Tobias Kollmann
Business Angels - ein Steckbrief für Start-ups
Zur Charakteristik von Privatinvestoren als Kapitalgeber für junge Unternehmen
Um zu verstehen, was einen Business Angel ausmacht, gibt es verschiedene Herangehensweisen. Zum einen kann man sich mit der Person befassen, die hinter diesem Begriff steht. Wer ist er oder sie? Was macht ihn oder sie aus? Zum anderen kann man aber auch die zugehörige Tätigkeit eines Business Angels in den Mittelpunkt stellen und sich fragen, warum und wie hilft diese Person einem jungen Unternehmen, die ersten Schritte zu gehen? Vielleicht verschwimmen aber auch die Grenzen zwischen diesen Herangehensweisen, wenn man einfach beschreibt, was sie sind und was sie tun. Starten wir also mit den Grundlagen und den wichtigsten Merkmalen dieser besonderen Gattung von Kapitalgebern.
Unter einem Business Angel versteht man einen Privatinvestor, der sich durch drei Wesenszüge charakterisieren lässt:
- Humankapital: Viele Business Angels waren oder sind selbst erfolgreiche Unternehmer oder Führungskräfte und bringen daher diese umfangreichen Erfahrungen und Branchenkenntnisse als Humankapital mit. Sie bieten Start-ups in diesem Bereich strategische Beratung, Mentoring und Unterstützung in operativen Fragen.
- Sozialkapital: Durch ihre oft umfangreichen geschäftlichen und persönlichen Netzwerke können Business Angels den Start-ups einen wertvollen Zugang zu potenziellen Kunden, Geschäftspartnern und weiteren Investoren als Sozialkapital verschaffen. Diese Verbindungen können entscheidend für das Wachstum und den Erfolg eines jungen Unternehmens sein.
- Finanzkapital: Letztlich verfügen Business Angels über ausreichend finanzielle Mittel, um Start-ups mit Kapital zu unterstützen. Sie investieren typischerweise in sehr frühen Unternehmensphasen, in denen andere Finanzierungsquellen - wie Banken oder Risikokapitalgeber - oft noch nicht zur Verfügung stehen. Sie sind sich dabei des hohen Ausfallrisikos bewusst und investieren nur finanzielle Mittel, deren Ausfall sie verkraften können. Ihre Investitionen liegen dabei i.d.R. zwischen 25.000 und 500.000 EUR.
Das Human-, Sozial- und Finanzkapital wird dem jungen Unternehmen aktiv zur Verfügung gestellt. Durch das Bild des "Engels" wird angedeutet, dass der Mehrwert für ein Unternehmen durch eine Business Angel Finanzierung von eben diesen Flügeln getragen wird, wobei der eine Flügel durch das Human- und Sozialkapital, der andere Flügel durch das Finanzkapital beschrieben werden kann. Beide Flügel sollten/müssen schlagen, um dem Start-up den bestmöglichen Rückenwind für den eigenen geschäftlichen Erfolg zu geben. Genau darin liegt die Bedeutung von Business Angels. Wegen der Verbindung dieser beiden Elemente spricht man auch von "Smart Money" oder "intelligentem Kapital". Doch Achtung: Auch ein Business Angel hat nichts zu verschenken! Er ist also nicht selbstlos und unterscheidet sich so von manch anderen Interpretationen eines Engels.
Das Kapital eines Business Angels nennt man auch "informelles Beteiligungskapital" im Unterschied zum "formellen Beteiligungskapital", das durch Beteiligungsgesellschaften, insbesondere Venture Capital-Fonds, meist in späteren Phasen der Unternehmensgründung und mit den schon angesprochenen höheren Beteiligungsbeträgen bereitgestellt wird.
Business Angels investieren in junge Unternehmen (Kapital gegen Anteile) mit dem Ziel, in einigen Jahren den sogenannten Exit zu schaffen, d.h., die Beteiligung (Anteile) oder das ganze Unternehmen gewinnbringend zu veräußern. Der Exit kann auf verschiedene Weise gestaltet werden: Da der Börsengang nur in den seltensten Fällen in Betracht kommt, ist in der Regel ein Trade Sale an einen strategischen Investor wahrscheinlicher. Auch der Verkauf an einen anderen Finanzinvestor (Secondary Purchase), meist im Zuge einer weiteren Finanzierungsrunde, ist ein möglicher Weg. Selten kommt es zu einem Rückkauf der Anteile durch das Unternehmerteam. Business Angels sind vor diesem Hintergrund zwar wichtige Mentoren und Unterstützer, die mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung und ihrem Netzwerk entscheidend zum Erfolg von Start-ups beitragen können. Aber sie sind eben auch Kapitalgeber und erwarten bzw. erhoffen sich in dieser Rolle als Investoren auch ein positives finanzielles Ergebnis aus ihrem Engagement im Rahmen eines Exits. Damit unterscheiden sie sich auch von den Mäzenen, für die ein finanzieller Rückfluss aus einer Unterstützungsleistung nicht so relevant ist.
Business Angels investieren ihr Geld als Eigenkapital in nicht börsennotierte Unternehmen, wobei es jedoch im Vergleich zu anderen Finanzierungsquellen - wie zum Beispiel Venture Capital - durchschnittlich um niedrigere Summen geht. Man geht hier in der Regel von einem Investmentbetrag von 25.000 EUR bis 100.000 EUR (manchmal wird die Spanne auch mit 50.000 EUR bis 500.000 EUR angegeben) pro Business Angel aus.
Innerhalb dieser Bandbreite, aber auch für höhere Summen, kann man häufiger beobachten, dass sich mehrere Business Angels über eine Syndizierung zusammenschließen, um gemeinsam zu investieren. Die resultierende Summe reicht in der Regel (hoffentlich) aus, um das junge Unternehmen für eine erste institutionelle Venture Capital-Runde vorzubereiten. Selten jedoch reicht das so gewonnene Kapital aus, um das Unternehmen bis zum Break-even gänzlich zu finanzieren.
Wie schon beschrieben ist das Finanzkapital nur ein Aspekt beim Engagement eines Business Angels. Darüber hinaus steht der Business Angel der Unternehmensführung mit Rat und Tat zur Seite. Diese Form der intensiven Betreuung wird auch als "Hands-on"-Betreuung bezeichnet, da der Privatinvestor vor allem einen Mehrwert durch seine Rolle als Mentor erbringt. Dieser Mehrwert ist abhängig vom eigenen Erfahrungsschatz der Gründer im unterstützten Start-up. Optimal funktioniert das als Hol- und Bringschuld. Zum einen sollte ein Business Angel seine Unterstützung aktiv einbringen, ohne diese jedoch aufzuzwingen. Zum anderen sollte das Start-up die Unterstützung seines Business Angels - jenseits des zur Verfügung gestellten Kapitals - dort aktiv einholen, wo es zweckmäßig erscheint. Es ist am Ende des Tages ein Miteinander, welches von zwei Faktoren bestimmt wird.
- Kompetenz-Fit: Der Business Angel kann/sollte/muss bestimmte Kompetenzen haben, die sowohl komplementär als auch substitutiv zu denen der Gründer im Start-up sein können. Bei komplementären Kompetenzen kann der Business Angel dem Gründungsteam in operativen Bereichen helfen, wo es selbst Lücken aufweist. Bei substitutiven Kompetenzen kann der Business Angel eher Sparringspartner für die operativen Handlungen der Gründer sein, um Fehler zu vermeiden. So oder so muss im Vorfeld festgelegt werden, wo und wie die "Hands-on"-Betreuung stattfinden soll.
- Personal-Fit: Der Business Angel und das Start-up-Management müssen für eine wirkungsvolle "Hands-on"-Betreuung aber auch persönlich zueinanderpassen, um den Austausch auf der kommunikativen Ebene und das optimale Zusammenspiel der verschiedenen oder gleichen Kompetenzen bestmöglich zu gestalten. Weder eine Bevormundung der Gründer durch den Business Angel, zum Beispiel aufgrund der eigenen beruflichen Erfahrung, noch eine Zurückweisung des Kapitalgebers durch die Gründer, zum Beispiel aufgrund der eigenen Vorstellungen, sind dabei hilfreich. Es ist ein Miteinander, welches insbesondere auch durch die unterschiedlichen Charaktere auf Kapitalgeber- und -nehmerseite bestimmt wird.
Unabhängig davon, wie sich die konkrete Zusammenarbeit gestaltet und wie stark der Business Angel in den operativen Ablauf involviert sein will bzw. dieses vom Start-up gewünscht wird, wird es zu einem regelmäßigen Kontakt im Rahmen der Investor Relations zwischen beiden Seiten kommen. Die wesentliche Triebfeder dafür ist der Informationswunsch des Business Angels, wie sich sein Investment im Speziellen und das Gründerteam bzw. das Unternehmen/Produkt im Allgemeinen entwickelt. Es gibt daher gerade am Anfang einen häufigen und offenen Kommunikationsbedarf - im Idealfall von beiden Seiten aus. Dabei kann man zwischen einer formellen und informellen Kommunikation unterscheiden.
Bei der informellen Kommunikation kommt es zu bedarfsorientierten Telefonaten, spontanen Meetings, Ad-hoc-Updates und kurzen Nachrichten per E-Mail oder SMS.
Bei der formellen Kommunikation kommt es zur festgelegten Übersendung von Geschäfts- oder Finanzberichten, zu Gesellschafterversammlungen und/oder regelmäßigen Präsentationen der aktuellen Key Performance Indicators (KPIs).
Gemeinsames Ziel der Investor Relations sollte es sein, dass das Start-up den Business Angel über die Fortschritte und Herausforderungen des Unternehmens informiert, auch um zu schauen, wo man dessen Hilfe benötigen könnte.
Sowohl der Business Angel als auch die Gründer wünschen sich vor diesem Hintergrund einen engen Austausch. Dieser sollte gerade am Anfang eng und intensiv sein, um die Entwicklung des Start-ups möglichst positiv zu gestalten. Dieses gemeinsame Ziel haben beide Seiten, und das spiegelt sich auch in der gemeinsamen Motivation für eine Zusammenarbeit wider.
Im Hinblick auf den Steckbrief zu einem Business Angel müssen die Start-ups verstehen, dass die Motivation für die Aktivitäten eines Business Angels eben nicht nur im monetären, sondern auch im nicht monetären Bereich liegt. Die Triebfeder des Handelns eines Business Angels im nicht monetären Bereich ist das Interesse an einem innovativen Produkt oder einer neuartigen Dienstleistung....