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Die Vergangenheit berühren, riechen und schmecken, die wichtigen Erlebnisse und Erfahrungen sinnlich nachvollziehen - dazu lädt Hans Ulrich Gumbrecht die Leser in seinem faszinierenden Buch über das Jahr 1926 ein.
Den Themen sind dabei kaum Grenzen gesetzt: Boxen, Eisenbahnen, Philosophie, Jazz, Bergsteigen, Kino, Ozeandampfer, Pomade, Stierkampf und vieles mehr. Gumbrecht sichtet Romane, Reportagen, Reiseberichte, aber auch Werbe- und Todesanzeigen und fügt diese zum Bild eines scheinbar »ganz gewöhnlichen Jahres« zusammen. Wir begegnen gepflegten Sekretärinnen und streikenden Arbeitern, berühmten Boxern und halbnackten Revuegirls, fiebern in Sportarenen beim Sechstagerennen und werden Zeugen von Gewaltverbrechen und Straßenkämpfen.
So entfaltet diese ungewöhnliche Reise in das Jahr 1926 nicht nur ein vielschichtiges Panorama eines Jahres zwischen Aufbruch und Abgrund, sondern ist auch eine Einladung, die eigene Wahrnehmung von Geschichte zu hinterfragen.
»Sechs herrliche Tage auf See . . . und dann Paris. Die Speisen und der Service auf der Paris und der France suchen ihresgleichen, und durch diesen Luxus gewinnen Sie auf Ihrer Reise sechs zusätzliche Tage Paris ! Diese französischen Linienschiffe der Extraklasse steuern zunächst Plymouth in England an, .. . anschließend geht es nach Le Havre, wo ein Sonderzug auf Sie wartet, um Sie in drei Stunden nach Paris zu bringen. Die Dampfer mit einheitlicher Kabinenausstattung fahren direkt nach Le Havre, dem Hafen von Paris. In Frankreich liegen die Orte nah beieinander: die Riviera ist nur eine Nachtreise von Paris entfernt, .. . während es nur einer eintägigen Schiffsreise bedarf, um über das Mittelmeer nach Nordafrika zu gelangen. Auf der Route New York-Bordeaux-Vigo bekommt man die außerordentliche Schönheit von Südfrankreich und Spanien zu sehen.« So als wollte man die Beliebtheit der Transatlantikreisenunter Beweis stellen [ Ozeandampfer], schlägt die Klatschspalte der New York Times vom 21. September den gleichen Ton an wie die eben zitierte Werbung für französische Linienschiffe und nennt eine Vielzahl von Angehörigen der feinen Gesellschaft, die nach Europa abreisen oder auf der Rückfahrt von dort sind: »Mrs. S. Stanwood Menken und Arthur Menken sollen heute eintreffen, nachdem sie zwei Monate in Europa verbracht haben.« »Mr. und Mrs. Harold Irving Pratt und Miss Eleanor Pratt aus Welwyn, Glen Cove, Long Island, werden sich heute auf eine Europareise begeben.« Gewiß hat der Pariser Korrespondent der Berliner Morgenpost recht, wenn er diese »Ausländer-Überschwemmung« mit ihren die französische Hauptstadt besuchenden Amerikanern als eine »Folge der Inflation« interpretiert. Die Krise des Franc sorgt zusammen mit der fortwährenden Stärke der amerikanischen Wirtschaft dafür, daß Europa auch für Menschen erschwinglich wird, deren Namen nie in den Presseberichten über die feine Gesellschaft erscheinen werden.
Aber wieso sind derart lange und kostspielige Seereisen zu einer echten gesellschaftlichen Verpflichtung, wenn nicht gar zu einer fixen Idee geworden? [ Zentrum = Peripherie (Unendlichkeit)] Was erwarten sich die amerikanischen Touristen von einem Parisaufenthalt ? Nur sehr wenige reisen zu einem bestimmten Zweck nach (oder durch) Paris, im Gegensatz zu mehreren Tausenden amerikanischer Soldaten, die gemeinsam mit französischen und englischen Einheiten im Frühherbst ihren Rückzug aus dem besetzten Rheinland antreten (New York Times, 22. September). Die Verkaufsstrategien der Tourismusbranche deuten darauf hin, daß Frankreich beziehungsweise Paris bei der wohlhabenden Mehrheit der amerikanischen Touristen als Ort höchster Raffinesse in puncto Lebensstil und Kultur gelten. Jetzt, da Atlantiküberquerungen durch den technischen Fortschritt zu einer relativ ungefährlichen Angelegenheit geworden sind, wird das Erlebnis der europäischen Kultur aus erster Hand zu einem üblichen Bestandteil der Erziehung Heranwachsender aus Familien der oberen Mittelschicht.
In Ernest Hemingways erstem und bereits überaus erfolgreichem Roman The Sun Also Rises (Fiesta) treffen der Erzähler Jake und sein Freund Bill eine Familie amerikanischer Touristen auf der Eisenbahnfahrt von Frankreich nach Spanien [ Eisenbahn]:
In unserem Abteil saßen außer uns noch ein Mann, seine Frau und ihr
Sohn. »Ich nehme an, Sie sind doch wohl Amerikaner, nicht wahr?« fragte der Mann. »Machen Sie eine schöne Reise ?« »Herrlich«, sagte Bill. »So muß man's machen. Reisen, wenn man jung ist. Mutter und ich wollten immer herüberkommen, mußten aber 'ne ganze Weile warten.« ... »Hören Sie, ich glaube, es sind reichlich viel Amerikaner im Zug«, sagte der Mann. »Sieben Wagen voll aus Dayton, Ohio. Sie haben eine Pilgerfahrt nach Rom gemacht und sind jetzt auf dem Weg nach Biarritz und Lourdes.« »So, also das ist es, Pilger. Verdammte Puritaner«, sagte Bill. »Aus welchem Teil der Staaten seid ihr denn, Jungens?« »Kansas City«, sagte ich. »Er ist aus Chicago.« »Fahren Sie beide nach Biarritz ?« »Nein, wir fahren zum Angeln nach Spanien.« (87ff./ 147f.)
Daß sie im gleichen Abteil sitzen müssen wie diese amerikanischen Landsleute, ist eine unerfreuliche Störung von Jakes und Bills Europaerlebnis. Obwohl die Familie aus Dayton nicht auf religiöser, sondern auf kultureller Pilgerfahrt ist und obwohl auch Jake und Bill mit ihrer von Paris nach Süden führenden Reise bloß den Anweisungen der Tourismusbranche gehorchen (»in Frankreich liegen die Orte nah beieinander«), werfen Hemingways Protagonisten alle übrigen Amerikaner in einen Topf und nennen sie »verdammte Puritaner«. Denn der Puritanismus, die Prohibition und die sprachlose Bewunderung europäischen Raffinements sind genau das, was die Figuren in Fiesta und ihre Vorbilder im wirklichen Leben (also Hemingways amerikanische Freunde in Paris) hinter sich lassen wollen. Jake Barnes, das Alter ego des Autors, ist ein Journalist, der aufgrund einer Kriegsverletzung impotent geworden ist und jetzt danach strebt, seinem Leben wieder einen Sinn zu geben. Brett, zu deren Darstellung Hemingway von seiner Pariser Bekannten Lady Duff Twysden angeregt wurde, gelingt es nicht, das durch den Tod ihres im Krieg gefallenen Verlobten erlittene Trauma zu überwinden. In regelmäßig wiederholten alkoholischen und erotischen Ausschweifungen sucht sie Befriedigung (und erntet natürlich nur Enttäuschung). Anschließend kehrt sie stets zu Jake zurück, durch dessen Impotenz diese hin und wieder gefundene Nähe zum Teil eines Circulus vitiosus wird. Die Figur des Robert Cohn basiert auf der Person des reichen jüdischen Emigranten Harold Loeb, der früher an der Universität Princeton die Boxmeisterschaft im Mittelgewicht gewonnen hatte. [ Boxen] Cohn ist in Brett verliebt, und diese Leidenschaft spiegelt Loebs Affäre mit Lady Duff ebenso, wie die von Brett und dem Erzähler empfundene Verachtung für Cohn die herablassende Einstellung Lady Duffs und Hemingways zu Loeb spiegelt. Jakes Freund Bill ist ein aus Chicago stammender und in New York zu Erfolg gelangter Schriftsteller, dessen Vorbild kein anderer ist als Bill Smith, Hemingways Jugendfreund aus Oak Park, Illinois (Burgess, 48 ff.). Diese Vertreter der »verlorenen Generation« Amerikas bewundern nicht das Raffinement der europäischen Kultur, sondern suchen in Paris, was ihnen in der Heimat fehlt: eine liberalere Einstellung zu außerehelichen und homosexuellen Beziehungen (Benstock, 99 ff.; Prost und Vincent, 536 ff.), eine Umwelt, die ihren Ansprüchen auf künstlerische Begabung wohlwollend gegenübersteht, und vor allen Dingen starke Getränke. [ Bars] Sie feiern den Sieg Gene Tunneys über Jack Dempsey beim Boxkampf um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht, und diese Feier wird laut Bericht der New York Times vom 24. September zu einer nationalen Orgie fern der Heimat: »In einer bekannten amerikanischen Bar im Herzen von Paris traf sich eine erztypische Gruppe von Amerikanern, um Champagner flaschenweise und auch sonstige herzstärkende Getränke zu sich zu nehmen. Man lauschte den vorgelesenen Meldungen, die alle paar Minuten aus der amerikanischen Nachrichtenagentur herübergetragen wurden.«
Manchmal sind Liebeskummer oder Scheidung das unmittelbare Motiv für die Reise des Amerikaners nach Europa, wie zum Beispiel im Fall des hochgelobten (und noch höher bezahlten) Designers Ralph Barton, der im März in Paris eintrifft. Sofern die Ankömmlinge aus Amerika über diese rein negativen Motive hinausgehende Beweggründe haben, werden sie normalerweise enttäuscht. Denn die Pariser Intellektuellen geben sich Krisengefühlen hin und frönen Ritualen der Selbstpeinigung, die dazu angetan sind, an Liebeskummer leidende Ausländer wie Barton in noch tiefere Niedergeschlagenheit tauchen zu lassen: »Paris ist Murks. Ich habe dieses Gefühl zwar noch nie gehabt, aber jetzt gebe ich's zu. . .. Auch die Franzosen blasen deswegen Trübsal, und Selbstmord ist ein regelmäßig wiederholtes Thema. Jeder Tag ist kalt und klamm. Und zu guter Letzt bin ich impotent geworden« (Kellner, 135; Willett, 168). Daher liegt eine gewisse Ironie darin, daß der Titel von Hemingways Roman gerade auf das verweist, was die existentialistisch gesinnten Ankömmlinge in Paris nicht mehr finden können. Der amerikanische Originaltitel The Sun Also Rises ist nämlich der folgenden Stelle des Predigers Salomo entnommen: »Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt; die Erde aber bleibt immer bestehen. Die Sonne geht auf und geht unter und läuft an ihren Ort, daß sie dort wieder aufgehe.« Die ewigen Rhythmen der Natur sind für die amerikanischen Intellektuellen Auslöser ihrer Sehnsucht nach einem elementaren Lebensgrund, nach einem Etwas, das ihrer Erfahrung der sich ständig wandelnden und immerfort enttäuschenden Oberflächlichkeit der Welt daheim widersteht. [ Authentizität versus Künstlichkeit] Spanien,...
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