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Der etwas andere Guide durch das Himmelsjahr.
Mondphasen, Sternbilder oder Planetentreffen - das Himmelsjahr hält so einiges für uns bereit. Doch die spektakulärsten Himmelsphänomene sind die, die wir nicht sehen können. Zum Beispiel die etwa 40 Milliarden potenziell bewohnbaren Exoplaneten in unserer Milchstraße oder die mysteriöse Dunkle Materie, aus der der Großteil unseres Universums zu bestehen scheint. Die Astronomin Ruth Grützbauch, Mitglied der Science Busters, hat einen vollkommen anderen Führer durch das Himmelsjahr geschrieben. Monat für Monat lässt sie uns den Kosmos mit neuen Augen sehen, etwa mit denen des James-Webb-Weltraumteleskops oder der wenigen Menschen, die die Rückseite des Mondes gesehen haben. Sie wirft einen Röntgenblick auf das Spektrum des unsichtbaren Lichts, auf Bilder aus Neutrinos und auf Sterne, die es womöglich gar nicht mehr gibt. Lehrreich, unterhaltsam, augenöffnend.
Das Jahr hat gerade erst angefangen, und schon ist die allerletzte Chance, eines der beeindruckendsten Himmelsobjekte mit freiem Auge am Himmel zu sehen, fast verstrichen: unsere Nachbargalaxie Andromeda (oder M31).
Egal, ob Sie jetzt denken »ach so die«, oder »wer ist denn das, bitte?«, halten Sie doch noch mal rund um den Valentinstag nach ihr Ausschau, bevor sie sich für das nächste halbe Jahr von unserem Nachthimmel verabschiedet. Wenn Sie die Andromeda-Galaxie noch nie gesehen haben, wäre es besser gewesen, ein paar Monate zuvor, im November oder Dezember, nach ihr zu suchen. Denn dann steht sie am Abend hoch am Himmel, genau über unseren Köpfen. Im Januar hat sie, wenn es dunkel wird, den Zenit schon überschritten, und im Februar kann man sie gerade noch in halbwegs vernünftiger Höhe am Himmel erwischen, bevor das milchige Nebelchen im Dunst, hinter den Luftmassen der Atmosphäre und schließlich im Glanz der Sonne verschwindet.
Generell ist die Andromeda-Galaxie nicht so leicht zu finden, aber es lohnt sich schon sehr, es zu probieren. Zugegeben, zunächst wird Sie der Anblick des winzigen, verwaschenen Fleckchens vielleicht nicht gleich aus den Socken hauen. Andromedas Bedeutung aber ist überwältigend: Sie ist das einzige Ding, das man ohne Teleskop am Himmel sehen kann, das nicht zu unserer Milchstraße gehört[5] . Das kleine ovale Nebelchen mit dem profanen Namen M31 ist größer als unsere eigene Milchstraße, also größer als der milchige Bogen, der sich quer über den ganzen Himmel zieht und alles andere, was wir am Himmel sehen können, zusammengenommen. Bei ihrem Anblick poppt der zweidimensionale Himmel auf in ein dreidimensionales riesiges Universum gefüllt mit leerem Raum, das wir dank des Lichts, das diese unfassbaren Entfernungen beinahe unbeeindruckt zurücklegt, erkunden können. Und auch für das Licht, das Sie sehen, ist es ein Happy End: nachdem es in den Sternen der Andromeda-Galaxie erzeugt wurde und dann zweieinhalb Millionen Jahre lang mit Lichtgeschwindigkeit durch den leeren Raum geflogen ist, finden die kleinen Photonen plötzlich nichtsahnend in einem flüchtigen Moment genau auf Ihrer Netzhaut ihr Ende und dürfen zum Schluss als Belohnung noch einen kleinen Reiz auslösen.
Noch cooler wäre es natürlich, statt Augen zwei Spektroskope im Gesicht zu haben, denn dann könnten wir das Licht in seine einzelnen Farben zerlegen und würden überall kleine Regenbögen sehen. Wäre dieses Augen-Spektroskop genau genug, könnten wir sehen, dass eine Hälfte der Galaxie etwas rötlicher und die andere etwas bläulicher ist. Warum ist das so? Die ganze Andromeda-Galaxie bewegt sich auf uns zu, mit 120 km/s ziemlich schnell sogar, aber schneller noch als diese Bewegung, nämlich fast doppelt so schnell, ist ihre eigene Drehung: Eine Seite der Galaxie bewegt sich von uns weg, und die andere kommt dadurch noch viel schneller auf uns zu. Durch die Bewegung wird das Licht der einen Hälfte der Galaxie, das auf uns zukommt, gestaucht, also blauer, und das Licht der anderen Seite wird etwas gestreckt, also röter. Der Unterschied zwischen den beiden Seiten ist mit fast 500 km/s zwar sehr schnell, entspricht aber nur einem Farbunterschied von etwa einem Nanometer Wellenlänge - was vermutlich nicht mal die tetrachromatischen[6] Farbton-Enthusiast:innen unter uns als unterschiedliche Farben wahrnehmen könnten.
Richtig spektakulär würde die spektroskopische Version der Andromeda-Galaxie also noch immer nicht aussehen. Aber viel wichtiger: mit ihrem Augen-Spektroskop könnten Sie quasi auf einen Blick die gesamte Masse der Galaxie ermitteln. M31 ist tatsächlich die erste große Galaxie, bei der es uns gelungen ist, ihre Masse zu bestimmen. Nicht nur die, die wir in ihren Sternen sehen können, sondern wirklich ihre gesamte Masse[7] . Das haben wir der amerikanischen Astronomin Vera Rubin zu verdanken, der es als Erste gelungen ist, die tatsächliche Masse von Galaxien zu bestimmen.
Wie wiegt man Dinge im Weltraum? Das ist gar nicht so einfach. Generell sehen wir ja immer nur, wie viel Licht zu uns kommt, und müssen dann vom Licht auf alle anderen Eigenschaften schließen. Somit können wir auch aus der Menge an Licht auf die Menge an Material schließen, die das Licht erzeugt hat. Die Sterne produzieren mehr Licht, wenn sie mehr Masse haben, wenn also mehr Material für die Kernfusion zur Verfügung steht. Es gibt ein bestimmtes Verhältnis zwischen der Masse und der Leuchtkraft eines Sterns. Aber dieses Masse-zu-Leuchtkraft-Verhältnis ist nicht immer gleich, sondern ganz unterschiedlich für verschiedene Arten von Sternen. Große Sterne etwa leuchten verhältnismäßig sehr viel mehr, als es von ihrer Masse her zu erwarten wäre. Sie sind heller, als sie schwer sind. Bei kleinen Sternen ist es genau umgekehrt, da ist wiederum mehr Masse da als Licht, obwohl sie natürlich viel weniger Masse enthalten als die großen. Dafür wiederum gibt es von den kleinen Sternen sehr viel mehr als von den großen, weshalb insgesamt die meiste Masse in kleinen Sternen zu finden ist. Das Ganze ist ziemlich verworren.
Will man nun eine ganze Galaxie wiegen, muss man wissen, wie viele Sterne von welcher Masse es gibt, um das Masse-zu-Leuchtkraft-Verhältnis zu entschlüsseln und vom beobachteten Licht auf das Gewicht der Galaxie zu schließen. Man braucht also schon einen Teil des Ergebnisses, um zum Endergebnis zu gelangen. Da das nicht geht, müssen wir viele Dinge einfach voraussetzen. Und das führt zu einer relativ großen Unsicherheit in der Massenbestimmung von Galaxien. Noch dazu: durch das beobachtete Licht ergibt sich ja nur die Masse der Materie, die in Sternen gebunden ist. Wie kommen wir der ganzen Masse auf die Spur?
Das Praktische an der Masse ist Folgendes: Jede Masse hat immer eine Anziehungskraft auf andere Masse, und diese Anziehungskraft bewirkt eine Bewegung aller Massen, die in der Nähe sind. Je mehr Masse da ist und je näher sich die Massen sind, desto stärker die Anziehungskraft und desto schneller die resultierende Bewegung. Es gibt also die Möglichkeit, über die Geschwindigkeit und den Abstand der Sterne innerhalb einer Galaxie deren Gesamtmasse abzuschätzen. Bei Spiralgalaxien ist es ihre Drehgeschwindigkeit, in Abhängigkeit des Abstands vom Zentrum der Galaxie, die von der gesamten vorhandenen Masse verursacht wird. Und das sind zwei Größen, die mehr oder weniger gut messbar sind.
Genau das ist es, was Vera Rubin gemacht hat. Sie hat Ende der 60er Jahre mit ihrem Kollegen Kent Ford die Geschwindigkeit der Sterne in verschiedenen Abständen vom Zentrum der Andromeda-Galaxie gemessen11. Ford hatte einen neuen Spektrographen gebaut, mit dem es erstmals möglich war, die Geschwindigkeiten von verschiedenen Gebieten innerhalb einer Galaxie zu bestimmen. Die beiden begannen an Quasaren zu arbeiten, super-spannende Objekte, die gerade erst entdeckt worden waren. Doch schon nach kurzer Zeit bemerkte Rubin, dass ihr das Forschungsgebiet zu kompetitiv war. Ständig mussten sie um Beobachtungszeit an den großen Teleskopen kämpfen, dabei wollte Rubin nur in Ruhe arbeiten. Sie erinnerte sich an ihr Interesse an der Dynamik von Galaxien, das von weniger Astrophysiker:innen geteilt wurde, und die beiden nahmen sich die nahegelegene Andromeda-Galaxie und ihre Drehung vor.
Es gab zu dem Zeitpunkt natürlich schon Theorien dazu, wie sich Galaxien drehen sollen. Wenn ihre Masse wie die sichtbaren Sterne verteilt wäre, sich also die meiste Masse im hell leuchtenden Zentralbereich der Galaxien befand - und warum sollte sie das nicht? -, dann müsste die Drehgeschwindigkeit der Sterne mit zunehmender Entfernung vom Zentrum abnehmen. In etwa so, wie die Planeten in unserem Sonnensystem in der Nähe der Sonne schneller und nach außen hin immer langsamer werden. Das galt damals als gemeinhin akzeptierter Fakt, aber niemand hatte sich die Mühe gemacht, es mit Messungen zu verifizieren, auch weil das bis dahin technisch sehr schwierig war.
Mit Fords neuem Spektrograph aber ging es. Das Gerät hatte die nötige Sensitivität und Auflösung, um Rotationskurven zu messen, also die Geschwindigkeit der Sterne in verschiedenen Bereichen der Galaxie. Im Grunde wollte Rubin den erwarteten Verlauf der Rotationsgeschwindigkeiten bestätigen. Stattdessen fanden die beiden, dass sich die Galaxien weiter außen genauso schnell weiterdrehen wie weiter innen! Die Rotationskurve ...
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