Schweitzer Fachinformationen
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Abschiede gehören zu unserem Leben, auch zur Normalität unseres Alltags. Wir verabschieden am Morgen die Kinder, die in die Schule müssen. Wir verabschieden uns vom Partner, wenn wir zur Arbeit gehen. Am Abend verabschieden wir uns von den Arbeitskolleginnen. Wir verabschieden uns von den Nachbarn und Bekannten, wenn wir in eine andere Stadt ziehen. Und wenn wir uns von Freunden verabschieden, verabreden wir ein Wiedersehen und freuen uns schon auf das nächste Treffen. Die Söhne und Töchter verabschieden sich, wenn sie erwachsen werden und aus dem elterlichen Haus ausziehen. Sogar von Dingen verabschieden wir uns, die entweder kaputt gegangen sind oder die wir nicht mehr brauchen können. Und wir verabschieden uns von lieben Menschen, wenn sie sterben. Das ist, anders als alle vorläufigen Abschiede, etwas Letztes, Endgültiges.
Abschiede haben etwas Alltägliches. Sie können aber auch Grenzerfahrungen sein: am Anfang und bis zum Ende. Mit der Geburt fängt es an, also mit der Trennung des Neugeborenen von der Symbiose mit der Mutter, die ihm neun Monate Heimat geboten hat. Mit der Entbindung und Abnabelung beginnt in unserem eigenen Leben etwas Neues. Und es geht bis zum "letzten Abschied". Der Tod, der uns allen sicher bevorsteht, tritt oft genug ein, ohne dass wir darauf vorbereitet wären, und von ihm wissen wir nicht, was uns hinter seiner dunklen Tür erwartet. In der Zwischenzeit erfahren wir oft genug, dass Leben und Sterben zusammengehören. Denn noch im Sterben ist Leben. Und Leben ist in seinem ständigen Wandel immer auch von einem Sterben bestimmt: Stirb und Werde, Abschiednehmen und Weitergehen - das ist das Lebensgesetz.
Abschiede haben immer ein Doppelgesicht. Das eine Gesicht blickt zurück, das andere nach vorne. Es geht ums Weggehen und darum, sich neu einzubinden und zu "verorten" - wie das den Flüchtlingen abverlangt ist, die in der letzten Zeit zu uns kamen. Und es geht immer auch um Zeit, um Vergangenheit und Zukunft: Es gibt ein Davor und ein Danach. Und die oft genug nur schmerzhaft erlebte Gegenwart, den Moment der Trennung. Abschied kann einen "Zwischenraum" eröffnen - vor der nächsten Begegnung. Oder aber es wird Schluss gemacht, was ein Aus, ein definitives Ende bedeutet - und einen neuen Anfang, eine neue Hoffnung: Tor in neue Welten.
Im Abschied liegt auch die Verheißung von etwas Neuem. So gilt es, durch den Schmerz des Abschieds hindurchzugehen, damit das Leben sich erneuert. Wer keinen Abschied wagt, der bleibt in etwas hängen, was ihn in der Vergangenheit festhält.
Und es geht bei Abschieden auch in anderer Hinsicht um ein Zweifaches. Da sind diejenigen, die Abschied nehmen und aufbrechen, vielleicht zu neuen Ufern. Und es gibt diejenigen, die bleiben - nicht nur im Todesfall: die Hinterbliebenen, die Zurückgelassenen. Die Asylbewerber zum Beispiel, die nach einer gefährlichen Flucht hier bei uns auf dem Klostergelände leben, haben ihre Angehörigen, ein soziales Umfeld und manche Hoffnungen in der alten Heimat zurückgelassen. Und auch die Pflegehelferinnen aus Polen, die heute in vielen Familien alten Menschen helfen, haben zu Hause fast immer ihre Kinder, ihre eigenen Eltern.
Abschiede sind auch Wendepunkte: Wer sich verabschiedet, dreht sich um und geht in eine andere Richtung weiter. Sein Leben nimmt eine andere Wendung. Es geht auch bei unseren Ablösungen und Trennungen ja immer um ein Beziehungsgeschehen - ob eine alte Beziehung nun beendet oder eine neue angezielt wird. Auch wenn eine Bindung gelöst wird, setzt das die frühere Verbindung voraus, es bestätigt sie gerade. Eine Tür kann sich schließen. Eine Tür kann sich auftun. Leben geht weiter. Und auch wer sich verabschiedet, hat einen neuen Weg vor sich, auch wenn der nicht leichtfällt. Hilde Domin hat das in ihrem Gedicht "Die schwersten Wege" in die Worte gekleidet: "Stehenbleiben und sich umdrehn / Hilft nicht. Es muss gegangen sein."
Es gibt, entsprechend, eine ganze Skala von Emotionen, die sich damit verbinden, je nachdem, um welche Abschiede es sich handelt: Das Gefühl von Erleichterung und Hoffnung ist da genauso möglich wie Wehmut und Sehnsucht, Melancholie oder Trauer. Schon die uralten Geschichten der Bibel kennen das: Die ersten Menschen wurden aus dem Paradies vertrieben. Dieser unwiederbringliche Verlust des Idealzustandes ist etwas ganz anderes als der hoffnungsfrohe Aufbruch eines unterdrückten Volkes und sein "Exodus" in die ersehnte Freiheit, auch wenn man dabei auf "Fleischtöpfe" verzichten muss. Paradies und Exodus: Beides Abschiede. Beides Sehnsuchtsziele.
Und es ist natürlich etwas anderes, ob jemand aus seinem Beruf gemobbt wird und mit einem knappen Brief von seiner Kündigung erfährt oder beim Ausscheiden aus dem Amt mit einem großen Zapfenstreich öffentlich geehrt wird. So wie ein feuchtfröhlicher Junggesellenabschied ja auch nichts gemein hat mit einer stillen Trauerfeier. Oder nehmen wir einen Umzug als Beispiel: Wer sich aus einer studentischen Wohngemeinschaft endlich in die eigene Wohnung verabschieden kann, freut sich. Aber später im Leben, wenn man aus den privaten und vertrauten vier Wänden in ein Pflegeheim zieht, kann ein Umzug sehr schwerfallen. Es gibt eben ganz unterschiedliche Abschiede: aufgezwungene, aufgenötigte und leichte, freiwillige, abrupt-plötzliche und schleichende, die man kaum wahrnimmt, vorübergehende und dauernde, gelungene und verunglückte, würdige und unwürdige, heilsame und kränkende, leichtfüßige und holpernde, herzzerreißende. Solche mit einem nur leicht wehmütigen "Sag beim Abschied leise Servus" am Ende. Aber immer auch solche, die man mit einem befreienden Aufatmen begrüßt: Endlich!
Es gibt ganz unterschiedliche Abschiede: aufgezwungene, aufgenötigte und leichte, freiwillige, abrupt-plötzliche und schleichende, die man kaum wahrnimmt, vorübergehende und dauernde, gelungene und verunglückte, würdige und unwürdige, heilsame und kränkende, leichtfüßige und holpernde, herzzerreißende.
Abschiede ändern sich, gerade in einer Zeit der globalen Mobilität und der permanenten technischen Erreichbarkeit durch das Internet. Wer früher ins Ausland auswanderte, war oft für Jahre unerreichbar. Heute sind Distanzen über Kontinente hinweg kein Problem mehr. Schüler, die ein Auslandsjahr machen, haben die technische Möglichkeit, in Bild und Ton ihren Eltern nahe zu sein, ob sie nun vorübergehend in Australien leben oder sich in Südamerika aufhalten. Aber wenn sich ein Mann von der Freundin (oder umgekehrt) einfach durch einen Klick per WhatsApp trennt, gehört auch das zur neuen Zeit - und ist umso schmerzlicher für den so "abservierten" Menschen. Und ganz allgemein: Die globalisierte Welt, die sich so rasant verändert, hat mehr Nähe ermöglicht und Erreichbarkeit produziert. Aber auch die Auswirkungen eines Krieges, Fluchtbewegungen, Migrationen und millionenfacher Verlust von Heimat gehören zu den Erfahrungen unserer Gegenwart.
Nicht nur als Einzelne sind wir betroffen. Gerade heute machen wir die Erfahrung, dass sich vieles ändert, was nicht allein in unserer Hand liegt. Es geht plötzlich alle an. Gewohnte Sicherheiten brechen in vielen Bereichen weg und "Normalität" scheint es nicht mehr zu geben. Angst und Ohnmacht sind die Folge. Der Mut, Altgewohntes bewusst loszulassen, und die Kraft, aktiv weiterzugehen, sind dann in vielfacher Hinsicht gefordert. Nicht nur die Kirchen sind in diesen Umbruch hineingezogen und weithin verunsichert. Koordinaten unserer ganzen Gesellschaft ändern sich zudem mit den rasanten Umbrüchen. Da sind nicht nur Kriege, die uns bedrohlich näher rücken. Wir sind tiefgreifend in Mitleidenschaft gezogen auch von einer Klimakatastrophe, die das Leben auf der Erde insgesamt gefährdet. Wir spüren die Folgen eines plötzlichen Pandemieausbruchs, die unsere Vorstellung von Normalität verändert haben. Das ist etwas anderes, als wenn individuelle Beziehungen sich verändern und abbrechen oder mitten im Leben Verluste zu verkraften sind. Aber auch solche Umbrüche von außen stellen uns vor die Aufgabe, manches loszulassen, trotz allem Mut zu fassen und zu vertrauen, dass sich neue Wege für eine gelingende Zukunft auftun.
Abschiednehmen kann ein kraftvoller und positiver Akt sein, wenn in wenn in einer festgefahrenen Lebenssituation eine bewusste Entscheidung getroffen und ein neues Ziel ins Auge gefasst wird.
"Abschiednehmen ist die schlimmste Erfahrung, das allerschlimmste Wort für mich", so hat mir jemand gesagt, dessen Frau vor kurzem gestorben war. Und so ist es, wenn man sich von Schönem, von lebendig Gelebtem, von Vertrautem und Beglückendem trennen muss. Aber Abschiednehmen kann auch ein kraftvoller und positiver Akt sein, wenn in einer festgefahrenen Lebenssituation eine bewusste Entscheidung getroffen und ein neues Ziel ins Auge gefasst wird. Es ist nur erleichternd, wenn jemand eine unwürdige Arbeit...
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