Schweitzer Fachinformationen
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Heather
»Mama, auf dieser Kiste steht die Zahl achtunddreißig.« Meine siebenjährige Tochter zeigte mit ihrem winzigen Finger auf die Zahlen, die ich mit silbernem Marker auf die Kiste geschrieben hatte.
»Ja.«
»Heißt das, dass wir fertig sind?«
Ich grinste. Ich hatte ihr gesagt, dass wir nach der achtunddreißigsten Kiste aufhören würden . und sie hatte aufgepasst.
»Ja, sind wir.«
Avery jubelte. Ich ging in die Hocke, und sofort warf sie die Arme um meinen Hals. Ich konnte es nicht erklären, aber Avery roch einfach nach Liebe. Dieses kleine Mädchen war mein Sonnenschein. Blond und blauäugig wie sie war, sah sie aus wie ein kleiner Engel.
»Können wir jetzt ein Schaumbad nehmen?«, fragte sie.
»Aber sicher, Schnecke.«
Unser Apartment hatte zwei Schlafzimmer und ein winziges Wohnzimmer und lag in einer umgebauten Lagerhalle. Ich liebte die riesigen Fenster. Sie ließen an sonnigen Tagen jede Menge natürliches Licht einfallen. Vor einer Woche waren wir hier eingezogen, daher die ganzen unausgepackten Kisten. Wir hatten jeden Abend sechs davon geöffnet. In der Küche, die zusätzlich als mein Büro diente, standen auch noch ein paar herum. Als Reporterin arbeitete ich viel von zu Hause aus. Ins Redaktionsgebäude in Manhattan fuhr ich eigentlich nur, wenn eine Sitzung anstand.
Wir gingen ins Bad. Während das Wasser in der Wanne langsam stieg, amüsierten wir uns damit, alle Shampoo- und Duschgelreste in die Wanne zu gießen . plus einen glitzernden Schleim, auf dessen Packung ein Einhorn prangte. Ich hatte keine Ahnung, ob das Zeug wieder abgehen würde, aber mein Mädchen brauchte ein wenig Glitter im Leben und ehrlich . dasselbe galt auch für mich.
Nachdem Gerald die Bombe hatte platzen lassen, war ich mit Avery einkaufen gegangen und hatte ihr erklärt, dass unsere neue Wohnung von nun an eine reine Frauenzone sein würde. Das hatte dazu geführt, dass wir die verschiedensten glitzernden Dinge gekauft hatten, von Nagellack über Badesalze und Lipgloss bis hin zu Bettbezügen. Da gerade März war, hatten wir alles im Winterschlussverkauf ergattert. Mir gefielen unsere Schnäppchen genauso gut wie meiner Tochter.
Sobald ich den Hahn abdrehte, sprang Avery in die Wanne, sodass Wasser in alle Richtungen spritzte. Lachend schloss ich mich ihr an.
»Wir haben unser eigenes kleines Schwimmbad«, rief Avery. In der alten Wohnung hatte es nur eine Dusche gegeben. »Können wir jeden Abend ein Glitzerbad nehmen?«
Ah, mein Mädchen besaß viele Talente. So gern ich sie auch als meinen Engel bezeichnete, sie konnte auch eine kleine Teufelin sein. Sie wusste genau, dass ich ihr nur schwer einen Wunsch abschlagen konnte, doch ich hatte gelernt, Nein zu sagen.
»Nicht jeden Abend. Aber hin und wieder werden wir das machen.«
Sie sah mich mit großen Augen an und grinste. »Ja!« Nach einem kurzen Schweigen fügte sie hinzu: »Mama, Gerald kommt nicht zurück, oder?«
Mir wurde es schwer ums Herz. Vermisste Avery ihn?
»Nein, Süße. Tut er nicht.«
»Mir gefällt es, wenn wir bloß zu zweit sind, Mama.«
Ich konnte kaum dem Drang widerstehen, sie zu drücken, bis ihr die Luft ausging.
»Mir auch, Schnecke. Mir auch. Jetzt gibt es nur noch uns beide.«
Und so würde es auch bleiben.
Nachdem ich Avery ins Bett gebracht hatte, ging ich in die Küche, machte mir eine Tüte Mikrowellen-Popcorn und goss mir ein Glas Wein ein. Ein Abendessen für echte Helden. Ich setzte mich an den runden Küchentisch und sah mich in unserem neuen Zuhause um.
Vor sieben Tagen hatte Gerald mich angerufen und erklärt, dass er etwas Wichtiges mit mir zu besprechen hätte. Ich war gerade damit beschäftigt, Umzugshelfer zu beaufsichtigen und Möbel zu bestellen, also hatte ich kaum darüber nachgedacht, worum es gehen könnte. Ehrlich, ich war einfach bloß glücklich gewesen, dass er endlich für mehr als ein paar Tage in New York sein würde. Er war Reiseführer und ständig in der ganzen Welt unterwegs.
Vor zwei Tagen hatten wir uns im Northern Lights getroffen, wo er mir mitgeteilt hatte, dass er nicht mit uns zusammenziehen wollte, weil er auf einer seiner Reisen jemand anderen kennengelernt hatte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Selbst das Atmen war mir schwergefallen.
Rückblickend hätte ich wissen müssen, dass Gerald nicht bei mir bleiben würde. Er hatte sich nie mit der Idee von uns dreien anfreunden können. Doch ich war verliebt gewesen und hatte Avery Stabilität bieten wollen - besonders da sie ihren Vater nie kennengelernt hatte. Wir hatten uns getrennt, kurz nachdem ich von meiner Schwangerschaft erfahren hatte. Er hatte all seine Rechte aufgegeben, weil er keinerlei Interesse an einer Vaterschaft gehabt hatte. Das war eine schwierige Zeit für mich gewesen, direkt nach dem College - vor allem, weil meine Eltern in Arizona lebten. Als Gerald vor zwei Jahren in mein Leben getreten war, hatte ich mich rettungslos in ihn verliebt und mich gleich in die Beziehung gestürzt. Von nun an würde ich solche Dinge anders angehen.
~
Nach dem Glas Wein fühlte ich mich ein wenig besser. Das war meine erste Auszeit in zwei Tagen. Bisher hatte ich die Trennung kaum verarbeiten können, da ich die Wohnung einrichten und die Kisten auspacken musste. Doch ich hatte auch versucht, diesen schrecklichen Abend zu vergessen. Jetzt, wo ich nicht mehr mit Kistenauspacken beschäftigt war, konnte ich nicht anders, als darüber nachzudenken. Als der Typ von der Security aufgetaucht war, hatte ich die Chance genutzt, um aus der Bar zu fliehen - wie ich es mir schon ab dem Zeitpunkt gewünscht hatte, in dem mir klar geworden war, dass Gerald nur gekommen war, um sich von mir zu trennen. Alle in Hörreichweite hatten mich voller Mitleid betrachtet . und ich war so vor den Kopf gestoßen gewesen, dass ich einfach nicht gewusst hatte, wie ich reagieren sollte. Was ist mit Avery? Und der Wohnung?, hatte ich gefragt.
Das geht mich alles nichts an.
Ich konnte immer noch nicht glauben, dass er uns einfach so die kalte Schulter gezeigt hatte. Ich drückte mir eine Hand an den Bauch, mein Magen ein einziger Knoten. Aber ich erinnerte mich auch an den Mann, der sich eingemischt hatte. Ein vollkommen Fremder hatte genügend Mitgefühl gezeigt, um eine Entschuldigung von Gerald zu fordern. Je öfter ich daran zurückdachte, desto unruhiger wurde ich. Gerald hatte ihn geschubst. Verdammt! Ging es dem Mann gut? Wieso hatte ich mich bis jetzt nicht dafür interessiert?
Ich googelte die Bar und rief dort an, das Telefon eng ans Ohr gepresst.
»Northern Lights. Wie kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine Frauenstimme.
»Ich hätte eine Frage . ich war vor zwei Tagen abends in Ihrer Bar. Mein Ex-Freund hat Krawall gemacht. Die Security hat sich eingeschaltet.«
»Ich erinnere mich.«
»Ein Mann hat versucht, einzuschreiten. Mein Ex hat ihn geschubst. Wissen Sie zufällig, ob es ihm gut geht?«
»Oh, das war Ryker. Er tritt hier manchmal auf. Keine Sorge, es geht ihm gut. Nichts, was nicht mit einem Eisbeutel behandelt werden konnte. Allerdings hat seine Gitarre eine Bierdusche abbekommen.«
Mist. Das klang überhaupt nicht so, als wäre alles in Ordnung.
»Das tut mir sehr leid. Funktioniert die Gitarre noch?«
»Es war eine elektrische, also bin ich mir da nicht ganz sicher. Er hat sie zur Reparatur gebracht.«
Verdammt, ich musste das wiedergutmachen. Wenn die Gitarre ersetzt oder repariert werden musste, musste ich das bezahlen.
»Wann tritt er das nächste Mal auf?«
»Morgen, ungefähr um acht Uhr.«
»Danke Ihnen.« Ich legte das Telefon zurück auf den Tisch und goss mir noch ein Glas Wein ein. Ich hatte eine vage Erinnerung an den Mann: dunkelblondes Haar, schöne blaue Augen. Hmmm . vielleicht verklärte ich sein Aussehen ein bisschen, unterstützt von Mr Sauvignon Blanc. Nun, das würde ich morgen herausfinden.
Dann drehte ich das Glas zwischen den Fingern und sah mich lächelnd in der Wohnung um. Ich war entschlossen, mich auf die positiven Dinge in meinem Leben zu konzentrieren: Ich hatte eine wunderbare Tochter, die ich über alles liebte, einen tollen Job und eine schicke, neue Wohnung.
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