Schweitzer Fachinformationen
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»Was willst du heute Abend essen?« Eliza verstaute den Wocheneinkauf in die Küchenschränke, schnupperte an einem Stück eingepacktem Käse und räumte Milch in den Kühlschrank. Eine große Packung Cantuccini, Magnus' Lieblingsgebäck mit Mandeln, ließ sie gleich neben der Kaffeemaschine liegen.
»Keine Ahnung.« Magnus las eine gerade eingehende Nachricht auf seinem Handy. Benno wollte später auf einen Kaffee vorbeischauen und etwas mit ihm besprechen, was genau, hatte er nicht verraten.
»Spaghetti? Ich habe auch noch die Hähnchenbrust von gestern, damit könnte ich uns etwas zaubern, mit Tomaten überbacken .«
»Das klingt doch alles gut«, sagte Magnus zerstreut. »Es ist nicht mal Mittag, ich weiß jetzt noch nicht, worauf ich heute Abend Appetit habe, ehrlich.«
»Immer überlässt du mir die Entscheidung, was ich kochen soll, das finde ich nicht richtig.« Sie warf die Schranktür zu. Magnus, trainiert auf Elizas Alarmsignale, zuckte zusammen. Für gewöhnlich zettelte sie keinen Streit wegen eines Abendessens an.
»Was ist los?« Er legte sein Handy auf den Tisch, trat hinter Eliza und hielt sanft ihre Schultern fest. »Es geht nicht ums Kochen, oder?«
»Doch«, sagte sie. Es klang wie sechs Jahre alt und keine Lust zur Schule zu gehen wegen Bauchschmerzen.
»Okay, ich rate, wenn du es mir nicht sagen willst.« Er löste seinen Griff, drehte sie zu sich und hielt sie mit ausgestreckten Armen vor sich. »Deine Mutter hat angerufen, wann endlich die Einladung kommt.«
In ihren Augen glitzerte es verdächtig. »Was sollen wir bloß machen? Erst haben wir wegen Corona alles abgesagt, und jetzt weiß ich einfach nicht, was ich ihr sagen soll.«
»Hey, das ist unsere Hochzeit, kein Weltuntergang«, sagte Magnus, zuversichtlicher, als er sich fühlte. »Was meint denn Antonia? Ihr habt doch bestimmt heute telefoniert.«
Elizas jüngere Schwester war nicht gerade die Stimme der Vernunft, aber wenn es Eliza schlecht ging, war ihr positiver Einfluss nicht zu unterschätzen.
»Sie sagt, ich soll mich entspannen und das Fest verschieben. Die Familie würde das verstehen. Die hat gut reden. Sie hat den ganzen Mist schon hinter sich. Entschuldige, natürlich ist unsere Hochzeit kein Mist.« Eliza küsste ihn auf die Nasenspitze und befreite sich aus seinem Griff.
»Und wenn wir das machen, was Antonia vorschlägt?« Magnus wandte sich dem Verschluss der Cantuccini-Verpackung zu.
»Und wann sollen wir feiern? In einem Jahr? In zwei Jahren? Wir wollten im Juli heiraten.«
Warum nicht im nächsten Jahr, dachte Magnus, aber er hütete sich, das laut auszusprechen. Eliza hielt ihn ohnehin für einen Heiratsmuffel. »Was hältst du davon: Wir ziehen es durch, aber eine Runde kleiner. Mit den Trauzeugen und unseren Familien könnten wir nach dem Standesamt etwas essen gehen. Zur anschließenden Party laden wir weniger Gäste ein.«
»Weniger? Sie werden mich steinigen.« Eliza reichte ihm die Schere.
»Das ist Blödsinn, das weißt du genau.« Sicher war er sich da nicht. Mit Elizas italienischer Familie war nicht zu spaßen, wenn es um Hochzeiten, Todesfälle, Geburten und Taufen ging. Oder sonstige für ihn undurchschaubare familiäre Verpflichtungen. Wenn niemand aus ihrer weitläufigen Verwandtschaft zuhörte, hieß ihre Familie bei ihnen nur »der Clan«.
Eliza zupfte welke Blätter von einem Büschel Petersilie auf der Küchenfensterbank und schwieg. Magnus bereitete Cappuccino für sie beide vor, platzierte das Gebäck auf einen Teller und wartete. Er ahnte, dass noch etwas im Busch war.
»Eine Kundin hat eben den Auftrag für eine Familienfeier abgesagt.« Eliza hob resigniert die Schultern. »Ich könnte natürlich Stornokosten berechnen . aber das will ich nicht. 500 Euro weniger Einnahmen. Die drei Stunden Vorbereitungszeit bezahlt mir auch niemand.«
Neben der verschobenen Hochzeit waren Elizas Finanzen der zweite wunde Punkt in der momentanen Situation. Sie hatte vor dem Corona-Lockdown im März gut als Fotografin verdient. Von einem Tag auf den anderen blieben die Aufträge aus, weil alle Großveranstaltungen wie Messen, Konzerte und Theateraufführungen abgesagt worden waren, Elizas Haupteinnahmequelle. Zum Glück war ihre gemeinsame Miete günstig. Eliza hatte die staatliche Unterstützung erst spät beantragt und einige Wochen auf das Geld warten müssen, um festzustellen, dass die zugedachten Gelder nur für die Betriebskosten verwendet werden durften. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte als Paar war Magnus derjenige, der regelmäßig und gut verdiente und sogar Rücklagen auf dem Konto hatte. Benno, sein bester Kumpel seit der Schulzeit und inzwischen sein Arbeitgeber, hatte ihn in den letzten zwei Jahren mit Aufträgen aus seiner florierenden Wirtschaftsdetektei versorgt. Daher lief es für ihn während des Lockdowns gut, denn wenn er auf seine Einnahmen aus dem Gitarrenunterricht, den Auftritten mit der Band oder der Arbeit als DJ angewiesen wäre, ginge es ihm jetzt wie Eliza - er wäre während der ersten Coronawelle gnadenlos in die Pleite gerutscht.
»Ich weiß, dass du das nicht hören willst«, sagte er, »aber wir kommen über die Runden. Im Oktober sieht die Auftragslage besser aus, das hast du gestern selbst gesagt.«
Sie nickte, aber die Besorgnis wich nicht aus ihrem Gesicht. Was Eliza nicht wusste: Er zahlte seit über einem Jahr heimlich auf ein Konto ein, das er extra für die Hochzeit eingerichtet hatte - auf Anraten von Benno. »Du ersparst dir die nächtlichen Alpträume bei den Gedanken an euer Hochzeitsbudget. Plan mal locker 10.000 Euro ein«, hatte Benno gesagt und ihm den nächsten großen Auftrag zugeschoben. Magnus hatte im letzten Jahr jeden Job angenommen, den Bennos Detektei für ihn abwarf. Er hatte zähneknirschend Arbeitnehmer überwacht, die angeblich Homeoffice machten, aber stattdessen am See lagen. Er hatte einen Fall von Industriespionage aufgeklärt, diverse Unterhaltsschuldner gesucht und gefunden, einen vermissten Jugendlichen aufgespürt und einen verschwundenen preisgekrönten Pudel seinen dankbaren Besitzern zurückgebracht.
»Benno kommt später auf einen Kaffee vorbei«, sagte Magnus, während er Tassen und Gebäck vorsichtig zur Terrassentür trug. »Bist du zu Hause?«
Eliza folgte ihm mit Milch und zwei Gläsern Wasser. »Der Sommer ist fast vorbei, oder?« Sie warf einen Blick in den Himmel, der sich nicht zwischen Hellgrau und Schwachblau entscheiden konnte. »Nur 22 Grad, sagt das Thermometer. Nein, ich wollte mich mit Maike auf einen Kaffee treffen. Das habe ich dir letzte Woche schon gesagt.« Magnus' ratloses Gesicht brachte sie zum Lachen. »Du hast mir nicht zugehört.«
»Wieso habe ich sie noch nie getroffen?« Er hatte keinen Schimmer, von wem die Rede war.
»Weil Maike kurz nach dem Abitur nach Australien gezogen ist und dort lebt«, grinste sie. »Erinnerst du dich jetzt? Wie behältst du bloß die ganzen Informationen deiner Klienten?«
»Ah - jetzt hab ich es!« Magnus' Gesicht hellte sich auf. »Verheiratet, zwei erwachsene Kinder, aus Rösrath oder so. Während der Schulzeit wart ihr unzertrennlich, aber dann ist sie ausgewandert. Du hast sie das letzte Mal vor fünf Jahren gesehen, aber an diesem Wochenende war ich nicht in Köln.«
»Sehr gut, setzen. Ihr seid mit der Band aufgetreten. Sonst würdest du Maike kennen.«
»Habe ich etwas verpasst?«
»Optisch? - Definitiv. Ich weiß nicht, ob ich sie dir überhaupt vorstellen soll.« Eliza drohte ihm mit dem Zeigefinger. Magnus wusste, dass sie es nur halb spaßig meinte, ihre Eifersucht war legendär.
»Hey, wir sind verlobt! Du bist die Schönste für mich.«
Leider hatte er sie mit diesem Satz wieder an die geplante Hochzeit erinnert und ihr Gesicht verdüsterte sich. Er schwor sich, dass er das Thema noch in dieser Woche aus der Welt schaffen würde, egal wie. Diese Hängepartie tat ihnen beiden nicht gut.
Magnus bewegte sich den ganzen freien Nachmittag nur von der Terrasse weg, um sich einen weiteren Kaffee zu machen. Das Wetter blieb freundlich. Er testete auf der akustischen Gitarre Akkordvarianten für eine Ballade und versuchte sich an einem Text, der nicht zu kitschig klingen sollte. Das Stück wollte er auf ihrer Hochzeit als Überraschung für Eliza spielen. Nur dass die Hochzeit verschoben war. Er nahm es leichter als Eliza, aber er fühlte sich gegenüber seiner Verwandtschaft auch nicht so verpflichtet wie sie. Seine eigene Familie war überschaubar, seine Mutter, seine Tochter Clara, sein Bruder mit den zwei Mädchen . Junge Frauen, korrigierte er sich, sie waren auch schon Anfang 20, etwas jünger als Clara.
Wenn es nach ihm, Magnus, ginge, müssten sie nicht heiraten. Ihm war klar, dass Eliza und er zusammengehörten, und Ende. Aber für sie war es wichtig. Er neckte sie immer mit ihren italienischen Wurzeln, die eigentlich eine katholische Trauung in Weiß erforderten. Den Teil hatte Eliza zum Glück abwenden können, aber eine Hochzeit musste her. Wegen Corona war es ein Hindernisrennen, ein Fest auszurichten. »Wegen Corona« dürften die zwei Wörter des Jahres 2020 sein. Wegen Corona durfte man keinen Besuch im Krankenhaus oder Altenheim bekommen, wegen Corona waren die Leute im Homeoffice, trugen Masken im Supermarkt und in Restaurants, arbeiteten in Kurzarbeit, bekamen Online-Unterricht, beschäftigten sich wöchentlich mit Infektionszahlen, planten Urlaubsreisen nur an überfüllte Ostseestrände oder verschoben sie aufs nächste Jahr. Wegen Corona legten keine...
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