Schweitzer Fachinformationen
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»Ich sterbe vor Hunger. Das riecht total gut - Parmesan, Knoblauch, Oregano?« Clara ließ sich mit einem Seufzer auf einen Stuhl am gedeckten Tisch fallen. Seine Tochter tauchte in letzter Zeit häufiger ohne Ankündigung an den Wochenenden auf, meistens mit einem Loch im Bauch. Magnus freute sich insgeheim über die Besuche, auch wenn er nicht sicher war, ob sie ihm galten oder Eliza oder einfach nur ihren ausgezeichneten Kochkünsten. »Mama hat vergessen einzukaufen«, sagte sie und griff nach einer Käsestange. »Sie ist auf einer Fortbildung.«
»Und du selbst weißt nicht, wie das geht«, spottete Magnus, während er vorsichtig mit der Suppenkelle die heiße Minestrone auf drei Teller verteilte. »Geld einstecken, zum Supermarkt gehen, Einkaufswagen nehmen - Glück für dich, dass wir heute so früh zu Mittag essen.«
»Sehr witzig, Papa. Seit Montag bin ich voll im Stress mit dem Job im Studio. Ich war keinen Abend vor 9 Uhr zu Hause. Gleich muss ich auch hin.«
»Samstags? Ein Job? Was habe ich verpasst?«
Eliza und Clara tauschten einen kurzen Blick und begannen dann ihre Suppe zu löffeln. Schweigen senkte sich über den Esstisch. Magnus ließ den Löffel sinken und versuchte vergeblich, behindert durch zwei Vorhänge aus langen Haaren, einen Blick seiner beiden Lieblingsfrauen aufzufangen.
»Hallo? Ich bin es. Sprecht mit mir.«
»Clara macht ein Praktikum bei einem Fernsehsender.« Eliza schaute so konzentriert in die Minestrone, als ob sie die Bohnen darin zählen wollte. »Benno hat ihr geholfen, den Platz zu bekommen.«
»Das ist gar nicht so einfach, bei einem Sender unterzukommen. Nur mit Vitamin B wie Benno.« Clara lächelte Eliza an. »Danke für die gute Idee.«
»Mille Grazie.« Eliza vermied es, Magnus anzusehen. »Bei welchem Sender hat es denn geklappt?«
»Halt, Stopp, Pause.« Magnus ließ den Löffel mit einem klirrenden Geräusch auf den Teller fallen. Ein Spritzer Minestrone landete auf seinem Lieblingshemd. »Wiederholt das für mich, zum Mitschreiben. Meine Tochter macht wieder ein unbezahltes Praktikum, diesmal beim Fernsehen. Hauptsache irgendwas mit Medien. Keiner hält es für nötig, mich darüber zu informieren: Meine Tochter nicht, du nicht«, er fixierte Eliza mit einem finsteren Blick, »mein bester Kumpel Benno nicht, und meiner Exfrau ist das scheinbar auch egal.«
»Es spricht keiner mit dir, weil du immer die totale Welle machst«, murrte Clara. »Komm mal runter und mach Yoga oder so.« Sie schob ihren Teller weg. »Das Praktikum ist bezahlt. 500 Euro im Monat.«
»Clara hat recht«, sagte Eliza. »Du regst dich jedes Mal auf, wenn sie etwas Neues beginnt.«
»Kein Wunder«, knurrte Magnus. Er machte sich Sorgen um die Zukunft seiner Tochter. Nach dem Abitur vor drei Jahren hatte sie eine Ausbildung zur Mediengestalterin begonnen und nach einem Jahr abgebrochen, weil die ganze Technik »nicht ihr Ding« sei. Mit seiner und der finanziellen Unterstützung seiner Exfrau Carolin war Clara danach als Au-Pair-Mädchen ein Jahr nach London gegangen. Seit dem Herbst jobbte sie ziellos in der Gegend herum - oder zumindest konnte Magnus darin kein Ziel erkennen. Allerdings fand er es alarmierend, dass seine Frauen sich nicht mehr mit ihm besprachen. Vielleicht müsste er wirklich etwas lockerer werden. Oder strenger?
»Wie heißt die Sendung, bei der du mitarbeitest?« Eliza nahm den Faden wieder auf, als ob nichts gewesen wäre. Diese Strategie bewährte sich häufiger bei den Reibereien von Vater und Tochter. Magnus bewunderte widerwillig, wenn auch gekränkt, ihr Taktgefühl.
Clara strahlte. »>The Sexiest Song Alive<. Das ist eine Castingshow beim Sender STV. Die Show ist neu, letzten September ist die erste Staffel gestartet. Am Freitag wird das Finale ausgestrahlt - live!«
»Ich glaube, vor zwei Wochen haben wir kurz reingezappt.« Eliza öffnete den Kühlschrank, holte eine Flasche Weißwein aus dem Seitenfach und prüfte die Temperatur. »Kalt genug. Selbst komponierte Songs, richtig? Aber dein Vater wollte nicht weitergucken.«
»Im Ernst, Clara, ein Praktikum? Was willst du damit anfangen?«
»Papa, es reicht! Der Sender hat mir im Anschluss ein Volontariat in Aussicht gestellt, wenn alles gut läuft. Deswegen mache ich das überhaupt.«
»Jetzt lass sie doch mal in Ruhe, sie weiß schon, was sie tut.« Eliza schenkte sich und Magnus ein Glas Wein ein. »Erzähl mal, welche Aufgaben du hast.«
»Ich darf Backstage mithelfen, das macht voll Spaß. Ihr kennt sogar einen der Kandidaten. Ratet mal.«
»Keine Ahnung«, brummte Magnus. »Ich kenne noch nicht mal den Namen der Show. Sitzt Dieter Bohlen da in der Jury?«
»Quatsch Papa, das ist bei DSDS. Und bei Supertalent, natürlich. In >The sexiest Song alive< geht es darum, wer den besten Song schreiben kann. Voll seriös.«
»Erinnerst du dich wirklich nicht?«, fragte Eliza. »Du hast neben mir auf dem Sofa gesessen. Ich fand die Sendung besser als die ganzen Castingshows, bei denen es nur um Singen oder gutes Aussehen geht.«
»Papa, jetzt rate endlich, welchen der Kandidaten du kennen könntest!«
»Ich kenne keine talentfreien Teenager.«
»Eben. Denk nach. Übrigens ist die Show nicht nur für Kinder. Die Altersgrenze für eine Bewerbung liegt bei 40 Jahren.«
»Vielen Dank auch. Dann bin ich nur fünf Jahre über dem Limit.« Magnus wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Die Suppe war scharf. Eliza und Clara grinsten sich an.
»Also gut«, gab er nach. »Wen kenne ich, der das Zeug zum Songwriter hat? Mich natürlich. Zu alt. Nick? Aus meiner Band? Der ist aber schon 37, glaube ich.«
»Kalt. Ganz kalt. Viel jünger. Denk an deine Gitarrenschüler.« Clara erhob sich, ging zum Backofen und spähte hinein. »Hm. Sind das überbackene Tortellini? Die sind fertig, glaube ich.«
»Tobias, Martin, Laura, Vincent, Milan . Milan? Der hat echtes Talent. Im Ernst? Was will der bei einer Castingshow? Der sollte sich zu schade sein für diesen Zirkus.«
»Oh Mann, du bist voll retro! Auch wenn es das in deiner Jugend noch nicht gab - ein Casting macht dich berühmt!«
»Selbst, wenn man nicht gewinnt - man hat vielleicht die Chance, sich einem größeren Publikum vorzustellen«, stimmte Eliza ihr zu und räumte die Suppenteller ab. »Und man kann Kontakte knüpfen. Das freut mich für Milan. Wart ihr nicht zusammen auf der Schule?«
Clara nickte. »In derselben Stufe, aber andere Clique. Er hatte nur Leute um sich, die Musik gemacht haben.«
»Hey, hat jemand was dagegen, wenn ich mal kurz rausgehe? Ich gehe ein vor Hitze.« Magnus stand auf.
»Du willst bloß rauchen«, lästerte Clara. »Lass dich nicht aufhalten.«
Magnus trat durch die Terrassentür hinaus in den erstaunlich warmen Maitag und blinzelte in die Sonne. Die Stimmen seiner Lieblingsfrauen verschwammen zu einem hellen Hintergrundgemurmel. Auf der Fensterbank lag eine vorgedrehte Zigarette. Nach zwei Zügen entspannte Magnus sich etwas und beobachtete ein Amselpaar in der Hecke beim Füttern ihrer Brut. Eliza und er verscheuchten regelmäßig zwei neugierige Katzen, die dem Nest zu nahe kamen. Es war nirgendwo einfach, den Nachwuchs großzuziehen. Vermutlich sollte er seiner Tochter mehr Vertrauen entgegenbringen. Seine Erwartungen konnten nach ihrem tollen Abitur vielleicht nur enttäuscht werden. Alles, wofür sie sich früher interessiert hatte, spielte bei der Berufswahl plötzlich keine Rolle mehr. Eliza klopfte von innen gegen die Scheibe der Terrassentür und wedelte mit der Hand. Das Essen war fertig.
»Du könntest dich heute noch nützlich machen, Papa!« Die gereizte Stimmung von vorhin war einer wohligen Trägheit gewichen.
»Gib mir fünf Minuten«, sagte Magnus und strich sich über den Bauch. »Ich brauche dringend einen Espresso. Und ein frisches Hemd.«
»Fährst du mich zum Studio? Das ist in Ossendorf, im Coloneum. Sascha wollte mich mitnehmen, aber sein Auto muss in die Werkstatt.«
»Wer ist Sascha?« Magnus war mit einem Schlag wachsam.
»Den kennst du nicht. Einer der Kandidaten. Heißt das ja?«
Magnus warf über die Schulter einen Blick auf die Küchenuhr. Sein erster Gitarrenschüler kam um vier Uhr. »Ich fahre dich.«
Das Gewerbegebiet am Rand des Stadtteils Ossendorf lag im Kölner Nordwesten, nicht gerade Magnus' Heimatrevier. Die Straßen sahen frisch asphaltiert aus, nirgends gab es die typischen Kölner Schlaglöcher oder Flickstellen. Rechts lag eine Tankstelle, links ein Baumarkt, um die Ecke ein großes Möbelhaus. Früher kannten viele Kölner Ossendorf nur deshalb, weil hinter stacheldrahtbewehrten Mauern die Justizvollzugsanstalt lag. Seit in Köln jeder Quadratzentimeter mit Eigentumswohnungen und Reihenhäusern bebaut wurde, galt Ossendorf als attraktiv für junge Familien, obwohl es kein klassisches »Veedel« war, mit Einkaufsstraßen und schönen Cafés oder Geschäften. Aber die Innenstadt war gut mit der Linie Fünf erreichbar. Eine Investorengruppe hatte vor einigen Jahren das ehemalige Gelände des Zivilflughafens, den sogenannten Butzweilerhof, als Sitz für Medienunternehmen erschlossen und das Ganze werbewirksam »Coloneum« getauft.
»Bist du noch sauer? Wir hätten es dir sagen sollen.« Clara tupfte sich mit dem Finger etwas Make-up auf die Nase und betrachtete das Ergebnis kritisch im Spiegel auf der Sonnenblende der Beifahrerseite.
»Schon gut. Ich bin ja selbst schuld, wenn ich mir zu viele Sorgen...
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