Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Magnus zwängte die verklebten Lider auf und schloss sie sofort wieder. Zu hell. Er drehte sich auf den Bauch und merkte, dass er pinkeln musste. Der Drang ließ selten von alleine nach. Eigentlich nie. Mühsam richtete er sich auf. Ein sengender Schmerz schoss ihm hinter die Augen. Kurz bevor er sich gestern Abend verabschieden wollte, hatte Nick für alle ein Gesöff namens »Kettenfett« geordert, Wodka mit irgendetwas, das nach Lakritz schmeckte. An mehr konnte er sich nicht erinnern, auch nicht daran, wie er nach Hause gekommen war. Mit dem Taxi? Aus dem Erdgeschoss schepperte das Geräusch von Tellern und Tassen, mit denen Eliza den Tisch für das Frühstück deckte, bis hoch ins Schlafzimmer. Es roch nach gebratenen Eiern und Kaffee. Ihm wurde übel, und er hatte es plötzlich eilig, ins Badezimmer zu kommen.
»Alles in Ordnung, Süßer?« Eliza klopfte an die Badezimmertür.
»Fang schon mal ohne mich an.« Magnus' Stimme war nur noch ein schwaches Krächzen.
»Benno hat wegen des Termins gleich angerufen.«
Verdammt, der neue Auftrag. »Wie spät ist es denn?«
»Viertel vor elf.«
Magnus fluchte und beeilte sich, unter die Dusche zu kommen. Unmöglich, noch pünktlich in Bennos Büro in der Südstadt zu erscheinen. Er musste halbwegs anständig aussehen, wenn ein neuer Klient im Spiel war. Er warf beim Rasieren einen kritischen Blick in den Spiegel und beneidete Frauen nicht zum ersten Mal darum, dass sie Make-up benutzen konnten. Sein Fahrrad stand vermutlich noch vor dem »Alibi«. Er würde mit dem Volvo fahren, falls noch etwas im Tank war.
Eliza rief von unten: »Ich habe Benno gesagt, dass du deiner Mutter dringend etwas aus der Apotheke vorbeibringen musst und daher etwa eine Stunde später kommst! War das richtig?«
Statt einer Antwort tapste er nackt die Treppe herunter, nahm Eliza in den Arm und küsste sie lange auf den Mund.
»Du hast eine Fahne, die nach Lakritz schmeckt«, murmelte sie. »Wann kommst du wieder? Ich habe eine Idee für eine schöne Beschäftigung am Nachmittag.«
»Nimm deine Hand da weg, sonst passe ich gleich nicht in meine Hose«, stöhnte Magnus.
»Na gut, Herr Meister, ich komme später darauf zurück. Kaffee?«
Magnus parkte den Volvo wenig später im Innenhof eines Altbaublocks aus der Gründerzeit. Im ersten Stock befanden sich die Büroräume von Bennos Wirtschaftsdetektei. Antiquitäten aus edlen Hölzern, Parkettboden, gemietete Grünpflanzen, ausgeliehene Kunst. Den Klienten gefiel es oder war es egal, jedenfalls kamen sie wieder und empfahlen die Detektei weiter. Benno konnte sich vor Aufträgen kaum retten, seit er ein DAX-Unternehmen als Kunden an Land gezogen hatte. Vor fünf Jahren, direkt nach Magnus' Trennung von Carolin, hatte Benno ihm einen Job angeboten, ohne es wie ein Almosen aussehen zu lassen. Magnus war damals pleite, seelisch angekratzt und im Zweifel, ob er seine musikalische Karriere weiterverfolgen sollte. Magnus stellte sich als Idealbesetzung für den Job heraus. Selbst anspruchsvolle Kunden lobten gegenüber Benno sein Talent, auf einfühlsame Art den Finger in die Wunde zu legen.
An den Wochentagen saß Nadja für die Detektei am Empfang, eine professionell freundliche Schönheit, die Magnus wie lästiges Ungeziefer behandelte, das man am besten ignoriert. Er konnte auf ihren Anblick heute gut verzichten.
Benno öffnete ihm. »Geht es deiner Mutter wieder besser?« Was hatte Eliza ihm erzählt? Magnus murmelte etwas Unverbindliches. Er ging direkt durch in Bennos verqualmtes Büro und wedelte sich ein Luftloch frei.
»Wie halten deine Klienten den Gestank aus?«
»Mitrauchen.« Die Frau, die diese Feststellung mit nüchterner Stimme traf, saß auf einem schwarzen Ledersofa, halb verborgen hinter einer ausladenden Birkenfeige. Magnus sah deshalb zunächst nur schlanke, übereinandergeschlagene Beine in schwarzen Stiefeletten. Am oberen Rand des linken Schuhs ragte ein Streifen Verband heraus. Eine schmale, gepflegte Hand hielt eine Filterzigarette. Der Bildausschnitt war ein schönes Versprechen, das sich erfüllte, als sie aufstand, um ihn zu begrüßen. Ihre neue Klientin war zierlich, was der schmale Jeansrock mit dem kurzen Blazer unterstrich. Benno hatte nicht übertrieben, sie sah mit ihren hochgesteckten schwarzen Locken und dem hellen Teint gut aus, wenn man den Schneewittchen-Typ mochte. Magnus mochte ihn.
»Darf ich vorstellen«, sagte Benno, »Carola Wolf. Bitte setzen Sie sich doch wieder. Magnus Meister, mein bestes Pferd im Stall. Er wird Sie ab morgen unterstützen.« Sie setzten sich in die schwarzen Ledersessel, dem Sofa gegenüber. Auf dem Glastisch zwischen ihnen stand eine teuer aussehende hellblaue Ledertasche, in die ein Wocheneinkauf hineingepasst hätte.
»Frau Wolf, wenn Sie bitte für Herrn Meister zusammenfassen könnten, warum Sie uns beauftragen wollen«, sagte Benno.
»Sabotage.« Sie sog nervös an ihrer Zigarette, die sie bereits bis auf den Filter abgeraucht hatte.
Magnus verkniff sich ein Lächeln, die Ein-Wort-Sätze erinnerten ihn an Hotte. Er spürte, dass er gemustert wurde, und war froh, noch genug Zeit für Dusche, Rasur und ein sauberes Hemd gefunden zu haben. Falls sich Schneewittchen einen Wirtschaftsdetektiv anders vorgestellt hatte, ließ sie es sich nicht anmerken.
»Sie haben mir am Telefon erzählt, dass Sie vor Kurzem zur Leiterin der Bauabteilung befördert wurden«, sagte Benno.
»Seitdem gibt es Probleme?«, fragte Magnus.
»Probleme .« Sie ließ das Wort einen Moment im Raum stehen, als ob sie seinen Bedeutungsgehalt neu überprüfen wollte. Dann sah sie Magnus an. Ihre Augen tauchten in seinen Blick ein, und er spürte, wie ihm unter dieser Hypnose warm wurde.
»Seit drei Monaten leite ich diese Abteilung. Ich verantworte die Bauvorhaben unseres Unternehmens in Nordrhein-Westfalen, Umbauten wie Neubauten.«
»Wir reden von der Bestkauf GmbH, einem der größten Einzelhandelsunternehmen Deutschlands«, sagte Benno. »Frau Wolf baut Supermärkte.«
»Zuerst dachte ich an Fahrlässigkeit«, sagte sie. »Seit einigen Wochen verschwinden Planzeichnungen aus meiner Abteilung und tauchen nicht wieder auf. Bauaufträge, die ich schon unterschrieben hatte, sind nicht mehr auffindbar. Aktuell verschwindet gerade Baumaterial in erheblichem Umfang.«
»Kommt das nicht häufiger vor?«, warf Benno ein.
»Aber nicht immer an derselben Baustelle.« Sie griff nach ihrer Zigarettenpackung, ließ sie aber dann wieder auf den Tisch fallen. »Letzte Woche erhielt ich einen Hinweis von unserer Innenrevision. Wir bauen am Kölner Flughafen gerade bei laufendem Geschäft den Markt um. Die Kühlung der Molkereiprodukte fiel in der Nacht von Sonntag auf Montag aus.«
»Wird dann nicht Alarm ausgelöst?«, fragte Magnus.
»Richtig.« Sie bedachte ihn mit einem anerkennenden Blick. »Vorausgesetzt, er funktioniert. Das war leider nicht der Fall. Auf einer der Kameras ist zu sehen, dass sich eine unbefugte Person in der Nähe der Alarmsicherung aufgehalten hat. Leider kann man nicht genug erkennen. Ich habe mir die Aufzeichnung bestimmt 20 Mal angeschaut.«
»Der Warenschaden für die verdorbenen Lebensmittel betrug rund 25.000 Euro«, sagte Benno. »Die Bestkauf GmbH hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet, bisher ohne Ergebnis. Frau Wolf, erzählen Sie Herrn Meister, was am Freitagabend passiert ist.«
»Kann ich bitte ein Glas Wasser haben?« Sie wandte sich an Benno, der sofort aufsprang, um ihr das Gewünschte zu holen.
»Kennen Sie die Großbaustelle am Rheinauhafen? An den Kranhäusern?«
Magnus nickte. Er musste ihr ja nicht auf die Nase binden, dass er schräg gegenüber zweimal in der Woche mit seiner Band probte.
»Ein Traumstandort, falls wir ihn jemals eröffnen können. Kein Mitbewerber weit und breit.«
Benno kehrte mit einer Flasche Mineralwasser und drei Gläsern an den Tisch zurück. Ihre Klientin goss sich ein Glas Wasser ein, zündete sich eine Zigarette an und holte tief Luft.
»Morgen früh war ursprünglich der Termin für die Vorabnahme des Hauptmarktes angesetzt. Wir lagen gut im Zeitplan. Am späten Freitagabend wollte ich überprüfen, ob die Schuttcontainer wie vereinbart abgeholt waren. Ich hatte zum Glück Emmi dabei, unsere Hündin. Sie riss mir aus und lief auf eine Baugrube zu.« Sie hob den Blick und fixierte Magnus. »Haben Sie gestern die Zeitung gelesen?«
Benno schob ihm den Kölner Express vom Samstag über den Tisch zu. Die Überschrift auf der ersten Seite lautete: »Praktikant im Koma! Pfusch auf der Baustelle?« Auf dem Titelfoto waren der Teil eines Rettungswagens, ein paar Sanitäter und Feuerwehrleute abgebildet, die im Halbkreis standen. Im Hintergrund sah man die hell erleuchteten Kranhäuser am Rheinufer. Den Leser forderte man auf, den ausführlichen Artikel auf Seite 16 im Kölner Lokalteil nachzulesen.
»Was ist genau passiert?«, fragte Magnus.
»Wenn ich das bloß wüsste. Nils, unser Praktikant, ist in die Baugrube gestürzt. Das Absperrband an der Grube war beschädigt, als ich ihn fand. Er ist schwer verletzt und momentan nicht bei Bewusstsein. Eine Katastrophe.« Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen, die Asche ihrer Zigarette gefährlich nah an einer Locke, die sich aus ihren hochgesteckten Haaren gelöst hatte. Dann fing sie sich wieder und richtete sich auf. »Ich musste am Samstagmorgen sofort bei unserer Geschäftsleitung antreten. Dass ich meinen Job noch habe, ist ein kleines Wunder. Aber ich stehe auf der Abschussliste.«
»Was macht Sie so...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.
Dateiformat: PDFKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Das Dateiformat PDF zeigt auf jeder Hardware eine Buchseite stets identisch an. Daher ist eine PDF auch für ein komplexes Layout geeignet, wie es bei Lehr- und Fachbüchern verwendet wird (Bilder, Tabellen, Spalten, Fußnoten). Bei kleinen Displays von E-Readern oder Smartphones sind PDF leider eher nervig, weil zu viel Scrollen notwendig ist. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.