Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
1
Eiskalter Ärger
Zefix - des war vielleicht zapfig!
Nach der mollig geheizten Wohnung empfand Dr. Sophie Rosenhuth die morgendliche Kälte im Hinterhof wie einen frostigen Biss. Von wegen grandiose Zwiebeltaktik! Spät dran war sie, Kaffee war aus, und im Brotkasten hatte lediglich ein vertrocknetes Scherzl gelegen. Eigentlich wollte sie ja bei Joe übernachten, hatte sich dann aber im letzten Moment doch noch umentschieden. Außerdem fühlte sie sich in ihren vier Kleidungsschichten plus Sturmhaube, die sie unter dem Helm trug, ungefähr so beweglich wie eine perfekt verpuppte Raupe. Am sperrigsten war der wetterfeste Overall in Schlammgrün, den sie allerdings leider geschätzte zwei Nummern zu klein gekauft hatte. Spätestens in diesem Augenblick bereute sie all die kulinarischen Ausrutscher der vergangenen Wochen zutiefst.
Und jetzt auch noch radeln?
Sehnsüchtig glitt ihr Blick zu Vronis Küchenfenster mit den gestärkten Gardinen. Jetzt bei der Tante klingeln, einen heißen Kakao schlürfen, eine Butterbreze genießen und dann gemütlich die U-Bahn nehmen .
Von wegen, meckerte die ihr leider nur allzu bekannte hundsgemeine innere Stimme. Du kannst doch Menschenmassen mit ihren Morgenausdünstungen nicht ausstehen. Schon vergessen? Und was ist mit dieser fiesen Hüftrolle, die du Vronis Weihnachtsplätzchen zu verdanken hast? Von den Wasabinüsschen ganz abgesehen, von denen du seit Neuestem kaum die Finger lassen kannst. Jetzt auch noch Kakao? Willst du wirklich wie eine Presswurst aussehen, wenn die ersten lauen Frühlingswinde wehen?
Ohnehin ist Tante Vroni gar nicht da, weil sie doch heute mit ihrem frisch operierten Knie in die Reha kommt. Der Einzige, der dir aufmachen könnte, wäre ihr Liebster, der Flo Denninger. Und der hat mit dem leidigen Schneeschippen jeden Morgen schon genug am Hals.
Also, worauf wartest du? Rauf aufs Fahrrad und dann losgestrampelt zum Institut für Rechtsmedizin!
Seufzend wischte Sofie den Sattel sauber, schaltete das Licht ein, stieg auf und fuhr los.
Sie war entschlossen, dem pulvrigen Neuschnee, der über Nacht reichlich gefallen war, mit ihren stabileren neuen Reifen mutig die Stirn zu bieten. Aber ihr Vorhaben war gar nicht so einfach in die Tat umzusetzen. Schon nach wenigen Metern schlitterte sie auf dem eisigen Belag der Zugspitzstraße. Als sie von einem Auto überholt und dabei ganz nach rechts gedrückt wurde, konnte sie gerade noch den Lenker herumreißen, um nicht am nächsten Verkehrsschild zu landen.
Zum Glück war die Tela, wie die Tegernseer Landstraße von den Münchnern liebevoll genannt wird, offenbar eifrig eingesalzen worden und daher durchaus befahrbar. Aber Sofie passte trotzdem höllisch auf, um nicht mit den Reifen in die Straßenbahnschienen zu geraten und einen Megasturz zu riskieren. Und dann der Giesinger Berg, den sie als Nächstes ansteuerte: trotz Streusalz und Mengen von Splitt eine einzige Rutschpartie!
Immer schneller schoss sie nach unten und konnte nur hoffen, dass die neuen Bremsen auch wirklich hielten, was der freundliche Lockenkopf im Fahrradladen so vollmundig versprochen hatte.
Wenigstens hockte kein bibberndes Murmelchen vor ihr im Körbchen. Der kleine Waisenmops, den sie sich erstaunlich stressfrei mit der oft unleidigen Dr. Elke Falk teilte, war leicht erkältet und hatte daher die letzten Nächte bei eben dieser Kollegin verbracht.
Unten heil angekommen, war sie hellwach und erleichtert zugleich. Kalt war ihr jetzt auch nicht mehr, kein bisschen. Und auf einmal machte es ihr richtig Spaß, durch die Humboldtstraße zu radeln, während links und rechts neben der Fahrbahn Autofahrer erst missmutig ihre Karren aus hohen Schneehaufen buddeln mussten.
Auf der Wittelsbacherbrücke hielt sie einen Moment an und schaute hinunter. Dunkelgrün, mit weißen Gischtkronen schoss die Isar dahin, als wolle sie ihrem keltischen Namen »die Reißende« alle Ehre machen. Von den Stadtstreichern, die im Sommer so zahlreich unter der Brücke gehaust hatten, war nichts zu sehen. Der Winter, der München spät, dafür aber umso heftiger überfallen hatte und seitdem nicht mehr aus seinem frostigen Griff ließ, hatte sie ausnahmslos in die städtischen und kirchlichen Notunterkünfte getrieben.
Wie heilfroh man doch sein musste, wenn man in München gut behaust war, dachte Sofie, als sie weiterfuhr. Joe Lederer und sie gehörten zu diesen Glücklichen. Ihr Ex, der smarte Kriminalkommissar, mit dem sie sich inzwischen wieder so gut verstand, dass sie sogar Pläne schmiedeten, zusammenzuziehen, lebte seit ihrer Scheidung in einer Zweizimmerwohnung, die viel zu klein für sie beide war. Nicht anders verhielt es sich mit Sofies Wohnung: Joe und sie auf so engem Raum? Das würde vielleicht ein Wochenende lang gut gehen, wusste sie, dann flögen gleich wieder die Fetzen.
Aber in München etwas halbwegs Bezahlbares zu finden, in das sie gemeinsam ziehen könnten, schien nahezu unmöglich zu sein. Seit Monaten schon brüteten sie über Zeitungsanzeigen und durchforsteten Immobilienangebote im Netz. Aber was auf dem Papier oder am Bildschirm ganz brauchbar klang, erwies sich in echt entweder als Flop, oder sie wurden gar nicht erst zur Besichtigung vorgelassen, weil die Wohnung längst unter der Hand vergeben war. Bei den städtischen Dienstwohnungen tat sich auch nichts: Niemand schien ausziehen zu wollen, und solange nichts frei wurde, nützten Joe auch alle Ansprüche nichts, die er als Beamter hatte. Abgesehen davon, dass diese Ansprüche auch nicht über eine Zweizimmerwohnung hinausgehen würden, ohne neuerliche Hochzeitsurkunde. Und Letzteres wäre Sofie dann doch ein Schritt zu viel gewesen.
Ohnehin war es vor allem Joe, der darauf drängte, dass sie wieder zusammenzogen. Sie konnte sich das zwar auch durchaus vorstellen - aber wollte sie es auch wirklich? Da war sie sich nicht so sicher. Und überhaupt: Was würde die Tante Vroni dazu sagen, wo sie es doch so geschickt eingefädelt hatte, dass die Sofie, ihr Madl, bei ihr im Hinterhaus wohnen konnte?
Nachdenklich bremste Sofie auf der Kapuzinerstraße und hielt an. Das sympathische Café gangundgäbe hatte schon geöffnet. Und gegen einen Milchkaffee auf die Schnelle konnte ja nicht einmal die kritischste innere Stimme etwas einwenden. Kurz entschlossen stellte sie ihr Rad ab, ging hinein und bestellte. Allein schon die Sturmhaube und den Helm für ein paar Momente abzustreifen war die pure Erlösung. Und dann der erste Schluck, warm, weich und zimtduftend - welch ein Genuss!
Was ihr Problem leider nicht löste.
Ebenso wenig wie das lauwarme Vanillecroissant, das sie sich kurz entschlossen dann doch gönnte.
Würde es wirklich gut gehen, wenn Joe und sie noch einmal zusammenwohnten? Schon einmal waren sie dabei gescheitert, das saß Sofie noch immer im Nacken. Ja, sie waren beide älter geworden und hatten in der Zwischenzeit neue Erfahrungen gesammelt - aber blieb man nicht trotzdem immer die Person, die man nun einmal war?
Joe war alles andere als fehlerfrei, das war ihr klar, auch wenn er Stein und Bein schwor, dass er das mit der Treue dieses Mal auf jeden Fall hinbekommen würde. Das allein genügte aber noch lange nicht für ein harmonisches Zusammenleben. Da musste Sofie nur bei sich selbst anfangen. So akribisch sie am Sektionstisch auch war - im Alltag war sie oft ein Schussel, dem so manches danebenging. Was Joe schnell auf die Palme bringen konnte .
Herrgott Zare - die Tante fehlte ihr schon jetzt!
Vronis trockene Art half ihr immer, wenn es darum ging, einen klaren Gedanken zu fassen. Aber jetzt war sie für die nächsten Wochen in der Reha am Chiemsee, und Sofie musste sich selbst helfen. Als ihr das klar wurde, stellte sie ihr Glas so fest entschlossen auf den Tresen zurück, dass die junge blonde Bedienung aufschreckte. Sofie zahlte, wappnete sich erneut mit Haube und Helm gegen die Kälte und verließ das Café. Draußen verhüllte sie auch noch den unteren Teil ihres Gesichts, um die empfindliche Mundpartie zu schützen.
Einen Versuch war es wert. Also würden sie jetzt erst mal gemeinsam weitersuchen, einen Mietvertrag aber nur dann unterschreiben, wenn sie sich beide ganz, ganz sicher waren. Und genau das wollte sie heute Abend mit Joe besprechen.
Sie stieg wieder auf ihr Rad und schlingerte nach ein paar Metern rechts in die Häberlstraße, wo offenbar so gut wie gar nicht gestreut worden war. Auf der Goethestraße besserten sich die Straßenverhältnisse dann so, dass Sofie gleich wieder ihren Gedanken nachhängen konnte.
Auch wenn sie sich Joe nun wieder sehr nahe fühlte, hieß das noch lange nicht, dass sie ihm nun alles hinterherräumen würde. Nachlässig im Zimmer verstreute Wäsche mochte ja ganz anregend sein, wenn es sich im Vorfeld einer heißen Liebesnacht abspielte, im Alltag dagegen war es schlicht und einfach nur lästi.
Ein Krachen ließ sie zusammenfahren.
Beim Abbiegen in die Nußbaumstraße hatte sie eindeutig zu viel Schwung bekommen. Auf der hier wieder spiegelglatten Fahrbahn ließ sich das Fahrrad nicht mehr rechtzeitig bremsen, und so war sie unsanft auf dem nachtblauen Audi vor ihr gelandet. Ihr schwante gleich, wer aussteigen würde, noch bevor die gertenschlanke Frau im steingrauen Lammfellmantel aufgebracht auf sie zugeschossen kam.
»Was soll das denn?«, schäumte sie. »Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, was dieser Wagen wert ist? Zudem gehört er meinem Lebensgefährten - was glauben Sie, was der erst dazu sagen wird?«
Sofie...
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.