Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
In Kapitel 1.2 haben wir die vielfältigen Vorteile und Nutzen von Personas für Unternehmen betrachtet; in diesem Kapitel wollen wir uns damit beschäftigen, welche Aspekte bei der Formulierung von Personas Beachtung finden sollten. Zur Erinnerung: Ziel jeder Persona-Formulierung ist es, den Kern seiner Zielgruppe(n) so plastisch und anschaulich wie möglich zu beschreiben. Das Ergebnis sollen prägnante, differenzierende Bilder von Menschen mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und evtl. auch Ängsten sein. Gleichzeitig sollen diese Bilder empirisch auf belastbarem Boden stehen.
Aber: Menschen sind höchst unterschiedlich. Sie unterscheiden sich im Alter und im Geschlecht, sie unterscheiden sich aber auch darin, wie sie angezogen sind, was sie essen und wohin sie in Urlaub fahren. Sind diese Unterschiede zufällig? Oder gibt es möglicherweise Gesetzmäßigkeiten und Einflüsse, die erhebliche Auswirkungen auf ihre Art zu denken, zu fühlen und zu kaufen haben?2
Diese Einflüsse gibt es und sie stellen das strukturierende Grundgerüst bei der Persona-Entwicklung dar. In der Praxis empfiehlt es sich, all diese Einflussfaktoren auf die Bausteine von Personas anzuschauen. Es kann allerdings sein, dass in der endgültigen Persona-Formulierung nicht alle Aspekte berücksichtigt werden, weil sie nicht immer die gleiche Relevanz haben. In Kapitel 3 wird an verschiedenen Praxisbeispielen aufgezeigt, wie unterschiedlich die Persona-Bausteine gehandhabt werden können.
Welche Bausteine sind es also, die bei der Persona-Formulierung wichtig sind? Die Aspekte, die wir berücksichtigen müssen, teilen sich prinzipiell in drei Säulen auf:
Persönlichkeit
Die emotionale Persönlichkeitsstruktur (inkl. Alter und Geschlecht)
Werte und Werthaltungen
Wünsche und Interessen
Ängste und Barrieren
Soziokultur
Lebensphase/Lebenssituation (Familie usw.)
Sozioökonomie: Bildung, Beruf und Milieu, Schicht und Einkommen
Kulturelle Differenzen
Kategorie
Kategoriespezifische Einstellungen (= konkrete Interessen, Erfahrungen und Wünsche in bestimmten Produktkategorien)
Zur Verdeutlichung und zur Veranschaulichung empfiehlt es sich, Persona-Beschreibungen mit Life-Style-Moods zu ergänzen. Weiter unten werden wir darauf noch etwas näher eingehen.
Wie Sie sicher bemerkt haben, sind das alles Aspekte, die vor allem für Consumer-Personas von Bedeutung sind. Für B2B-Personas brauchen wir einige davon auch, es kommen aber noch weitere hinzu. In Kapitel 2.5 werden wir uns damit gesondert beschäftigen.
Dreh- und Angelpunkt bei der Formulierung von Personas ist die Beschreibung ihrer Persönlichkeit. Aber was ist Persönlichkeit? Woher kommt sie? Wir alle wissen, dass es sehr verschiedene Typen von Menschen und unterschiedliche Temperamente gibt. Vielleicht haben Sie eine Kollegin, die sehr ehrgeizig und manchmal sogar egoistisch ist. Eine andere mag ein eher lockerer Typ sein, die vor allem an einer guten Beziehung zu allen Kollegen und Kolleginnen interessiert ist. Bei beiden Kolleginnen gibt es gelegentliche Stimmungsschwankungen, aber der Grundtyp der Persönlichkeit ist relativ stabil.
Genau darum geht es: Offensichtlich gibt es Persönlichkeitseigenschaften, die über die Zeit hinweg relativ konstant sind und unsere Art zu leben, zu denken und natürlich auch zu kaufen erheblich beeinflussen. Die Antwort auf die Frage, woher diese Persönlichkeitseigenschaften und ihre Unterschiede zwischen den Menschen kommen, ist relativ einfach: Die Grundsäulen jeder Persönlichkeit sind unsere Emotionssysteme im Gehirn. Aber was sind überhaupt Emotionen?
Vereinfacht gesagt sind Emotionen "Relevanz-Detektoren" die den "Verstandesteil/Handlungsteil" von uns wissen lassen, was wichtig und bedeutend für uns ist. Emotionen "wissen" das aus der Evolution. In unseren Emotionssystemen sind die Erfahrungen vieler Millionen Jahre gespeichert, die das Überleben eines Organismus sichern.
Doch wie hängen Emotionen und Persönlichkeit zusammen? Die Antwort lautet:
Emotionen treiben uns an und motivieren uns. Emotionen geben uns Ziele vor.
Emotionen bewerten, was gut oder schlecht für uns ist.
Emotionen machen sich in unserem Bewusstsein in Form von Gefühlen bemerkbar.
Nachdem die Grundlagen von Emotionen allgemein klar sind, interessiert uns, welche Emotionen es überhaupt gibt. In vielen wissenschaftlichen Werken werden sechs Basis-Emotionen proklamiert: Trauer, Überraschung, Freude, Ärger, Angst und Ekel. Doch diese Betrachtung ist völlig unzureichend, weil wichtige Emotionen fehlen und lediglich nur Emotionen mit eindeutigem Gesichtsausdruck in dieser Aufstellung zu finden sind. Außerdem sind die proklamierten Basis-Emotionen letztlich nur Teilgefühle einer viel umfassenderen Emotionsarchitektur. Es gibt eine ganze Reihe von Gefühlen, die keinen Gesichtsausdruck mit sich bringen, trotzdem aber von enormer Bedeutung sind. Denken Sie nur an Ihre erste Liebe, die Ihnen innerlich das Herz vor Sehnsucht weggebrannt hat. Kurz und gut: Die Theorie der sechs Basis-Emotionen ist zwar nicht völlig falsch, sie ist aber unvollständig und hilft bei der Formulierung von Personas nicht.
Welche Emotionssysteme gibt es aber nun wirklich? In einer langjährigen Forschungsarbeit hat der Mitautor dieses Buches, Dr. Hans-Georg Häusel, die vielfältigen Erkenntnisse der Hirnforschung mit bestehendem Wissen der Psychologie und umfangreichen eigenen Untersuchungen zu einem in dieser Form weltweit einzigartigen Persönlichkeits- und Emotionsmodell verknüpft. Sein Name: Limbic. Der Name kommt vom "limbischen System", dem emotionalen Zentrum im menschlichen Gehirn. Abbildung 1 gibt einen Überblick über das emotionale Betriebssystem im Konsumentenhirn.
Abb. 1: Die Emotionssysteme im Gehirn
Im Zentrum aller Emotionssysteme stehen die sogenannten physiologischen Vitalbedürfnisse, wie z. B. Nahrung. Mit diesen Bedürfnissen werden wir uns nicht weiter befassen. Neben diesen Vitalbedürfnissen gibt es drei große Emotionssysteme. Diese sind:
das Balance-System (Ziel und Zweck: Sicherheit, Risikovermeidung, Stabilität),
das Dominanz-System (Ziel und Zweck: Selbstdurchsetzung, Konkurrenzverdrängung, Autonomie) und
das Stimulanz-System (Ziel und Zweck: Entdeckung von Neuem, Lernen von neuen Fähigkeiten).
Im Laufe der Evolution haben sich zusätzliche Emotionssysteme im Gehirn entwickelt. Das wichtigste ist das Harmonie-System, bestehend aus unserem Wunsch nach Bindung und Fürsorge:
Bindung (Positiv: Geborgenheitsgefühl; Negativ: Verlassenheitsgefühl)
Fürsorge (Positiv: Liebe; Negativ: Gefühl, von niemandem gebraucht zu werden)
Das Harmonie-System ist im Gehirn eng mit dem Balance-System verknüpft. Eine Sonderrolle spielt die Sexualität, weil sie eigene Ziele verwirklicht und gleichzeitig auf vorhandene Emotionssysteme zurückgreift.
Bei allen Menschen sind alle diese Emotionssysteme vorhanden. Aber sie sind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Das tragende Fundament unserer Persönlichkeit ist also nichts anderes als ein individueller Mix unserer Emotionssysteme. Die sogenannte Verhaltensgenetik geht nun davon aus, dass ca. 50 % der Persönlichkeit angeboren sind, die verbleibenden 50 % durch Erziehung, Lebenserfahrungen und Kultur geprägt werden Die entscheidenden Jahre einer möglichen Veränderung sind dabei die ersten Lebensjahre und die Jugend. Danach ist unsere Persönlichkeit ziemlich stabil (ausgenommen: Altersveränderungen).
Da die Emotionssysteme in unserem Gehirn zeitgleich aktiv sind, gibt es Mischungen zwischen ihnen. Diese Mischungen können wir ebenfalls als Persönlichkeitsdimensionen betrachten.
Die Mischung zwischen Dominanz und Stimulanz ist Abenteuerlust: Man möchte etwas entdecken und sich dabei selber durchsetzen. Die Abenteuerlust ist auch durch hohe Risikobereitschaft und Impulsivität gekennzeichnet.
Die Mischung zwischen Stimulanz und Balance/Harmonie ist Offenheit. Während das Stimulanz-System aktiv nach dem Neuen sucht, sind Balance/Harmonie eher passiv. Das kennzeichnet die Offenheit: Man lässt das Neue genussvoll auf sich zukommen und entdeckt die Welt aus dem Theatersitz oder dem Fernsehsessel.
Die Mischung zwischen Balance und Dominanz ist Disziplin und Kontrolle. Das Dominanz-System möchte die Welt beherrschen, das Balance-System möchte Stabilität. Genau das zeichnet die Disziplin aus: Selbstbeherrschung.
Man kann jetzt die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen und damit die einer Persona wie folgt darstellen:
Abb. 2: Die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen mit Schwerpunkt Balance
Wir sehen, dass zum Beispiel bei dieser Persona das Balance-System und Harmonie sehr stark, die Dominanz- und Stimulanz-Kräfte eher schwach ausgeprägt sind. Es handelt sich also um eine Persona, die vorsichtig und konservativ ist. Sicherheit im...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.