ich kann ein Lächeln nicht unterdrücken. »Manchmal ist es ziemlich chaotisch.«
»Ich verstehe, was Sie meinen.«
»Stimmt. Pippa hat gesagt, dass Sie acht Geschwister haben. Dass muss eine interessante Kindheit gewesen sein.«
»Ja. Aber um ehrlich zu sein, ich denke, meine Eltern würden Sie besser verstehen, als ich es jemals vermag. Ich habe als hauptamtlicher Teufelsbraten das Chaos schließlich verursacht. Zumindest einen Teil davon.«
Sein lockeres Auftreten überrascht mich. Ich habe schon öfter für einflussreiche Männer gearbeitet, und die meisten waren sehr unterkühlt, fast arrogant. Christopher scheint sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen, obwohl er in einem Eckbüro mit fantastischem Ausblick über San Francisco sitzt.
Wir werden durch ein Klopfen an der Tür unterbrochen, dann betritt eine Assistentin den Raum. »Christopher, dein nächster Termin ist zu früh gekommen.«
Verdammt.
»Eine halbe Stunde zu früh?«, fragt er skeptisch. Seine Lippen werden zu dünnen Strichen, und ein Teil der Wärme verschwindet aus seinem Blick. Ah. Ich wette, in Business-Meetings ist er ein richtig harter Knochen.
Seine Assistentin zuckt mit den Achseln. »Ich kann ihnen sagen, dass sie warten sollen.«
»Niemand wartet gern. Wir werden das hier schnell zu Ende bringen«, erklärt er ihr, was mich schlagartig in Panik versetzt. Mit einem Nicken verschwindet seine Assistentin wieder. »Tut mir leid, dass ich unser Treffen abkürzen muss, aber es geht um Geschäftspartner, mit denen wir neue Verträge aushandeln wollen. Es gibt nichts Schlimmeres als Verhandlungen, wenn dein Gegenüber sauer ist, weil es warten musste . selbst wenn es seine eigene Schuld ist, weil es zu früh gekommen ist.«
»Ich verstehe.«
»Ich werde ehrlich sein, Victoria. Ich habe die Bilder aus Ihrem Portfolio gesehen, und Alice und Pippa haben Sie in den höchsten Tönen gelobt. Ich habe mich davon überzeugen können, was Sie im Restaurant und dem Haus geleistet haben, und ich glaube, Sie werden es schaffen, meine Wohnung in ein Zuhause zu verwandeln. Ich bin toll in meinem Job und besitze auch eine Reihe anderer Talente.« Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. »Aber alles, was mit Inneneinrichtung zu tun hat, ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln.«
Und da ist er wieder, dieser selbstironische Humor, gepaart mit einer unerwarteten Prise Großspurigkeit. Aber irgendetwas an der Art, wie er von einer »Reihe anderer Talente« gesprochen hat, sorgt dafür, dass ich mehr erfahren will, statt nur die Augen zu verdrehen.
»Was stellen Sie sich vor?«, frage ich.
»Tatsache ist, dass ich keine Ahnung habe.« Er lässt sich in seinen Stuhl zurücksinken und verschränkt die Hände hinter dem Kopf.
»Damit komme ich klar«, versichere ich ihm.
»Wirklich? Dann müssen Sie eine magische Gabe haben.«
»Fast. Ich bin seit acht Jahren im Geschäft. Ich habe für Leute mit verschiedenen Geschmäckern gearbeitet. Wieso zeigen Sie mir nicht den Grundriss Ihrer Wohnung und ich präsentiere Ihnen gleich ein paar Ideen?«
»Im Moment habe ich leider keine Zeit. Außerdem will ich nichts überstürzen. Ich bekomme die Schlüssel für die Wohnung in sechs Wochen, also haben wir noch Zeit.«
»Schicken Sie mir per E-Mail den Grundriss und alle Bilder, die es schon von der Wohnung gibt, und ich sende Ihnen ein paar Ideen zu. Meine Kontaktdaten haben Sie ja.«
»Habe ich.«
Wir erheben uns gleichzeitig von den Stühlen. Als er mich zur Tür führt, sage ich: »Und lassen Sie mich die Reinigung Ihres Hemdes bezahlen. Das ist mir wirklich unangenehm.«
»Soll ich Ihnen das Hemd gleich mitgeben?« In seiner Stimme schwingt eine Mischung aus jugendlicher Verspieltheit und Herausforderung mit. Ich öffne den Mund, fest entschlossen, die Frage einfach zu ignorieren, doch stattdessen dringt etwas ganz anderes über meine Lippen.
»Ziehen Sie sich oft vor Frauen aus, die Sie gerade erst kennengelernt haben?«
Verdammt, nein! Ich bin durchaus zu humorvollem Geplänkel fähig, wenn die Situation es erfordert, aber er ist ein potenzieller Kunde. Geplänkel hat hier nichts zu suchen. Seine dunklen Augen werden groß. Damit hat er offensichtlich nicht gerechnet.
»Schütten Sie häufiger heiße Schokolade über Männer, die Sie gerade erst kennengelernt haben?«
»Touché.«
»Nur zu Ihrer Beruhigung, ich habe immer saubere Hemden im Büro. Mir blieb nur keine Zeit, eines davon anzuziehen, weil Sie früher gekommen sind als erwartet. Wie die nächsten Besucher auch. Aber ich werde mich in dem Moment umziehen, in dem Sie den Raum verlassen haben. Außer, Sie wollen zuschauen.« Er zwinkert mir zu, und meine Gedanken rasen.
»Schicken Sie mir den Grundriss«, sage ich, stolz, dass ich so professionell bleibe.
»Werde ich machen.« Er wackelt mit den Augenbrauen und fügt hinzu: »Während ich mein Hemd wechsele. Multitasking ist eines meiner Talente.«
»Ich habe nie gefragt, um welche Talente es sich handelt.«
»Und einer meiner vielen Fehler ist es, zu viele Informationen preiszugeben. Aber man weiß nie, wann das mal von Vorteil sein kann.«
Ich schüttele den Kopf, kann aber ein Grinsen nicht zurückhalten. »Pippa sagte schon, dass Sie als Kind ein ziemlicher Teufelsbraten waren.«
»Und das stimmt auch heute noch. Der einzige Unterschied liegt darin, dass ich jetzt ein erwachsener Teufelsbraten bin.«
***
»Gute Nacht, Victoria«, sagt Chloe, den Teddybären im Arm, die braunen Locken auf dem Kissen aufgefächert, die Lider schwer vor Müdigkeit.
Ich drücke ihr sanft einen Kuss auf die Stirn, bevor ich flüstere: »Gute Nacht.«
»Bleibst du bei mir, bis ich einschlafe?«
»Aber sicher, Süße.«
Ich lege das Buch, aus dem ich ihr vorgelesen habe, auf den Nachttisch, schalte das Licht aus und strecke mich neben ihr auf dem Bett aus. Chloe kuschelt ihren kleinen Körper an meinen. Den Blick auf den Mond vor dem Fenster gerichtet, lausche ich ihrer Atmung, die immer ruhiger wird. Mom hat ihr manchmal vor dem Einschlafen vorgelesen, und jetzt tue ich das. So halten wir die Erinnerung an unsere Mutter lebendig.
Sobald ich absolut sicher bin, dass Chloe schläft, verlasse ich leise den Raum. Lucas' und Siennas Zimmer liegen auf der anderen Seite des Flurs, und darin ist es wunderbar ruhig. Ich schleiche zur Treppe, aber natürlich knirscht der Boden trotzdem. Verdammt. Die Dielen in unserem alten Haus haben auch gequietscht, aber eher auf eine angenehme »Eltern-Annäherungswarnung«-Weise, während diese hier zur Kategorie »Erdbebenalarm« gehören.
Der Tod meiner Eltern hat viele Veränderungen nach sich gezogen. Eine davon war, dass wir zwei Monate nach ihrer Beerdigung den einzigen Ort verlassen mussten, an dem wir ihre Gegenwart immer spüren konnten: unser altes Haus. Unser neues Zuhause ist kleiner und weiter von der Schule der Kinder entfernt, als ich es mir gewünscht habe, aber wir leben in San Francisco und die Immobilienpreise sind astronomisch. Das hier war das Beste, was wir uns leisten konnten. Wir arbeiten noch daran, das Haus in ein Zuhause zu verwandeln. Unser gesamtes Mobiliar und ein Großteil der Deko stammen aus dem alten Haus, doch es ist mehr nötig als das, um ein Heim zu schaffen. Irgendwann werden wir es dennoch hinkriegen.
Mit einem Seufzen schüttele ich den Kopf. Der Gedanke an Mom und Dad erfüllt mich immer mit Trauer, aber ich will mich dem Schmerz heute Abend nicht hingeben. Ich habe so viel, für das ich dankbar sein kann - vor allem dafür, dass die Kleinen am Abend des Unfalls nicht mit unseren Eltern auf dem Boot waren. Sie alle zu verlieren ....
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