Schweitzer Fachinformationen
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Er hatte wie gewohnt im Flugzeug geschlafen. Die Hotelsuite erinnerte ihn an ein Bordell der oberen Preisklasse, und wenn er den Namen des Hotels, Hassler, auf englisch aussprach, bedeutete das Wort sehr richtig Ganove.
Auf dem Marmortisch im Wohnzimmer standen ein Sektkühler mit Schmelzwasser und einer Flasche, möglicherweise Champagner, sowie zwei Gläser auf weißen Deckchen. Neben den Gläsern lag eine Karte, auf der der Geschäftsführer des Hotels ihn als Schweden besonders willkommen hieß. Dann folgte ein Hinweis auf den jetzigen schwedischen König oder den davor. Carl nahm die Flasche prüfend in die Hand und stellte fest, daß es tatsächlich Champagner der Marke Perrier war. Angesichts der Tatsache, daß die Zimmer mehr als eine Million Lire pro Nacht kosteten, war das kein übertriebenes Begrüßungsgeschenk. Er wußte zwar nicht genau, wieviel eine Million Lire in richtigem Geld sind, aber die Summe kam ihm trotzdem reichlich hoch vor.
Er ließ die Flasche in das geschmolzene Eiswasser gleiten und ging mit seiner Reisetasche ins Schlafzimmer. Dieses verstärkte noch den Eindruck von Liebesnest für Gutbetuchte. Die Farben Rosa und Gold dominierten, das Bett war riesig, aber ohne Besuchsritze in der Mitte.
Er suchte eine Weile nach einem Schalter, um die automatischen Rolläden vor den Schlafzimmerfenstern aufzubekommen, als könnte Tageslicht einige seiner Unlustgefühle abwaschen. Es half und brachte ihn vorübergehend auf andere Gedanken. Er blickte durch die französischen Fenster auf Efeu, Palmen und üppig belaubte Bäume, deren Namen er nicht kannte, die ihn aber an Ahornbäume mit Tarn-Uniform um die Stämme erinnerten.
Er packte seine Sachen aus, was schnell gemacht war, und hängte seine Anzüge in den reichlich bemessenen Kleiderschrank, stellte sein Reisenecessaire in das weiße Marmorbad, nahm die Dokumente an sich, die Beata für ihn zusammengestellt hatte, ging wieder ins Wohnzimmer und wiederholte die Prozedur mit den Rolläden.
Von jetzt an brauchte er nur noch zu warten. Er ließ die Schuhe zu Boden segeln, legte die Beine auf den Marmortisch neben den Champagner und blätterte in den Papieren auf dem Knie. Keine Geheimakten, soweit er sehen konnte. Das meiste waren Broschüren sowie einige Ausgaben von Marin-Nytt. Kein sonderlich anregendes Lesefutter.
Er rutschte auf dem Plüschsofa, das natürlich im gleichen Stil gehalten war wie alles andere, ein wenig zur Seite, um das Telefon zu erreichen, und wählte Joars Nummer. »Heute wird kaum mehr etwas passieren. Wahrscheinlich ruft mich nachher nur jemand an. Wenn du willst, kannst du gern in die Stadt gehen, wenn dir das lieber ist, als auf dem Bett zu liegen und zu lesen. Ich übernehme dann die erste Wache.« Joar witzelte: »Aha, verstehe. Du hältst die Stellung am Nachmittag und am frühen Abend, damit du dann für Rome by Night frei hast.« Joar zog es jedenfalls vor, erst mal im Hotel zu bleiben und zu lesen. Er hatte von seiner Mutter zu Weihnachten eine Biographie Leonardo da Vincis bekommen. »Das paßt doch gut zu dieser Umgebung. Übrigens, sind die Zimmer nicht fabelhaft?«
»Aber ja, aber ja«, murmelte Carl und legte auf. Er holte tief Luft, bevor er sich in die Broschüren und Zeitschriften vertiefte.
Es fiel ihm zunächst schwer, Interesse für die Sache aufzubringen. Der Irak war kein ernstzunehmender Staat mehr, und schon aus dem Grund hätte das ganze Projekt scheitern müssen oder, wie es den Anschein hatte, zu einem bedeutend kleineren Geschäft mit normalen schwedischen Menschenleben statt mit Waffen werden müssen.
Carl faltete langsam eine große blaue Drucksache auseinander, in der die neue Küstenkorvette HMS Göteborg beschrieben wurde, »das technisch am weitesten fortgeschrittene Kriegsschiff der Welt für U-Boot-Jagd und Seekrieg«, wie in der Überschrift versichert wurde. Carl versenkte sich eine Weile in die Details des Wasserstrahlantriebs, der die traditionellen Propeller und Ruder ersetzt hatte. Abgesehen von dem geräuschärmeren Antrieb bedeutete das auch einige interessante Neuigkeiten beim Manövrieren.
Das hatte keinerlei Bedeutung, da die italienischen Fregatten mit herkömmlichem Antrieb geplant waren. Dann also zu dem, worum es eigentlich ging, der Bewaffnung.
Aha, unbemannte und vollautomatische 57-mm-Kanonen zur Bekämpfung von Luft- und Seezielen, computergesteuert, damit sie innerhalb von Sekunden auf andere Ziele wechseln können. Zehn Kilometer Reichweite, ja, das übliche bei dieser Art Bewaffnung, im übrigen auch ausreichend, um anfliegende Raketen herunterzubekommen, nichts Besonderes.
In dieser Hinsicht waren die beiden 40-mm-Luftabwehrgeschütze schon etwas besser, da die Munition mit Entfernungsmessern ausgerüstet war, welche die Ladung auch ohne direkten Treffer auslösen konnten. In den Händen einer Besatzung aus der Dritten Welt würde nichts davon funktionieren, noch weniger in den Händen einiger sizilianischer Gangster. Sämtliche Funksignale der Zielsuch- und Feuerleitsysteme mußten in einer funktionierenden Kampfleitzentrale koordiniert werden, die nur von munteren jungen Technokraten aus dem Westen bedient werden konnte. Das erforderte Männer, die mit Computerspielen groß geworden waren.
Die Zielsuchantennen? Da genau das gleiche. Sie fangen fremde Radarsignale auf, melden anfliegende Raketen und legen die Richtung zu ihnen fest, worauf die Computer den Typ des Radars klassifizieren, den Typ der anfliegenden Rakete ermitteln. Der Rest soll automatisch ablaufen.
Carl sah alptraumhafte Bilder vom Persischen Golf vor sich. Gegen gerade solche Systeme hatten die Iraker keine Chance gehabt. Die Technologie des Dritten Weltkriegs gegen die des Ersten. Oder wie die Angriffe der polnischen Lanzenreiter, die sich 1939 den deutschen Panzern entgegenstellten.
Glaubten die denn, daß man nur das Gerät kaufen mußte? Nach so vielen Jahren Kriegserfahrung?
Carl erschien das nicht möglich.
Für die italienischen Fregatten war die gleiche Raketenbewaffnung vorgesehen wie für die schwedischen Küstenkorvetten, also vier Abschußlafetten auf jeder Schiffsseite für Raketentyp Nummer 15 zur Bekämpfung von Seezielen. Da gab es die gleichen technologischen Probleme.
Carl blätterte in den offensichtlich ausgewählten Exemplaren von Marin-Nytt und fand tatsächlich weitere Informationen über den Raketentyp Nummer 15.
Reichweite siebzig Kilometer, ausreichend Sprengkraft, um mit einem einzigen Treffer ein mittelgroßes Kriegsschiff zu versenken, Zielsuchradar. Aha.
Plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit jedoch durch eine Notiz geweckt. Es hieß, man übe jetzt schon im dritten Jahr mit einer bodengestützten Version des Raketentyps 15, der Küstenartillerie der Neuzeit auf beweglichen Abschußrampen.
Das hätte den Irakern vielleicht besser gepaßt? Zugmaschinen und ähnliches ließen sich improvisieren, etwa so, wie sie für ihre Scud-Raketen Scania-Lastwagen eingesetzt hatten.
Carl versuchte, sich an die Topographie im Nordteil des Persischen Golfs zu erinnern. Er stand auf und ging in das rosafarbene Schlafzimmer hinüber, wo er eine Reklamebroschüre der Alitalia mit verschiedenen Weltkarten fand.
Mit Küstenbatterien dieser Art hätten die Iraker unter den kleineren Kriegsschiffen, die in die Nähe gekommen waren, erheblich aufräumen können. Die irakische Küste selbst schien jedoch ungeeignet zu sein, denn sie war nur etwa zehn Kilometer lang und zudem in eine Delta-Landschaft eingeklemmt.
Auch die Vorstellung, es könnte dem Irak gelungen sein, eigene Kriegsschiffe zu bauen und sie mit all diesen Waffen auszurüsten, war völlig undenkbar. Das bedeutete nichts weiter, als eine Milliarde ins Meer zu werfen.
Carls Blick verirrte sich auf dem Kartenblatt und fiel auf Sizilien.
Südlich von Sizilien lag Malta, viel näher an der nordafrikanischen Küste, als er in Erinnerung hatte. Und südlich von Sizilien lag Libyen.
Libyen?
Der Gedanke kam ihm mit überwältigender Kraft. Ihm sträubten sich die Haare an den Unterarmen.
Saddam Husseins Irak war ausgelöscht. Das Gangsterregime in Syrien war immer noch in gewisser Weise ein Verbündeter. Aber auch dort würde es den USA unmöglich sein, den Schwarzen Peter unterzubringen, um die neue Weltordnung aufrechtzuerhalten.
Aber wieder Ghadafi? Warum nicht?
Wenn man in der Verschwörungstheorie Irak und Libyen vertauschte, kam plötzlich Logik ins Spiel.
Die USA waren mit Flugzeugträgern in die Syrte eingedrungen, um Libyens Anspruch auf die neue Siebzig-Kilometer-Grenze zu bestreiten. Unter Hinweis auf die Freiheit der Meere und derlei war es den Amerikanern gelungen, ein paar libysche Maschinen in die Luft zu locken. Natürlich hatten die Amerikaner glänzende Siege erkämpft und waren anschließend nach Hause gedampft, nachdem sie »Ghadafi eine Lektion erteilt hatten«. Die Flugzeugträger konnten jederzeit wieder auftauchen. Ghadafi mußte zumindest darauf eingestellt sein.
Carl betrachtete erneut die Skizze mit den Raketenlafetten. Wenn man auf die komplizierte Einsatzzentrale verzichtete, wenn man statt dessen die Abschußlafetten an Land in festen Positionen eingrub? Und wenn dann ein Flugzeugträger in Reichweite der Raketen geriet? Und: Die USA hatten keinerlei Kenntnis davon, daß diese Scheiß-Araber schwedische Waffen dieses Typs besaßen. Der Flugzeugträger würde mit hoher Wahrscheinlichkeit versenkt werden. Sechstausend Mann, rund hundert Kampfflugzeuge, Kernreaktor und alles übrige. Das wäre so etwas wie die Schlacht am Little Big Horn, der einzige große Sieg der Indianer.
Nach der Vernichtungsorgie am Persischen Golf waren die Ölpreise in die Höhe...
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