Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
HANS-PETER HUTTER
Im September 1948 beschloss der Weltärztebund WMA das Genfer Gelöbnis - den ethischen Handlungsrahmen für uns Ärztinnen und Ärzte. Es beginnt mit: "Hiermit gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen. Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein."
Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und des Klimas sind elementare Voraussetzungen für Gesundheit und Wohlergehen der Menschen. Aus intakter Natur schöpfen wir lebenswichtige natürliche "Leistungen" wie Filterfunktionen von Luft und Wasser, Bereitstellung von Lebens- sowie Arzneimitteln, um nur einige zu nennen. Obwohl der Gesundheitssektor zentraler Akteur in der Klimakrise ist, fehlt bisher weitgehend die breite Einbeziehung der Umweltperspektive in ärztliche Verantwortungsbereiche.
Zu den gesundheitsrelevanten Folgen des Klimawandels zählen unter anderem Auswirkungen von Hitzestress, insbesondere in Städten und Agglomerationen, sowie anderen Extremwetterereignissen, die mit dem Klimawandel zunehmen (Dürre und Wassermangel, Überflutungen, Stürme, Brände etc.), neu oder verstärkt auftretende Pollenbelastungen und Infektionskrankheiten.1, 2, 3 Nicht zuletzt sind verstärkte klimawandelbedingte Migrationsströme auch nach Mitteleuropa zu erwarten.2
Herausforderungen im Gesundheitswesen
Ärztinnen sind daher vom Klimawandel mehrfach betroffen: Es droht etwa eine massive Überforderung des Gesundheitswesens in Hitzephasen bei gleichzeitiger Beeinträchtigung der eigenen Arbeitsfähigkeit. In Zukunft ist eine deutliche Zunahme an Hitzetagen zu erwarten, eine Verzehnfachung bis zum Jahr 2100 wird prognostiziert.2 Dementsprechend wird auch die Zahl an Hitzetoten deutlich steigen. Extremwetterlagen wie Niederschläge mit Vermurungen und Hochwasser führen nicht nur zu unmittelbaren Verletzungs- und Überlastungsschäden, sondern können auch schwerwiegende psychische Auswirkungen (Stichwort: posttraumatische Belastungsstörungen) zur Folge haben, besonders gravierend bei wiederholtem Auftreten von Umweltkatastrophen. Diese chronischen Gesundheitsfolgen werden in der öffentlichen Diskussion nach wie vor unterschätzt.4 Die schlechte Erreichbarkeit von Patienten, die schwierige ambulante und pflegerische Versorgung alter und chronisch kranker Menschen unter extremen Bedingungen kommen noch hinzu.
Das Gesundheitswesen steht vor der Bewältigung zahlreicher neuer Herausforderungen, für die deutlich mehr Ressourcen - personell wie finanziell - bereitgestellt werden müssen. Die Gesundheitskosten (inklusive Produktivitätsrückgang) des Klimawandels sind bereits heute in Österreich messbar und werden sich bis 2050 zum größten Kostenfaktor dieser Entwicklung steigern.
WARUM SIND ÄRZTINNEN UND ÄRZTE BETROFFEN?
Sie arbeiten präventiv.
Sie behandeln die Folgen des Klimawandels.
Sie tragen besondere Verantwortung für Menschen und deren Gesundheit.
Sie sind Experten, Vorbild und Vertrauensperson, somit ideale Kommunikatoren.
Sie engagieren sich in der Vermeidung hoher Kosten im Gesundheitssystem.
Sie stellen die medizinische Versorgung sicher.
Um den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, sind die konsequente und umgehende Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, zu denen sich Österreich national wie international verpflichtet hat, und Strategien zur Anpassung an den Klimawandel notwendig. Das Gesundheitswesen ist dabei sowohl auf klinischer als auch präventiver Ebene in der Verantwortung, Maßnahmen zu initiieren und zu kommunizieren. Allerdings ist das Gesundheitswesen nicht nur direkt von den Klimawandelfolgen betroffen, sondern trägt auch dazu bei.
Eine erstmalige, detaillierte Analyse des gesamten CO2-Fußabdrucks des österreichischen Gesundheitssektors zeigt, dass Krankenhausbetrieb, Pflege, ambulante Versorgung und Arzneimittel in Österreich im Jahr 2014 etwa 6,8 Megatonnen CO2 verursachten.5, 6 Damit ist der Konsum von Gesundheitsleistungen für rund 7 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen, also des nationalen CO2-Fußabdrucks, verantwortlich. Krankenhäuser verursachen fast ein Drittel davon. Der Gesundheitssektor ist laut dieser Studie im Durchschnitt der OECD-Länder der größte CO2-Emittent unter allen Dienstleistungssektoren und der sechstgrößte CO2-Emittent gesamtwirtschaftlich.5, 6
Klimaschutz ist Gesundheitsschutz
Zur Bewältigung der gesundheitlichen Folgen der Klimakrise braucht es etwa verstärkte Aus- und Fortbildung allgemein rund um den Themenkomplex "Klima-Umwelt-Gesundheit", um das häufig noch mangelnde Bewusstsein in der Ärzteschaft zu heben, ebenso wie spezifisch etwa zu neuen (ehemaligen Tropen-)Krankheiten und Allergenen. WMA und WHO haben die Universitäten eindringlich zu solchen Maßnahmen aufgefordert. Es gilt, dringend zu handeln. Nicht zuletzt, weil die Folgen der Klimaerwärmung schneller auftreten und noch gravierender sind, als man vor 20 Jahren angenommen hat.
Der Ärzteschaft kommt eine besondere Verantwortung, aber auch besonderes Potential im Klimaschutz zu, da ihr Engagement weitreichende Signalwirkung hat und der Beruf der Ärztin nach wie vor hohe Glaubwürdigkeit und Vorbildwirkung in der Bevölkerung hat. Mit "Doctors4Future Austria" (D4F) wurde eine Initiative und Aktionsplattform gegründet, um Mediziner und Angehörige anderer Gesundheitsberufe in ihrer Verantwortung als Vorbilder hinsichtlich eines klimafreundlichen und gesundheitsförderlichen Verhaltens zu sensibilisieren und dabei mitzuwirken, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen und nach außen mitzutragen7.
Gerade Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen besitzen ein hohes präventives Potential hinsichtlich des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung. Ärztinnen und Angehörige des Gesundheitswesens insgesamt können sich unter anderem bei Gesundheitsförderungsmaßnahmen wie der Reduktion des übermäßigen Fleischkonsums oder dem Fokus auf höherer aktiver körperlicher Bewegung - die in engem Bezug zur Klimakrise stehen - sowie zukunftsträchtigem Investment aktiv für Klimaschutz einsetzen. Gleichzeitig können die genannten Präventionsmaßnahmen zu mehr Lebensqualität und wesentlich zur Senkung der Gesundheitskosten beitragen.
Selbstverständlich sind auch Anpassungsmaßnahmen umzusetzen. So gibt es teils wirksame Möglichkeiten der Adaptation und der Schadensbegrenzung. Es ist aber auch klar, dass ab einer globalen Temperaturerhöhung von über 3° C ein solcher Schutz nur noch begrenzt möglich ist, wie dies jüngst im Bericht des UNO-Weltklimarats festgehalten wurde.8
Wir sind im ärztlichen Gelöbnis auch aufgefordert, an der Entwicklung und am Erhalt des Gesundheitswesens mitzuwirken. Aktives Engagement für Klimaschutz und Unterstützung entsprechender Maßnahmen in unserem Verantwortungs- und Handlungsbereich ist in diesem Sinne als essentieller Bestandteil unseres Selbstverständnisses als Arzt zu betrachten und Fürsorge für Patientinnen längst um die eingangs erwähnte Umweltperspektive zu erweitern9. Denn Klimaschutz ist Gesundheitsschutz.
WIE KÖNNEN ÄRZTINNEN UND ÄRZTE HANDELN?
Besuch von Fort- und Weiterbildungen zum Thema (Kongresse, DFP [z. B. Kurs "Umweltmedizin"] u. a.)
Information und präventive Beratung von Patienten
Aufmerksame Diagnostik und Anpassung der Therapien
Klimaneutrale Praxis-/Spitalsausstattung
Klimafreundliche Einkäufe und Organisationsstrukturen
Berufliches und politisches Engagement, z. B. Doctors4Future
Nachhaltige Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen
Die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit und das Gesundheitswesen sind schon heute spürbar und die daraus resultierenden Auswirkungen und Herausforderungen werden künftig für das Gesundheitssystem verstärkt handlungsrelevant. Die Wirkungen auf die Gesundheit, unter anderem bedingt durch Hitze, Extremwetterereignisse, Allergien, vektorübertragbare Krankheiten und Klimaangst, sind systematisch in den gesundheitspolitischen Blickpunkt gerückt. Der Klimawandel verursacht eine erhöhte Nachfrage im Gesundheitswesen, dies erhöht wiederum die CO2-Emissionen, die Kosten im Gesundheitssektor steigen, aber auch die weiteren Folgekosten, die durch steigende CO2-Emissionen bedingt sind. Studien zeigen, dass die Folgekosten der Klimakrise und des ungebremsten Klimawandels für den Gesundheitssektor am höchsten sein werden und in den nächsten Jahren sukzessive steigen.10
Im Rahmen der UN-Klimakonferenz 2021 (COP26) war das Thema Gesundheit erstmals Teil des Programms der Klimaverhandlungen. Die Initiative zielt auf eine stärkere gesundheitliche Ausrichtung der COP26 ab und fokussiert den Aufbau klimaresilienter Gesundheitssysteme wie auch die Entwicklung nachhaltiger Gesundheitssysteme mit geringem CO2-Ausstoß.
Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit
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